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Krankenhilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz1

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konvention i.V.m. Abschnitt IV.1 der Weisung B.54.1. der Ausländerbehörde spricht. Der Antragsteller zu 1. hat<br />

durch Vorlage verschiedener Atteste niedergelassener Fachärzte eine Traumatisierung mit Krankheitswert <strong>nach</strong>gewiesen.<br />

Der amtsärztliche Dienst des Bezirksamts bestätigte eine "gesundheitliche Gefährdung" und die "Gefahr<br />

einer Dekompensation". Der Antragstellerin zu 2. wurden von einer Fachärztin die Symptome einer posttraumatischen<br />

Belastungsstörung <strong>nach</strong>gewiesen. Anhaltspunkte, an der Richtigkeit dieser Atteste zu zweifeln, bestehen<br />

<strong>nach</strong> Aktenlage nicht und sind vom Antragsgegner bislang auch nicht vorgetragen worden. Insbesondere liegen<br />

<strong>dem</strong> Gericht keine Erkenntnisse vor, dass die behandelnden Fachärzte, die alle die Muttersprache der Antragsteller<br />

beherrschen, auch nur ein einziges Mal in einem Parallelfall ein sachlich unzutreffendes Gefälligkeitsattest ausgestellt<br />

hätten. Eine Begutachtung durch den Polizeiarzt ohne vereidigten Dolmetscher ist <strong>dem</strong>gegenüber zu einer<br />

Überprüfung weder geeignet noch erforderlich, jedoch wird die Kammer die Beauftragung eines gerichtlichen<br />

Sachverständigen erwägen, sobald der Antragsgegner die Auflage zu 2. erfüllt hat.<br />

VG Berlin 27 F 83.99 v. 3.4.00, Asylmagazin 7-8/2000, 59; www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1535.pdf Die<br />

Aufforderung zur polizeiärztlichen Untersuchung ist kein mit Widerspruch anfechtbarer Verwaltungsakt im<br />

Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG, eine Klage hiergegen unstatthaft im Sinne von § 44a VwGO. Rechtsbehelfe gegen<br />

behördliche Verfahrenshandlungen können nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung (=Verweigerung<br />

der Duldung) zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden.<br />

Die behördlich verordnete polizeiärztliche Untersuchung stellt vorliegend einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine<br />

Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, hierzu BVerfG, DVBl 1993, 995), da aus den<br />

beigebrachten privatärztlichen Attesten bereits hinreichend zuverlässig auf die eine weitere Duldung rechtfertigende<br />

Kriegstraumatisierung geschlossen werden kann. Das Gericht hat keinen Anhaltspunkt für irgendeine "Bescheinigung<br />

aus Gefälligkeit" entdecken können. Eine abstrakte Regelung, dass der polizeiärztliche Dienst in allen Fällen<br />

eine eigenständige Untersuchung des Betroffenen vornehmen dürfte, wäre wegen der Grundrechtsrelevanz der<br />

Untersuchung rechtswidrig. Hieraus folgt, dass die Ausländerbehörde die Atteste <strong>dem</strong> Polizeiarzt zu einer Plausibilitätskontrolle<br />

vorzulegen hat, der sich seinerseits eigenverantwortlich ggf. an die Aussteller der jeweiligen Belege<br />

wendet.<br />

OVG Berlin 8 SN 3.00 v. 23.2.00, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1539.pdf Die Wirksamkeit einer vom<br />

Rechtsuchenden selbst in eigenen Namen vorgenommenen Prozesshandlung wird nicht dadurch berührt, dass die<br />

entsprechenden Anträge von einer Asylberatungsstelle möglicherweise unter Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz<br />

formuliert worden sind. Das Verfahrensrecht sanktioniert nur das Auftreten ungeeigneter Personen in<br />

der mündlichen Verhandlung (wird ausgeführt).<br />

Das VG hat auf Grundlage der §§ 55 Abs. 2 , 54 AuslG i.V.m. der Weisung der Ausländerbehörde, die detailierte<br />

