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Wildkunde<br />
früher allenfalls auch die Jagd;<br />
doch eine Jagdstatistik bezüglich<br />
Eichhörnchen gab es nie. Inzwischen<br />
ist diese Überlegung ohnehin<br />
müssig geworden, seitdem<br />
das neue Jagdgesetz die lustigen<br />
Kobolde des Waldes gesamtschweizerisch<br />
und ganzjährig<br />
unter Schutz gestellt hat. Wichtiger<br />
als jagdliche Aspekte waren<br />
wohl schon immer umweltbedingte.<br />
Höchst wahrscheinlich<br />
ist es so, dass externe Einflüsse<br />
(Fressfeinde, Umwelt, Klima,<br />
Futter) in enger Wechselbeziehung<br />
stehen zu internen Regulationsmechanismen<br />
(Verminderung<br />
der Nachkommenzahl, Abwanderung,<br />
stressbedingte Krankheiten,<br />
schwächebedingter Parasitenbefall)<br />
und dass dann die<br />
letzteren hauptsächlich dezimierend<br />
wirken.<br />
Nicht zu vergessen – heutzutage<br />
– die Verkehrstoten! Vor allem<br />
aber scheinen negative klimatische<br />
Einflüsse (langfristige<br />
Schlechtwetterperioden) und, oft<br />
indirekt dadurch gefördert, Parasitosen<br />
unter Umständen drastische<br />
Folgen zu haben. Schon junge<br />
Eichhörnchen sind häufig von<br />
Zecken und Milben, gelegentlich<br />
auch von Flöhen und sehr oft sogar<br />
von Eingeweidewürmern befallen.<br />
Ein einzelliger Darmparasit<br />
mit dem exotischen Namen<br />
«Eimeria sciurorum» beispielsweise,<br />
der eine ansteckende und<br />
meist tödlich verlaufende Krankheit<br />
(Kokzidiose) hervorruft,<br />
kann katastrophale Auswirkungen<br />
haben. So fielen beispielsweise<br />
1943 in Finnland rund eine<br />
Million Eichhörnchen der Kokzidiose<br />
anheim. Grausam harte Sitten<br />
der Natur!<br />
Biologische Nussknackersuite<br />
26 <strong>Schweizer</strong> <strong>Jäger</strong> 4/2012<br />
Hörnchen gibt es viele<br />
Auch Nussknacken will gelernt sein! Jungen, unerfahrenen Eichhörnchen<br />
gelingt dies erst nach mühsamen Versuchen, wobei sie anfänglich<br />
ganz unsystematisch an der Haselnuss herumnagen, bis irgendwo<br />
ein Loch entsteht. Erwachsene Eichhörnchen dagegen gehen gezielt<br />
vor: Dem Faserverlauf der Nussschale folgend nagen sie zuerst eine Rille.<br />
Wenn an deren tiefster Stelle ein Loch entsteht, führen sie dort die<br />
unteren Schneidezähne ein und sprengen – die Kerbwirkung ausnützend<br />
– die Schale mit einer Hebelbewegung, indem sie den Kopf ruckartig<br />
hochreissen.<br />
Notvorräte: geplanter Zufall<br />
Im Wald gibt es kaum etwas<br />
Geniessbares, was Eichhörnchen<br />
nicht fressen: Hauptsächlich mögen<br />
sie Samen, Früchte und Knospen<br />
verschiedener Bäume. Magenuntersuchungen<br />
an Tieren aus<br />
dem <strong>Schweizer</strong> Mittelland zeigten,<br />
dass an erster Stelle und ganzjährig<br />
Samen (Zapfen) von Kiefern<br />
und Fichten stehen, Ende Sommer<br />
ergänzt durch Buchnüsse, im<br />
Winter und Frühling aufgebessert<br />
durch Knospen und Blüten der<br />
Nadelhölzer. Auf dem Menüplan<br />
stehen natürlich auch Beeren, Haselnüsse,<br />
