INTERVIEW: STEVE HOLCOMBE <strong>2016</strong> ist ein Lehrjahr für mich ... Nach einem beeindruckenden Start zum Saisonauftakt in Marokko und seinem ersten Grand- Prix-Sieg in Portugal fragt man sich hierzulande: Wer ist eigentlich dieser Steve Holcombe? Das folgende Interview mit dem Briten dürfte etwas Licht ins Dunkel bringen. 70 MCE Juni '16
Hallo Steve, du bist erst seit der letzten Saison in der Weltmeisterschaft unterwegs. Kannst du etwas mehr über dich erzählen? Deinen Background? Dein Leben vor dem <strong>Enduro</strong>sport? Steve Holcombe: Ich habe im Alter von sechs mit <strong>Motocross</strong> angefangen, mit 14 wurde es dann allerdings Zeit für eine Veränderung. Ich beschloss, an einigen Drei-Stunden-Rennen teilzunehmen und als ich schließlich 16 war, fuhr ich mein erstes Event zur britischen <strong>Enduro</strong>meisterschaft. Warum hast du dich für <strong>Enduro</strong> entschieden? Mein Hauptgrund ist die spezielle Art der Herausforderung und die Abenteuer, die man erlebt. Man lernt auch jede Menge coole Leute kennen. Die Landschaft und das Gelände, das wir bei jeder Veranstaltung zu sehen bekommen, ist einfach unglaublich. Nur sehr wenige Menschen haben die Gelegenheit, das zu sehen, zu tun, zu genießen und zu erreichen, was wir als Fahrer auf einer täglichen Etappe erleben. Ich fahre wirklich gern <strong>Motocross</strong>, aber es dauert nicht sehr lange und ich beginne mich zu langweilen. Beim <strong>Enduro</strong> ist jede Runde anders, du musst klug fahren und schnell denken können. Für mich ist das aufregend. Es ist erst deine zweite komplette Saison in der <strong>Enduro</strong>-WM und du fährst bereits um den Titel in der <strong>Enduro</strong>GP-Klasse mit. Hast du erwartet, so früh in der Saison derart wettbewerbsfähig zu sein? Nein, gewiss nicht. Mein Plan für dieses Jahr sieht eigentlich vor, am Ende der Saison auf dem Podium der Klasse E3 zu stehen und vielleicht ein oder zwei Tagessiege einzufahren. Beta hat mir in diesem Jahr die Chance gegeben, ein Teil eines fantastischen Teams zu sein und von zwei erfahrenen und hoch professionellen Fahrern zu lernen. Drei Tagessiege auf meinem Konto zu haben und die E3-Klasse nach den ersten beiden Runden anzuführen, übertrifft meine Erwartungen. Es ist schon ein erstaunlicher Start in meine erste Saison als Werksfahrer. Nach diesem Start in die Saison ... willst du den <strong>Enduro</strong>GP-Titel? Nein, zu einer diesbezüglichen Aussage werde ich mich nicht hinreißen lassen. Ich habe einen guten Start hingelegt, aber mein Hauptaugenmerk liegt auf dem E3-Titel. Es passiert schnell, dass man seinen Fokus verliert und nur auf die Ergebnisse im GP schaut, dabei aber vergisst, was wirklich wichtig ist – für mich ist das der E3-Titel. Sicher, ich würde gerne den <strong>Enduro</strong>GP-Titel gewinnen – alle Fahrer würden das wohl wollen – aber es ist eine lange Saison und die Jungs gegen die ich in der <strong>Enduro</strong> GP-Klasse kämpfe, haben viel mehr Erfahrung als ich. Du hast recht schnell bei Beta unterzeichnet, hattest du keine anderen Angebote? Eine Reihe von Teams zeigten Interesse, aber ich habe mich entschlossen, bei Beta zu bleiben. Das vergangene Jahr bei „Boano Beta“ war fantastisch. Ich habe mich mit allen im Team wirklich gut verstanden und sie haben mich unterstützt, wo sie konnten. Ich bin Jarno und dem Team eine Menge schuldig. Aber es war genial, ins Beta-Werksteam wechseln zu können. Ich bin begeistert, mit so einem tollen Bike und einem unglaublichen Team zu arbeiten. Du hast gleich zwei Weltmeister