Verfahrensregelungen enthält, die <strong>nach</strong> Maßgabe des allgemeinen Gleichheitssatzes verbindlich sind, da sie die<br />

behördliche Praxis bestimmen, zu Recht angenommen, das die vorliegenden Atteste eine Traumatisierung mit<br />

Krankheitswert ergeben und damit ein Abschiebehindernis im Sinne der Weisung vorliegt.<br />

Dies wird durch die polizeiärztliche Untersuchung nicht ernsthaft in Frage gestellt. Schon der Gutachtenauftrag<br />

geht im Kern an der Sache vorbei, wenn nur die Flug- bzw. Reisefähigkeit untersucht werden sollte. Um Flug-<br />

und Reisefähigkeit geht es im Falle der Antragstellerin allenfalls sekundär. Auch versteht es sich nicht von selbst,<br />

dass Personen, deren Traumatisierung Krankheitswert hat, deshalb überhaupt flug- und reiseunfähig sind. Der<br />

Polizeiarzt hat sich auch nicht zu der vorgelegten eingehenden psychologischen Stellungnahme geäußert. Eine<br />

"Überprüfung" durch den Polizeiarzt selbst aber voraus, dass alle vorliegenden Atteste zur Kenntnis genommen<br />

wurden und wenigstens im Wesentlichen erkennbar wird, warum ihrer Diagnose nicht gefolgt wird, polizeiärztlicherseits<br />

vielmehr bessere Erkenntnisse gewonnen worden sind, die eine andere Diagnose rechtfertigen.<br />

VG Sigmaringen A 7 K 12635/02, U.v. 08.10.03, IBIS M4578, Asylmagazin 1/2004, 38,<br />

www.asyl.net/Magazin/1_2_2004c.htm - G4 Zu den Anforderungen an ärztliche Gutachten bei psychischen Erkrankungen.<br />

Anders als im somatisch-medizinischen Bereich geht es bei der PTBS um ein inner-psychisches Erlebnis, das sich<br />

einer Erhebung äußerlich-objektiver Befundtatsachen weitgehend entzieht. Schon deshalb kommt es entscheidend<br />

auf die Glaubhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit eines geschilderten inneren Erlebens und der zu Grunde liegenden<br />

faktischen äußeren Erlebnistatsachen an. Gerichte müssen deshalb die Feststellungen und Schlussfolgerungen<br />

des Gutachters im Rahmen ihrer tatrichterlichen Würdigung unter Berücksichtigung aller Umstände, der<br />

eigenen Sachkunde und der allgemeinen Lebenserfahrung selbstverantwortlich auf Schlüssigkeit überprüfen und<br />

<strong>nach</strong>vollziehen.<br />

Grundvoraussetzung ist eine einschlägige fachärztliche Kompetenz, die nur von Fachärzten für Psychiatrie oder<br />

Psychotherapeutische Medizin erfüllt werden kann. Der Facharzt muss sich über einen längeren Zeitraum mit <strong>dem</strong><br />

Patienten befassen. Tragfähige Aussagen zur Traumatisierung sind regelmäßig erst <strong>nach</strong> mehreren Sitzungen<br />

(mindestens 3 bis 4) über eine längere Zeit möglich.<br />

Im Anschluss daran ist ein detailliertes Gutachten zu erstellen, das anhand der Kriterien des ICD-10 <strong>nach</strong>vollziehbare<br />

Aussagen über Ursachen und Auswirkungen der PTBS sowie diagnostische Feststellungen zum weiteren<br />

Verlauf der Behandlung enthält. Dabei muss das Gutachten transparent und <strong>nach</strong>vollziehbar sein. Die verwandten<br />

Testverfahren und Explorationsmethoden müssen im Gutachten genau bezeichnet werden.<br />

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