Glückauf - Windhoff Bahn
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Aus der Praxis<br />
für die Praxis<br />
GISMA · Fallstudien helfen Nachwuchsmanagern,<br />
später die richtigen Entscheidungen zu treffen.<br />
rau ist alle Theorie“ wusste<br />
„Gschon Johann Wolfgang von<br />
Goethe. Und daran hat sich in den<br />
vergangenen 200 Jahren nichts<br />
geändert. Geändert hat sich allerdings<br />
der Weg, wie Theorie einfach<br />
vermittelt werden kann: mit Erfahrungen<br />
aus der Praxis. Und damit<br />
der Managementnachwuchs an der<br />
GISMA Business School in Hannover<br />
die Praxis am eigenen Leibe<br />
erfahren kann, setzt sie auf sogenannte<br />
Case Studies (Fallstudien).<br />
Die Studenten bekommen während<br />
ihres MBA-Studiums viele solcher<br />
Fälle vorgelegt – erstellt von<br />
Business Schools in Kooperation<br />
mit Unternehmen auf der ganzen<br />
Welt. Die meisten steuert die Harvard<br />
Business School in den USA<br />
bei.<br />
In diesem Jahr hat die GISMA<br />
erstmals eine Fallstudie eingesetzt,<br />
die Bezug zur Georgsmarienhütte<br />
Unternehmensgruppe hat: der<br />
Fall „Walter Hundhausen“. Entwickelt<br />
wurde sie im letzten Jahr gemeinsam<br />
von Prof. Dr. Kenneth F.<br />
Harling, Dr. Ulf Achenbach (GMH-<br />
Holding-Mitarbeiter und GISMA-<br />
Absolvent) und der GISMA.<br />
Thema: die Entwicklung und<br />
strategische Neuausrichtung der<br />
Gießerei zu Beginn des neuen Jahrtausends.<br />
Entsprechend mussten<br />
sich die Studenten mit der damaligen<br />
Wirtschaftslage und dem<br />
deutschen Arbeitsmarkt auseinandersetzen.<br />
Dazu gehören auch die<br />
Herausforderungen, denen sich ein<br />
typisch mittelständisches Unternehmen<br />
in dieser Zeit stellen musste:<br />
Wirtschaftsflaute und Überalterung<br />
der Gesellschaft.<br />
„Mitte 2004 war das Unternehmen“,<br />
so Prof. Dr. Kenneth F. Harling,<br />
„an einem kritischen Punkt.<br />
Man musste entscheiden, ob und<br />
wie es leben kann. Erwartet wurde<br />
für das laufende Geschäftsjahr 2004<br />
bei etwa 120 Mio. Euro Umsatz und<br />
einer Produktion von 87.000 Tonnen<br />
Guss erneut ein hoher Verlust<br />
– obwohl Management und Belegschaft<br />
in den vergangenen Jahren<br />
kontinuierlich und hart an der Performance<br />
gearbeitet hatten.“<br />
Es ging um Sein oder Nicht-Sein,<br />
wie Dr. Ulf Achenbach betont:<br />
„Trotz steigender Absatzmengen,<br />
Steigerung der Produktivität der<br />
Fertigung und Zugeständnissen der<br />
Belegschaft konnte der Break-even<br />
nicht erreicht werden. Die Geschäftsführung<br />
hatte zu entscheiden,<br />
ob es möglich ist, das Unternehmen<br />
zu restrukturieren – oder<br />
wenn nicht, zu verkaufen oder zu<br />
schließen.“<br />
Die Studenten des MBA-Jahrgangs<br />
2007 haben die Fallstudie<br />
bereits bearbeitet. Sie standen vor<br />
derselben Aufgabe wie die damalige<br />
Führungsebene des Unternehmens<br />
– wussten aber nicht, welchen Lösungsweg<br />
sie eingeschlagen hatte.<br />
Umso erstaunlicher war das Ergebnis:<br />
Aufgrund ihrer Analyse<br />
haben sie dieselbe Strategie entwickelt<br />