als Teamkollegen: Alex Salvini und Johnny Aubert. Haben sie dir Tipps gegeben? Trainiert ihr zusammen? Ich habe sowohl mit Johnny als auch Alex trainiert und lebe zur Zeit bei Alex in Italien. Es ist toll zu sehen, wie diese zwei Weltmeister trainieren und ihre Rennen bestreiten. Ich habe viel von ihnen gelernt und tue das immer noch. Ich bin beiden sehr dankbar, dass ich mit ihnen trainieren darf. Es macht Spaß, mit den Jungs bei den Rennen zu sein. Warum fiel deine Wahl auf die Beta RR 300 2-Takt? In dieser Phase meiner Karriere ist sie das perfekte Bike. Das Motorrad ist unglaublich einfach zu fahren und das perfekte Werkzeug für den Job. <strong>2016</strong> in die neue Klasse zu wechseln, war eine große Veränderung. Ich wollte allerdings ein Motorrad fahren, das ich kenne und mit dem ich Spaß haben kann. Bereust du im Rückblick auf die 2015er Saison, nicht beim Auftakt in Chile dabei gewesen zu sein? Schließlich hättest du mit diesem Grand Prix wahrscheinlich den Juniortitel geholt. Es wäre toll gewesen, in Chile zu fahren. Aber ich schau’ nur auf das Positive aus dem Jahr 2015 und denke nicht daran, was passiert wäre, wenn. Nach Chile ist es eine weite Reise, die mich sehr viel Geld gekostet hätte. Ich arbeitete damals noch mehr oder weniger in einem Vollzeitjob und hatte meine Entscheidung getroffen. Das kann ich heute nicht mehr rückgängig machen. Ich lieferte mir das gesamte Jahr über mit Jamie und Giacomo einen tollen Kampf um die Meisterschaft und war am Ende mehr als zufrieden mit dem 3. Platz. Der hat mich schließlich ins Jahr <strong>2016</strong> katapultiert. Matt Phillips sagte in Portugal über dich: „Als ich Steve morgens mit einem breiten Grinsen sah, wusste ich, dass er heute gewinnen wird. Dieser Kerl liebt Schlamm.“ Ist es wirklich so oder fühlst du dich unter allen möglichen Bedingungen wohl? Wow, es ist großartig zu wissen, dass Matt so etwas über mich sagt! Ich habe sehr viel Respekt vor ihm, er ist ein fantastischer Kerl. Aber ja, er hat Recht. Ich stamme aus England, bin es also gewöhnt, bei schlammigen Bedingungen zu fahren. Wenn du in England nicht lernst, mit Schlamm zurechtzukommen, wird nichts aus dir! Wenn wir in England fahren, ist es nicht immer superschlammig, aber eben sehr oft nass. Trotzdem fühle ich mich auch unter anderen Bedingungen wirklich wohl, denn die Beta hat ein hervorragendes Set-up und das gibt mir großes Vertrauen in das Bike. Ich habe jedoch wenig Erfahrung auf Hartboden und felsigem Gelände, weil es schwer ist, derartiges Terrain in England zu finden. Du bist jung, aber schon sehr schnell. In welchen Bereichen kannst du dich verbessern, um noch schneller zu werden? Es gibt viele Bereiche, in denen ich denke, mich noch verbessern zu können. Deshalb bin ich angesichts meiner aktuellen Position in der <strong>2016</strong>er Saison ein wenig überrascht. <strong>2016</strong> ist ein Lehrjahr für mich und das wird sich auch nicht ändern, nur weil ich bisher ein paar gute Ergebnisse einfahren konnte. Erfahrung sammelt man im Wettbewerb nur mit der Zeit, also muss ich genau das tun, um mich zu verbessern. • Text: <strong>Enduro</strong>ABC; Übersetzung: Marco Burkert; Fotos: <strong>Enduro</strong>ABC STECKBRIEF Spitzname: „The Exmoor Beast“ Geburtsdatum: 16. Mai 1994 Geburtsort: South Molton (UK) Startnummer: 70 Bike: Beta RR 300 Karrierehöhepunkte: 2011: BEC Clubman-Champion 2012: BEC Expert-Champion, BSEC U19-Meister 2014: Europäischer <strong>Enduro</strong> Junior E1-Champion, BEC E1-Champion, BSEC Elite 3 2015: 3. EBR-Junior, W2C-Meister, BEC 2 71 MCE Juni '16