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Krankenhilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz1

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unter Berücksichtigung des Zwecks des jeweiligen Gesetzes bestimmt werden kann. Die Frage, wann ein Ausländer<br />

seinen g.A. im Inland hat, ist deshalb für den Bereich verschiedener Sozialgesetze unterschiedlich beantwortet<br />

worden (vgl. BSGE 71, 78 = SozR 3-2600 § 56 Nr 2; SozR 3-1200 § 30 Nr 15; BSGE 80, 209 = SozR 3-2500 § 10<br />

Nr 12; BSGE 82, 23 24 = SozR 3-2600 § 56 Nr 11).<br />

Die Klägerin hat ihren g.A. im Geltungsbereich des SchwbG, weil hier der Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen<br />

ist und sie sich in Deutschland bis auf weiteres (nicht nur vorübergehend) im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs<br />

aufhält. Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen <strong>nach</strong> § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I setzt zwar regelmäßig eine<br />

ausländerrechtliche Aufenthaltsposition voraus, die beim Ausländer so offen ist, dass sie - wie bei einem Inländer -<br />

einen Aufenthalt auf unbestimmte Zeit möglich macht. Denn andernfalls hätte es der Ausländer trotz faktisch andauern<strong>dem</strong><br />

Verbleiben und einem entsprechenden Bleibewillen nicht in der Hand, über die Dauer seines Aufenthalts<br />

im Inland frei zu bestimmen. Ein Ausländer wird sich deshalb regelmäßig nicht gewöhnlich in Deutschland<br />

aufhalten, wenn sein Aufenthalt hier nur gestattet oder geduldet ist. In<strong>dem</strong> die Aufenthaltsgestattung und die Duldung<br />

an einen vorübergehenden Zweck anknüpfen (Durchführung des Asylverfahrens) bzw. in der Absicht erteilt<br />

werden, den Aufenthalt mit Wegfall des zeitweise bestehenden Hindernisses zu beenden, sollen sie gerade keinen<br />

Aufenthalt auf Dauer möglich machen (vgl. BSGE 82, 23, 25 = SozR 3-2500 § 26 Nr 11). Ein nicht nur vorübergehendes<br />

Verweilen liegt bei Asylbewerbern wie bei geduldeten Ausländern aber dennoch vor, wenn andere Umstände<br />

ergeben, dass sie sich gleichwohl auf unbestimmte Zeit in Deutschland aufhalten werden.<br />

Einen solchen Umstand hat die Rspr. angenommen, wenn ein Asylbewerber auch bei endgültiger Ablehnung<br />

seines Asylantrages nicht mit Abschiebung zu rechnen braucht (BSGE 63, 47 = SozR 5870 § 1 Nr 14; SozR 3-<br />

1200 § 30 Nr 15). Hier liegt es ebenso. Wie das LSG festgestellt hat, stehen einer freiwilligen Ausreise der Klägerin<br />

in ihr Heimatland ebenso wie auch ihrer Abschiebung Hindernisse entgegen, die sie nicht zu vertreten hat: Eine<br />

dauerhafte medizinische Versorgung ist im Kosovo auf unabsehbare Zeit nicht gesichert. Damit steht von vornherein<br />

fest, dass die Klägerin auch <strong>nach</strong> Ablauf der jeweils für drei bis sechs Monate erteilten Duldungen nicht abgeschoben<br />

werden wird. Der Beklagte hat die insoweit vom LSG getroffenen Feststellungen nicht mit zulässigen und<br />

begründeten Verfahrensrügen angegriffen. Die Feststellungen sind deshalb für den Senat bindend (§ 163 SGG).<br />

Soweit der Beklagte unter Hinweis auf Rspr. des BSG (BSGE 82, 23, 28 f = SozR 3-2500 § 26 Nr 11) geltend<br />

macht, es lasse sich nicht einschätzen, ob eine Abschiebung der Klägerin auf Dauer nicht in Betracht kommt, legt<br />

er lediglich den vom BSG in der zitierten Entscheidung gefundenen Rechtsmaßstab dar, wo<strong>nach</strong> ein ”Abschiebehindernis<br />

auf unabsehbare Zeit” nicht schon dann vorliegt, ”wenn sich die dafür maßgebliche Situation insoweit<br />

nicht einschätzen lässt”. Genau hierzu hat sich das LSG - im Unterschied zu <strong>dem</strong> zitierten Fall - in der Lage gesehen.<br />

