Restaurierungs- und Konservierungs - Arbeitskreis Nordrhein ...
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Die zerstörungsfreie Bewertung<br />
von Papier<br />
Die Situation<br />
Seit fast zwei Jahrtausenden dient Papier als universelles<br />
Medium, um Gedanken <strong>und</strong> Ideen auf leicht<br />
zugängliche <strong>und</strong> einfache Art zu kommunizieren. Unzählige<br />
Kunstwerke, Manuskripte <strong>und</strong> Bücher sind<br />
Zeugen der Entwicklungsgeschichte der Menschheit.<br />
Um die herausfordernde <strong>und</strong> vielfältige Aufgabe<br />
der Bestandserhaltung unseres Kulturerbes mit dauerhaftem<br />
Ergebnis bei gleichzeitig effi zienter Nutzung<br />
geringer Ressourcen zu erfüllen, ist der Bedarf an Informationen<br />
für den Entscheidungsprozess in der Bestandserhaltung<br />
enorm.<br />
Dabei ist Papier ein sehr komplexes Material. Variierende<br />
Zusammensetzung als Folge der verwendeten<br />
natürlichen Fasermaterialien <strong>und</strong> historisch<br />
bedingter Herstellungstechnologien beeinfl ussen in<br />
Kombination mit natürlicher Alterung, Klimafaktoren,<br />
Lagerungsbedingungen <strong>und</strong> Häufi gkeit der Benutzung<br />
den Zustand von Papier gr<strong>und</strong>legend <strong>und</strong><br />
nachhaltig. Hinsichtlich ihrer Komplexität ist somit die<br />
Charakterisierung des Zustandes von Papier in Archiven<br />
<strong>und</strong> Bibliotheken eine enorme Herausforderung.<br />
In einer Sammlung von mehreren Millionen höchst unterschiedlicher<br />
Objekte – wie kann das notwendige<br />
Wissen für eine effi ziente Bestandserhaltung erlangt<br />
werden <strong>und</strong> wie nachhaltig sind diese Daten?<br />
Referenzmethoden wie der Polymerisationsgrad<br />
oder mechanische Prüfungen zur Zustandsermittlung<br />
von Papier waren bislang immer zerstörend, benötigten<br />
eine kostenintensive labortechnische Ausstattung,<br />
entsprechendes Bedienpersonal, größere Mengen<br />
Papier <strong>und</strong> waren oft kombiniert mit einer zeitraubenden<br />
Probenvorbereitung. Verständlich, dass statt<br />
der Referenzmethoden in Archiven <strong>und</strong> Bibliotheken<br />
nur einfache Techniken für die Zustandermittlung Verwendung<br />
fanden.<br />
Mit der visuellen Erfassung werden oft mechanische<br />
Schäden, Erscheinungsdatum <strong>und</strong> Benutzungsgrad<br />
bewertet. Auch wird die Vergilbung als Kriterium<br />
herangezogen. Diese tritt zumeist bei ligninhaltigen<br />
Holzstoffpapieren auf. Aber auch Zellstoffe enthalten<br />
signifi kante Mengen Lignin, das Papier kann in der<br />
Produktion oder nachträglich durch den Künstler gefärbt<br />
bzw. vollständig bedruckt worden sein. Die visuelle<br />
Bewertung des komplexen Materials Papier durch<br />
verschiedene Personen mit unterschiedlichem Farb-<br />
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von Dirk Andreas Lichtblau<br />
empfi nden der Augen, wechselnde Lichtquellen <strong>und</strong><br />
subjektive Einfl üsse bei der Entscheidung führt daher<br />
zu einer breiten Ergebnisstreuung.<br />
Häufi g angewandt wird auch die Bestimmung des<br />
Säuregehaltes von Papier mithilfe von Säure-Base<br />
Farbindikatoren. Diese ja/nein Entscheidung ermöglicht<br />
jedoch ohne zusätzliche Informationen keine Priorisierung<br />
der Notwendigkeit einer Entsäuerung. Der<br />
Einsatz von Oberfl ächen-pH-Elektroden ist bei den<br />
geringen Elektrolytmengen im Papier oftmals mit langen<br />
Reaktionszeiten verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> kann daher ungenau<br />
sein. Zudem verbleiben im Original Wasserfl ecke,<br />
der Einsatz ist also nicht immer möglich.<br />
Abb. 1: Die Messung des pH-Wertes mittels Oberfl ächenelektrode<br />
oder Indikatorstift hinterlässt im Objekt Wasserfl ecken bzw. farbige<br />
Markierungen.<br />
Ergänzende Daten, z. B. zur mechanischen Festigkeit,<br />
sind bislang nur über den umstrittenen Doppelfalz<br />
möglich. Mehrfaches Falten einer Ecke bis diese<br />
abbricht <strong>und</strong> zählen der Anzahl der Doppelfalze<br />
ist in jedem Fall zerstörend <strong>und</strong> korrespondiert nicht<br />
mit den Standards in der modernen Bestandserhal-<br />
Abb. 2: Der Doppelfalz, die zerstörende Prüfung der mechanischen<br />
Festigkeit.