wie seinerzeit die Georgsmarienhütte-Tochter:<br />
Reduzierung der<br />
Break-even-Menge und Verbesserung<br />
des Produktfolios bei gleichzeitiger<br />
Erhöhung der Profitabilität.<br />
Ein besonderes Highlight für die<br />
MBA-Studenten war, dass sie mit<br />
Dr. Achenbach über den Fall „Walter<br />
Hundhausen“ persönlich diskutieren<br />
konnten, da er im Rahmen<br />
der Strategie-Vorlesungen an der<br />
GISMA die Fallstudie unterrichtete.<br />
Zudem lernten sie bei einem<br />
Werksrundgang Gießerei, Formanlage,<br />
Kernmacherei und übrige<br />
Produktionsbereiche der Gießerei<br />
kennen.<br />
Nicht nur der Besuch trug dazu<br />
bei, die Problemlage noch realistischer<br />
zu vermitteln. Dr. Annegret<br />
Zurawski, Akademische Direktorin<br />
der GISMA Business School:<br />
„Besonders realitätsnah wurde die<br />
Fallstudie dadurch, dass der Co-<br />
Autor viele Details zu Prozessabläufen<br />
und Kosten verwendet hat. Dadurch<br />
fühlten sich die Studenten<br />
wirklich wie Mitarbeiter des Unternehmens.<br />
Andere Fälle bleiben da<br />
leider oft viel weiter an der Oberfläche.“<br />
„Walter Hundhausen“ ist die<br />
erste Fallstudie, die die GISMA<br />
selbst veröffentlicht hat und auch<br />
anderen Business Schools für den<br />
Unterricht zur Verfügung stellt. Da<br />
es bislang nicht viele Fallstudien<br />
über deutsche Unternehmen gibt,<br />
ist man in Hannover sicher: Die<br />
Fallstudie wird der GISMA auch zu<br />
mehr Renommee in der Welt der<br />
Business Schools verhelfen.<br />
Marcus Wolf<br />
Fruchtbare Partnerschaft<br />
Mit der GMH-Gruppe arbeitet die GISMA schon sehr lange zusammen.<br />
Seit ihrer Gründung nehmen jedes Jahr Mitarbeiter der Gruppe an Studiengängen<br />
der GISMA sowohl im Vollzeit- als auch im Executive-MBA-<br />
Programm teil. Zudem erweitern Führungskräfte in Seminaren, die die<br />
GISMA speziell auf die Georgsmarienhütte zuschneidert, ihr Wissen in<br />
den Bereichen Strategie, Führungsverhalten und Change Management.<br />
Vor allem die GISMA-Vollzeit-Studenten haben über Unternehmensbesuche<br />
und Studienprojekte einen guten Kontakt zur Georgsmarienhütte.<br />
2005 fand das jährliche Ehemaligen-Treffen der GISMA in Osnabrück und<br />
bei der GMHütte statt, unterstützt von der GMH-Holding. Mit Beiträgen<br />
aus dem eigenen Berufsfeld – zum Beispiel der Fallstudie „Walter Hundhausen“<br />
– wollen GISMA-Absolventen zudem versuchen, für die nachfolgenden<br />
Studenten das Lernen vielfältiger und interessanter, aber auch<br />
aktuell und praxisnah zu gestalten.<br />
HOLDING<br />
„Begeistert hat uns die Offenheit“<br />
GISMA · Interview mit Absolvent (MBA-Studiengang) Benjamin Schlosser<br />
INTERVIEW<br />
glück auf: Herr Schlosser, als Absolvent<br />
des letzten MBA-Jahrganges<br />
haben Sie ebenfalls die „Walter<br />
Hundhausen“-Fallstudie bearbeitet.<br />
Wie bewerten Sie solche Studien generell<br />
und wie den „Fall Hundhausen“?<br />
Benjamin Schlosser: Die Fallstudien-Methode<br />
ermöglicht uns Studenten,<br />
relativ realistische betriebliche<br />
Entscheidungssituationen<br />
