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Das Stadtgespräch Dezember 2016

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62 <strong>Das</strong> <strong>Stadtgespräch</strong><br />

Redensarten<br />

untersucht<br />

Sich einen Ast lachen<br />

Neulich habe ich wieder einmal<br />

einen Ausdruck gehört, der mir<br />

schon lange nicht mehr unter<br />

gekommen ist. Da sagte nämlich<br />

jemand, er habe sich einen Ast<br />

gelacht. Verstanden habe ich sofort,<br />

dass er sich kaputt gelacht<br />

hat oder vor Lachen gekrümmt<br />

hat. Aber was hat das alles mit einem<br />

Baum zu tun? Gar nichts, wie<br />

die Sprachwissenschaft erläutert.<br />

Während das Wort für den Teil<br />

eines Baumes buchstäblich den<br />

alten Germanen bekannt und damit<br />

über eintausend Jahre alt ist,<br />

ist die Bedeutung, um die es hier<br />

geht, relativ neu. Den Auswuchs<br />

oder Knorren im Holz bezeichnete<br />

man im 19. Jahrhundert ebenfalls<br />

als Ast oder als Buckel. Mit Ast<br />

ist also der Buckel, der krumme<br />

Rücken gemeint. Und sich einen<br />

Ast lachen bedeutet, dass man so<br />

heftig lacht, dass sich der Rücken<br />

krümmt. Genauso verhält es sich<br />

mit asten. Die Bedeutung von asten,<br />

im Sinne von schwer tragen<br />

und dabei einen Buckel machen,<br />

ist noch jünger, denn sie stammt<br />

aus dem vergangenen Jahrhundert,<br />

sagt jedenfalls das schlaue<br />

Herkunftswörterbuch von Duden.<br />

Halt die Ohren steif<br />

Der Ausdruck Ast für Rücken ist<br />

schwer rekonstruierbar, für die<br />

Ohren dagegen erschließt sich der<br />

Sinn schon einfacher. Obwohl der<br />

Sich einen Ast lachen<br />

Ratschlag »halt die Ohren steif«<br />

für Menschen eigentlich keinen<br />

Sinn ergibt. Die allerwenigstens<br />

der Sorte Homo Sapiens kann<br />

auch nur mit den Ohren wackeln,<br />

geschweige denn sie steif oder<br />

schlapp halten. <strong>Das</strong> ist im Tierreich<br />

schon ganz anders, auch bei<br />

Tieren, die seit Jahrtausenden mit<br />

dem Menschen zusammen leben.<br />

Jeder Reiter weiß, dass Pferde sehr<br />

wohl die Ohren spitzen (sinnlos<br />

bei Menschen auch das: Spitz die<br />

Ohren!). Wenn Pferde die Ohren<br />

steif halten, dann sind sie ganz<br />

besonders aufmerksam. <strong>Das</strong> gilt<br />

auch für Hunde, denn selbst bei<br />

schlappohrigen Rassen stellen sich<br />

die Lauscher auf. Erschöpfte Tiere<br />

dagegen lassen die Ohren hängen.<br />

Damit man sich nicht unterkriegen<br />

lässt und munter ist, soll man daher<br />

die Ohren steif halten.<br />

Stein und Bein schwören<br />

Auf eine weitere Eigentümlichkeit,<br />

die mit einem Teil des Körpers zu<br />

tun hat, stößt man andauernd:<br />

»Ich hätte Stein und Bein geschworen«,<br />

sagt derjenige, der sich seiner<br />

Sache ganz sicher war. Mit Bein ist<br />

allerdings nicht das Bein gemeint,<br />

sondern das, was heute nur noch<br />

in »Gebeine« steckt, also der Knochen.<br />

Na gut, in Kombinationen<br />

kommt Bein als Knochen doch<br />

noch vor: Nasenbein, Jochbein,<br />

Schambein. Doch auch mit der Erkenntnis,<br />

dass Bein Knochen heißt,<br />

ergibt Stein und Bein keinen Sinn.<br />

Die Antwort liegt wie so oft in<br />

der Geschichte. Rund anderthalb<br />

Jahrtausende ist es her, dass zum<br />

ersten Mal belegt ist, dass auf Reliquien,<br />

also Gebeine eines Heiligen<br />

geschworen wurde. Davor wurde<br />

in unseren Breiten gerne auf heilige<br />

Steine geschworen. Wir erinnern<br />

uns, dass der große Karl erst<br />

um 800 die letzten Heiden seines<br />

Reichs unterwarf. In der Folgezeit<br />

wollte man offenbar sicher gehen,<br />

dass ein Schwur nicht schief ging<br />

und man versicherte sich doppelt,<br />

indem man sowohl beim heidnischen<br />

Stein als auch beim christlichen<br />

Heiligenknochen seinen<br />

Schwur besiegelte. So jedenfalls<br />

sehen das einige Gelehrte. Andere<br />

sagen, dass einfach die Härte von<br />

Knochen durch den Vergleich mit<br />

Steinen hervorgehoben werden<br />

sollte. Aber ich schwöre Stein und<br />

Bein, dass das eine langweilige<br />

Deutung ist und der Doppelschwur<br />

für unsere Breiten besser passt.

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