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Krankenhilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz1

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habe an insgesamt acht psychotherapeutischen Sitzungen teilgenommen. Hierbei habe sie sich einer vereidigten<br />

Dolmetscherin bedient, die ihr 844,48 DM in Rechnung gestellt habe. Die Klage hatte Erfolg.<br />

Gründe: Die Klägerin hat Anspruch auf Übernahme der entstandenen Dolmetscherkosten. Rechtsgrundlage ist § 4<br />

Abs. 1 S. 1 AsylbLG. Unumstritten ist, dass die Klägerin leistungsberechtigt <strong>nach</strong> AsylbLG ist und ausweislich der<br />

Stellungnahme des Gesundheitsamtes an einer psychoreaktiven Erkrankung litt, die der ärztlichen Behandlung im<br />

Sinne des § 4 AsylBLG bedurfte. Hieraus ergibt sich zwangsläufig aber auch ein Anspruch auf Übernahme der zur<br />

Durchführung der Behandlung erforderlichen Dohnetscherkosten. Die Inanspruchnahme einer Dolmetscherin<br />

gehört nämlich zu den "sonstigen Leistungen" i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 AsylbLG, deren Kosten zu übernehmen<br />

sind, wenn und soweit der Anspruch auf ärztliche Behandlung anders nicht erfüllt werden kann (GK-<br />

AsylbLG, § 4 Rn. 81). Insoweit gilt im Rahmen des § 4 AsylbLG nichts anderes als für die <strong>Krankenhilfe</strong> <strong>nach</strong> § 37<br />

BSHG (GK AsylbLG a.a.O. mit Hinweis auf das zu Dolmetscherkosten <strong>nach</strong> § 37 BSHG ergangene Urteil des<br />

BVerwG 5 C 20/95 v. 25.01.96, FEVS 47, 54ff.)<br />

Dem kann der Beklagte nicht die Rspr. des BSG entgegenhalten, wo<strong>nach</strong> Dolmetscherdienste nicht zu den von<br />

den gesetzlichen Krankenkassen zu tragenden Leistungen gehören. Zum einen ist der Wortlaut des § 28 Abs.<br />

1 S. 2 SGB V, auf den das BSG in seinem Urteil maßgeblich abstellt, nicht inhaltsgleich mit §§ 4 Abs. 1 S. 1<br />

AsylbLG und 37 Abs. 2 S. 1 BSHG. § 28 Abs. I S. 2 SGB V erfasst nur die Hilfeleistungen, die vom Arzt angeordnet<br />

und von ihm zu verantworten sind. Aus diesem Wortlaut zieht das BSG im Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte<br />

der Vorschrift den Schluss, dass unter § 28 Abs. 1 S. 2 SGB V nur diejenigen Tätigkeiten fallen,<br />

die ihrer Natur <strong>nach</strong> unmittelbar zur ärztlichen Behandlung zählen und die der Arzt auf Grund seines Fachwissens<br />

verantworten, das heißt überwachen und leiten kann. Demgegenüber erfassen die §§ 4 Abs. 1 S. 1 AsylbLG und<br />

37 Abs. 2 S. 1 BSHG insoweit übereinstimmend alle Leistungen, die zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung<br />

der Krankheit oder der Krankheitsfolgen erforderlich sind, ohne die in § 28 Abs. 1 S. 2 SGB V genannte Einschränkung.<br />

Hiergegen kann auch nicht eingewandt werden, Empfänger von Sozialhilfe oder Asylbewerberleistungen dürften<br />

nicht besser gestellt werden als Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung. Ein solcher Vergleich verbietet<br />

sich schon aufgrund der Wesensverschiedenheit der Leistungen. Der Krankenversicherungsschutz muss nicht<br />

umfassend sein, vielmehr gibt es Leistungen, die - auch wenn sie notwendig sind - der Eigenverantwortung der<br />

Versicherten zugerechnet werden (§ 2Abs. 1 S. 1 SGB V), beispielsweise der Eigenanteil zum notwendigem Zahnersatz.<br />

Demgegenüber ist die <strong>Krankenhilfe</strong> in der Sozialhilfe - dasselbe muss für die Leistungen <strong>nach</strong> § 4 AsylbLG<br />

gelten - nicht von krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften abhängig, die den Leistungsrahmen der Höhe<br />

<strong>nach</strong> oder für bestimmte Personengruppen einschränken (BVerwG 5 C 11/91, U. v 17.06.93, DVBI 1993, 1275;<br />