durchzuspielen, so als wären wir<br />
selber Mitglieder der Geschäftsführung.<br />
Gerade der „Walter<br />
Hundhausen“-Fall war besonders<br />
komplex und wies viele interessante<br />
Facetten auf.<br />
Was meinen Sie mit Facetten?<br />
Schlosser: Wir mussten nicht<br />
nur die rein wirtschaftlichen Daten<br />
verstehen. Zu bewerten waren<br />
auch das Unternehmen im Umfeld<br />
seiner Firmengeschichte, die handelnden<br />
Parteien – darunter besonders<br />
die Mitarbeiter – und die Wirtschaftslage<br />
im Jahr 2004.<br />
Was unterschied das Fallbeispiel von<br />
den anderen im MBA-Programm?<br />
Schlosser: Dass es im deutschen<br />
Umfeld spielt mit einer real existierenden<br />
Firma des Mittelstandes.<br />
Hinzu kam, dass wir von Ulf<br />
Achenbach unterrichtet wurden,<br />
glück auf: Herr Klaas, als Geschäftsführer<br />
der Walter Hundhausen GmbH<br />
waren Sie anfangs des neuen Jahrtausends<br />
mit den Problemen des Unternehmens<br />
konfrontiert und gehörten zu<br />
denjenigen, die zukunftsweisende Entscheidungen<br />
für die Gießerei treffen<br />
mussten. Wie war die Ausgangslage?<br />
Norbert Klaas: Die Entwicklung des<br />
Unternehmens war damals geprägt<br />
durch einen erheblichen Mengenanstieg<br />
bei gleichzeitigem Verfall<br />
der Erlöse und der Deckungsbeiträge.<br />
Diese „Preis-Mengen-Strategie“<br />
führte zu einer Überauslastung der<br />
vorhandenen Kernkapazitäten ohne<br />
Reduzierung der Stückkosten.<br />
Erforderliche Investitionen in eine<br />
Modernisierung der Anlagentechnik<br />
wurden bis dahin nicht getätigt.<br />
Gleichzeitig waren die Rohstoffpreise<br />
erheblich gestiegen, für<br />
die man keine ausreichenden Materialteuerungszuschläge<br />
mit den<br />
Kunden vereinbart hatte. Dies alles<br />
führte 2004 zu einem Ergebnisverlust<br />
von über 6 Mio. Euro.<br />
Wie sind Sie damals die wirtschaftlichen<br />
Probleme angegangen?<br />
Klaas: Nach andauernden Verlusten<br />
hat man 2003 unter Mithilfe<br />
einer Unternehmensberatung<br />
eine Strategie erarbeitet, die Ansatzpunkte<br />
aufzeigen sollte, unsere<br />
wirtschaftliche Lage langfristig zu<br />
verbessern. Entschieden wurde, im<br />
Kern Folgendes umzusetzen:<br />
• eine radikale Marktbearbeitung<br />
glück auf · 4/2007 ........... 6<br />
dem Co-Autor der Fallstudie und<br />
Mitarbeiter der GMH-Holding. Er<br />
hat zusätzliche Branchen-Infos<br />
und die Philosophie der Unternehmensgruppe<br />
eingebracht – was<br />
authentische und praxisorientierte<br />
Diskussionen nach sich zog.<br />
Wissen Sie, wie es mit Walter Hundhausen<br />
tatsächlich weiterging?<br />
Schlosser: Ja, und das war ein<br />
ganz besonderer Effekt dieser Fallstudie.<br />
Acht Studenten wurden<br />
eingeladen, ihre Lösungsansätze<br />
mit dem Management von Walter<br />
Hundhausen zu diskutieren. Zudem<br />
konnten wir lernen, wie die<br />
richtigen Profis das Problem gelöst<br />
hatten, und uns bei einer Werkführung<br />
davon überzeugen, wie die<br />
Strategie umgesetzt worden war.<br />
„Ein erfreuliches Resultat“<br />
GISMA · Interview mit Norbert Klaas<br />