Der Senat lässt offen, ob das Schwerbehindertenrecht einen nicht nur vorübergehenden Aufenthalt iS des § 30<br />

Abs. 3 Satz 2 SGB I allgemein auch dann annimmt, wenn der weitere Verbleib <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> ausländerrechtlichen<br />

Status nicht zukunftsoffen ist. Auf eine solche ”Einfärbung” des Begriffs g.A. im Schwerbehindertenrecht könnte §<br />

6 Abs. 5 der Schwerbehindertenausweisverordnung hinweisen. Da<strong>nach</strong> ist die Gültigkeitsdauer eines Schwerbehindertenausweises<br />

bei nichtdeutschen Schwerbehinderten, deren Aufenthaltsgenehmigung, Aufenthaltsgestattung<br />

oder Arbeitserlaubnis befristet ist, bis zum Ablauf des Monats der Frist zu befristen. Damit scheinen Asylbewerber<br />

generell in den Geltungsbereich des SchwbG einbezogen zu sein, obwohl ihnen eine Aufenthaltsgestattung<br />

<strong>nach</strong> § 55 AsylVfG nur für das - zeitlich begrenzte - Asylverfahren erteilt wird und sie damit nicht über ein auf Dauer<br />

gesichertes Aufenthaltsrecht verfügen.<br />

Die Klägerin hält sich auch rechtmäßig im Geltungsbereich des SchwbG auf (es folgen Ausführungen insbesondere<br />

zur Rechtsnatur der Duldung im Ausländerrecht ••••). Dieser Konstruktion des AuslG, die einem Ausländer<br />

den Aufenthalt in Deutschland ohne Gesetzesverstoß ermöglichen soll (BVerwG 59, 13, 17; BVerwG, NVwZ 1984,<br />

591), aber einen solchen Aufenthalt gleichwohl als nicht rechtmäßig qualifiziert, folgt das Schwerbehindertenrecht<br />

nur eingeschränkt. Anders als das Opferentschädigungsrecht (vgl § 1 Abs. 5 Satz 2 OEG) koppelt sich das<br />

Schwerbehindertenrecht zwar nicht ausdrücklich vom Verständnis nur des <strong>nach</strong> ausländerrechtlichen Bestimmungen<br />

genehmigten Aufenthaltes als eines rechtmäßigen ab. Das SchwbG würde aber zu seinen eigenen Zielen in<br />

unlösbaren Widerspruch geraten, wenn es eine bestimmte Gruppe auf unabsehbare Zeit in Deutschland lebender<br />

ausländischer Behinderter wegen ihrer fremden Staatsangehörigkeit auf Dauer von Hilfen zur Eingliederung in die<br />

Gesellschaft ausschlösse. Das wäre auch nicht mit der Verfassung vereinbar.<br />

Aus <strong>dem</strong> Sozialstaatsprinzip des GG ergibt sich die Verpflichtung der staatlichen Gemeinschaft, körperlich oder<br />

geistig behinderte so weit wie möglich in die Gesellschaft einzugliedern. Dies gehört zu den sozialen Leitvorstellungen<br />

des SGB (§ 10 Abs. 1 SGB I) und diesem Ziel dienen die Hilfen und Vergünstigungen des SchwbG, wie sich<br />

aus den Materialien (BT-Drs 7/656, S. 20) und <strong>dem</strong> programmatischen Titel "Gesetz zur Sicherung der Eingliederung<br />

Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft" ergibt. Aus <strong>dem</strong> Kreis der da<strong>nach</strong> Berechtigten dürfen<br />

Ausländer weder generell noch bestimmte Gruppen von Ausländern für einen unvertretbar langen Zeitraum ausgeschlossen<br />

werden. Denn das Grundgesetz fordert die Eingliederung Behinderter ohne Unterschied für Deutsche<br />

und für Ausländer. Es lässt <strong>dem</strong> Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit zwar die Wahl, mit welchen<br />

Mitteln, mit welcher Intensität und in welchem Umfang er die Eingliederung Behinderter betreibt. Der gesetzgeberischen<br />

Gestaltungsfreiheit bei Erfüllung des grundgesetzlichen Förderungs- und Inetgrationsauftrages sind aber<br />

insbesondere aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG Grenzen gezogen. Es widerspräche<br />

der Zielvorstellung sozialer Gerechtigkeit als einem leitenden Prinzip aller staatlichen Maßnahmen, den<br />

Kreis der einzugliedernden Behinderten ohne sachlichen Grund zu begrenzen. Der dauerhafte Ausschluss auf<br />

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