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Krankenhilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz1

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Die Befundtatsachen müssen auch getrennt von ihrer Interpretation dargestellt werden. Alle Unterlagen über erhobene<br />

Informationen müssen aufbewahrt und bei Aufklärungsbedarf vorgelegt werden. Mitentscheidend für die<br />

Brauchbarkeit eines Gutachtens ist, dass bei Interpretationen und Schlussfolgerungen angegeben wird, auf welche<br />

Befundtatsachen sich diese stützen. Notwendig dafür ist auch, dass die Exploration schriftlich festgehalten wird, da<br />

nur auf dieser Grundlage eine sorgfältige inhaltsanalytische Bearbeitung möglich ist. Ein bloß zusammenfassender<br />

Bericht reicht insoweit nicht aus.<br />

Wesentlicher Bestandteil der Begutachtung ist die inhaltliche Analyse der vom Facharzt selbst erhobenen Aussage<br />

in Bezug auf das Vorliegen von Glaubhaftigkeitsmerkmalen. Dabei muss die Ausprägung der Glaubhaftigkeitsmerkmale<br />

in einer Aussage in Bezug gesetzt werden zu den individuellen Fähigkeiten und Eigenarten eines Patienten.<br />

Die Konsitenzanalyse bezieht sich auf den Vergleich von Aussagen, die ein Patient zu verschiedenen Zeitpunkten<br />

über denselben Sachverhalt gemacht hat. Beim Vergleich müssen im Einzelnen Übereinstimmungen zwischen den<br />

Aussagen ebenso wie Widersprüche, Auslassungen und Ergänzungen festgestellt werden. Abweichungen zwischen<br />

den Aussagen müssen daraufhin geprüft werden, ob sie sich auf Grund gedächtnispsychologischer Erkenntnisse<br />

auch dann erwarten ließen, wenn die Aussage erlebnisfundiert ist.<br />

Mit der Kompetenzanalyse wird das Niveau der für eine Aussage relevanten kognitiven Funktion eines Patienten<br />

erfasst. Zu berücksichtigen ist die allgemeine und sprachliche intellektuelle Leistungsfähigkeit, das autobiographische<br />

Gedächtnis, die Phantasieleistung sowie der persönliche Darstellungsstil eines Patienten. Erst wenn die Leistungsfähigkeit<br />

in diesen Bereichen bekannt ist, kann die Qualität einer Aussage angemessen beurteilt werden. Ein<br />

weiterer wichtiger Bestandteil der Begutachtung ist die Klärung der Aussageentstehung und Aussageentwicklung.<br />

Dazu dienen Angaben der Erstaussageempfänger sowie eventuell weiterer Empfänger von Aussagen.<br />

Bei der Motivationsanalyse geht es darum, zu rekonstruieren; welche Motivation den Patienten zu seinem Vorbringen<br />

veranlasst hat. Wesentlich sind methodische Vorkehrungen zur Verhinderung interessengeleiteter Aussagen<br />

und Angaben des Patienten im Hinblick auf einen weiteren Aufenthalt in Deutschland.<br />

BVerwG 1 B 118.05 v. 25.05.06, InfAuslR 2006, 485, http://bverwg.de/media/archive/3798.pdf<br />

Das OVG NRW hatte unterstellt, dass die Klägerin "trotz bestehender Zweifel" an einer posttraumatische Belastungsstörung<br />

mit schwerer depressiver Symptomatik leidet, diese Krankheit im Kosovo aber soweit behandelbar<br />

sei, dass sie bei der gebotenen Mitwirkung der Klägerin (dortigen Standards entsprechende medikamentöse Behandlung)<br />

auf <strong>dem</strong> gegenwärtigen „Niveau“ gehalten werden könne, „mit <strong>dem</strong> sie im Zufluchtsland Deutschland<br />

erkennbar ohne existentielle Gefährdungen leben kann“.<br />

Das BVerwG hat klargestellt, dass das OVG NRW die dieser Annahme zugrunde liegenden medizinischen Wertungen,<br />

für die es selbst nicht ausreichend sachkundig war, nicht ohne weitere Aufklärung vornehmen konnte<br />

und durfte. Vielmehr hätte es hierzu von Amts wegen ein aktuellen wissenschaftlichen Mindeststandards entsprechendes<br />

Sachverständigengutachten einholen müssen (vgl. Haenel/Wenk-Ansohn, Begutachtung psychisch<br />

reaktiver Traumafolgen in aufenthaltsrechtlichen Verfahren, 1. A. 2004).<br />

Für die medizinischen Fachfragen, wie Diagnose von Art und Schwere der Erkrankung sowie Therapiemöglichkeiten,<br />

einschließlich Einschätzung des Krankheitsverlaufs bzw. der gesundheitlichen Folgen je <strong>nach</strong> Behandlung,<br />

gibt es keine eigene, nicht durch entsprechende medizinische Sachverständigengutachten vermittelte Sachkunde<br />

des Richters.<br />

VGH Bayern 24 B 06.1175, U.v. 13.10.06 www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/9263.pdf Zur Beweiswürdigung<br />

medizinischer Gutachten bei der Prüfung eines Anspruchs auf Aufenthaltserlaubnis <strong>nach</strong> § 25 V AufenthG.<br />

Selbst wenn man <strong>dem</strong> VG - wofür vorliegend indes keinerlei Anhaltspunkte bestehen - zugesteht, die Aussagen<br />

mehrerer fachlich kompetenter Gutachter in Zweifel zu ziehen, kann es dies nicht - wie geschehen - den Klägern<br />

anlasten und diesen einen bestehenden Anspruch verweigern.<br />

Vielmehr wäre es gehalten gewesen, einen weiteren Gutachter zu beauftragen oder zumindest die behandelnden<br />

Ärzte im Rahmen einer mündlichen Verhandlung anzuhören. All dies ist nicht erfolgt. Eine vertretbare Beweiswürdigung<br />

durch das VG liegt damit nicht vor.<br />

BVerwG 10 C 8.07, U.v. 11.09.07, www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/12108.pdf zu den Mindestanforderungen an<br />

fachärztliche Atteste zur Substantiierung eines Sachverständigenbeweisantrags zum Vorliegen einer behandlungsbedürftigen<br />

PTBS. Unter den genannten Voraussetzungen (Vorlage eines ausreichend substantiierten Attests)<br />

muss das Gericht ggf. ein psychologisches Sachverständigengutachten in Auftrag geben und auch<br />

bezahlen.<br />

Aus <strong>dem</strong> fachärztlichen Attest muss sich <strong>nach</strong>vollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Arzt zu seiner Diagnose<br />

gelangt ist und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit<br />

wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden<br />

durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die<br />

Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und<br />

Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und<br />

werden die Symptome erst längere Zeit <strong>nach</strong> der Ausreise aus <strong>dem</strong> Heimatland vorgetragen, ist in der Regel auch<br />

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