Nds. OVG 4 M 4495/98, B. v. 30.11.98 -, FEVS 49, 405). Ziel der Sozialhilfe ist es gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 BSHG,<br />

<strong>dem</strong> Empfänger der Hilfe ein Leben zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Hierzu ist es unter<br />

anderem erforderlich, <strong>dem</strong> Hilfe Suchenden die Maßnahmen zu ermöglichen, die zur Genesung, zur Besserung<br />

oder zur Linderung von Krankheitsfolgen notwendig sind (§ 37 Abs. 2 S. 1 BSHG). Eben hierauf besteht auch <strong>nach</strong><br />

§ 4 AsylbLG ein Anspruch. Ist - wie im vorliegenden Fall unstreitig - eine ärztliche Behandlung notwendig im Sinne<br />

der genannten Vorschriften und kann diese Behandlung sinnvoll und erfolgversprechend nur unter Zuhilfenahme<br />

eines Sprachmittlers durchgeführt werde, so sind dessen notwendige Kosten ebenfalls im Rahmen der <strong>Krankenhilfe</strong><br />

zu übernehmen.<br />

Anders als im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung, deren Leistungberechtigten die (teilweise) Eigenfinanzierung<br />

einer Leistung vom Gesetzgeber zugemutet wird und möglich ist, würde eine Ablehnung der genannten<br />

Nebenleistung im Recht der Sozialhilfe und der Asylbewerberleistungen darauf hinauslaufen, <strong>dem</strong> Hilfe<br />

Suchenden eine ärztliche Behandlung, obgleich deren Notwendigkeit zur Ermöglichung eines der Würde des Menschen<br />

entsprechenden Lebens anerkannt wird, gänzlich zu verweigern, da der Hilfe Suchende auf Grund seiner<br />

Mittellosigkeit eben nicht die Möglichkeit hat, die ärztliche Behandlung durch eigenverantwortliche Finanzierung der<br />

notwendigen Begleitmaßnahme zu realisieren. Ein solches Ergebnis wäre mit den Zielen der Sozialhilfe und der<br />

Asylbewerberleistungen nicht zu vereinbaren.<br />

Auch im vorliegenden Fall macht es aus der Sicht der Klägerin keinen Unterschied, ob ihr die Übernahme allein<br />

der Dolmetscherkosten oder der Behandlungskosten schlechthin versagt wird. In beiden Fällen kann sie die notwendige<br />

Behandlung überhaupt nicht in Ansprcuh nehmen, es sei denn, es tritt jemand in Vorlage, was hier offensichtlich<br />

- und zwar <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> für die Sozialhilfegewährung entscheidenden Zeitpunkt des § 5 BSHG [=<strong>nach</strong> Bekanntwerden<br />

des Bedarfs beim Sozialamt] und somit nicht mit anspruchsvernichtender Wirkung - der Fall war.<br />

Zunächst steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eine Behandlung ohne Sprachmittler nicht zum notwendigen<br />

Erfolg geführt hätte. Unstreitig ist, dass die Klägerin nicht über die notwendigen deutschen Sprachkenntnisse<br />

verfugt hat, um sich einer psychotherapeutischen Behandlung unterziehen zu können, welche ihrer<br />

Natur <strong>nach</strong> wesentlich geprägt ist von <strong>dem</strong> Gespräch zwischen Arzt und Patientin. Des Weiteren steht außer Streit,<br />

dass es im erreichb ren Umfeld der Klägerin keinen Therapeuten mit ausreichenden kurdischen Sprachkenntnissen<br />

gab. Das Sozialamt selbst ist daher davon ausgegangen, dass die von der Klägerin benötigte ärztliche Behandlung<br />

nicht durchführbar sei, und hat aus diesem Grunde die Kostenabernahme zunächst gänzlich abgelehnt<br />

Aus den dargelegten rechtlichen Erwägungen folgt indes, dass das Sozialamt angesichts der nicht anders lösbaren<br />

sprachlichen Schwierigkeiten für die Verfügbarkeit eines Sprachmittlers hätte Sorge tragen müssen, um die notwendige<br />

ärztliche Behandlung der Klägerin zu ermöglichen. Zwar ist der Hilfe Suchende insoweit vorrangig darauf zu<br />

verweisen, die Möglichkeit einer unentgeltlichen Sprachvermittlung, insbesondere durch Verwandte, Freunde<br />

oder sonst nahe Stehende, auszuschöpfen. bevor er die zu vergütende Hilfe eines Berufsdolmetschers sucht<br />

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