Pilze, Blätter und Wurzeln,<br />
ja selbst tierische Nahrung<br />
wie Ameisenpuppen, Käfer, Insekten<br />
aller Art, gelegentlich sogar<br />
Vogeleier oder Jungvögel.<br />
Im Herbst, wenn das Nahrungsangebot<br />
gross ist, legen die<br />
Eichhörnchen fleissig Futtervorräte<br />
an, durch Vergraben in Wurzelnähe<br />
oder Lagern in Baumhöhlen.<br />
Da sie sich all diese<br />
Das Nahrungsspektrum<br />
der<br />
Eichhörnchen<br />
ist breit: Samen<br />
(vorab Kiefer-<br />
und Fichtenzapfen),<br />
Knospen,<br />
Blätter, Buch-<br />
und Haselnüsse,<br />
Beeren, Pilze und<br />
Insekten.<br />
Hörnchenartige gehören zu den ursprünglichsten Vertretern der<br />
formenreichen Ordnung der Nagetiere. Während die Familie<br />
der Stummelschwanzhörnchen nur aus einem einzigen neuweltlichen<br />
Vertreter besteht, dem Biberhörnchen, umfasst die Familie<br />
der Hörnchen unterschiedlichste Gestalten: bei den bodenbewohnenden<br />
Erdhörnchen beispielsweise Ziesel, Präriehunde und<br />
Murmeltiere, oder bei den klettertüchtigen Baumhörnchen die uns<br />
vertrauten Eichhörnchen, die Streifenhörnchen mit den Backentaschen<br />
sowie die gleitflugfähigen Gleithörnchen. HH<br />
Foto: naturpix.ch/ch.meier<br />
Verstecke nicht merken können,<br />
suchen sie im Winter an solch typischen<br />
Stellen nach dem Zufallsprinzip,<br />
werden mal fündig, mal<br />
nicht, wodurch sie nebenbei zur<br />
Samenverbreitung beitragen.<br />
Am intakten Lebensraum<br />
hängt alles<br />
Aus all dem Gesagten ergibt<br />
sich: Der optimale Lebensraum<br />
für Eichhörnchen ist ein Mischwald<br />
mit engem Kronenschluss<br />
und dichter Strauchschicht. Entmischte,<br />
unterholzarme, in Parzellen<br />
zerschnittene und von<br />
Strassen durchpflügte Waldungen<br />
bieten kaum mehr eine Lebensgrundlage.<br />
Speziell wichtig für die Sicherstellung<br />
der Ernährung ist das<br />
Vorhandensein verschieden alter<br />
Waldbäume; denn Samen (Zapfen)<br />
werden erst nach zehn oder<br />
mehr Jahren getragen und auch<br />
nur in unregelmässigen Abständen<br />
von mehreren Jahren. Arten-<br />
und Altersmonokulturen, die bei<br />
uns mehr und mehr die Mischwälder<br />
verdrängen, können, so<br />
vermutet man heute, zu eigentlichen<br />
Hungerfallen werden; denn<br />
einmal bieten sie Futter im Überfluss<br />
und führen dadurch zur Vergrösserung<br />
der Eichhörnchenbestände,<br />
ein andermal bewirken sie<br />
durch extremen Futtermangel Populationszusammenbrüche.<br />
Kein Wunder, wenn gelegentlich<br />
Schäden auftreten, weil die<br />
Eichhörnchen auf Ersatznahrung<br />
umsteigen und Bäume schälen,<br />
um an das saftige Gewebe unter<br />
der Rinde heranzukommen.<br />
Überstürzte Abschussaktionen,<br />
wie sie früher gelegentlich vorkamen,<br />
waren deshalb auch hier<br />
nichts anderes als glücklose<br />
Symp tombekämpfung. ■<br />
Bildfolge v.l.n.r.: Haselnuss, profimässig geöffnet von erwachsenem<br />
Eichhörnchen, ungezielt bearbeitet von unerfahrenem Eichkätzchen, säuberlich<br />
aufgenagt von Waldmaus und kräftig aufgehackt vom Specht.