INTERVIEW<br />
Werksfoto<br />
Benjamin Schlosser (GISMA-Absolvent)<br />
Werksfoto<br />
Norbert Klaas, Geschäftsführer Walter<br />
Hundhausen GmbH<br />
mit Anpassung von Materialteuerungszuschlägen<br />
und Produktselektion<br />
• interne Maßnahmen zur Verbesserung<br />
der Kostensituation und<br />
der Organisationsstrukturen<br />
• Technologie und Investitionskonzept<br />
zur Verbesserung der<br />
Produktivität.<br />
Wie bewerten Sie diese Entscheidungen<br />
rückblickend?<br />
Klaas: Dass sie richtig waren. Das<br />
bestätigen uns heute unsere gute<br />
Markpositionierung und unsere<br />
stabilen Unternehmenszahlen.<br />
Wie entstand die Idee, Ihren Fall als<br />
Case Study für die GISMA zu nutzen?<br />
Klaas: Im Gespräch mit Dr. Ulf<br />
Achenbach. Wir fragten uns: Sehen<br />
Außenstehende, die keinerlei<br />
Beziehungen zur Gießereibranche<br />
Begeistert haben uns dabei die Offenheit<br />
des Managements und die<br />
Stringenz, mit der die strategische<br />
Neu-Ausrichtung seit 2004 bis heute<br />
betrieben wird. Ein besonderes<br />
Highlight war natürlich auch das<br />
Zusammentreffen mit Herrn van<br />
Hüllen, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung<br />
der GMH-Gruppe.<br />
Er hat uns an seinem Marktverständnis<br />
und seiner Berufserfahrung<br />
teilhaben lassen.<br />
Kannten Sie und Ihre Kommilitonen<br />
Hundhausen eigentlich vorher?<br />
Schlosser: Nein, aber in unserer<br />
Wahrnehmung ist da ein attraktives<br />
Bild entstanden – auch von<br />
der gesamten GMH-Gruppe. Dadurch<br />
wurde sie für viele Studenten<br />
ein interessanter potenzieller Arbeitgeber.<br />
Ich weiß, dass sich einige<br />
direkt bei Walter Hundhausen oder<br />
bei der Holding beworben haben.<br />
Was machen Sie nun nach der GISMA<br />
beruflich?<br />
Schlosser: Die Case Studies – allen<br />
voran der „Walter-Hundhausen“-<br />
Fall – haben mich so sehr fasziniert,<br />
dass ich mich entschieden<br />
habe, als Strategieberater bei einer<br />
namhaften internationalen Unternehmensberatung<br />
in Hannover anzufangen.<br />
Vielen Dank für das Gespräch.<br />
haben, die das Unternehmen und<br />
dessen Abläufe in keiner Weise<br />
kennen, die Unternehmensproblematik<br />
ähnlich? Kann man nur<br />
anhand von Zahlenwerken und<br />
Beschreibungen eine strategische<br />
Ausrichtung definieren? Werden<br />
unsere strategischen Maßnahmen<br />
von externen Beobachtern bestätigt<br />
– auch wenn sie unsere Strategie<br />
nicht kennen? Wir dachten: ein<br />
hervorragendes Lehrbeispiel für die<br />
GISMA-Studenten. Der Hundhausen-Case<br />
war geboren.<br />
Der letzte MBA-Jahrgang hat als Erster<br />
diese Fallstudie bearbeitet. Hat<br />
Sie das Resultat überrascht?<br />
Klaas: Das Resultat war sehr erfreulich<br />
und zufriedenstellend für<br />
beide Seiten. Die Studenten haben<br />
ihre Ergebnisse ja am 18. Mai<br />
2007 in Schwerte präsentiert und<br />
sahen erstmals eine Gießerei überhaupt<br />
von innen – und damit die<br />
Gießerei, die sie strategisch beurteilt<br />
hatten. Umso spannender<br />
das Ergebnis: Ihre Beurteilung der<br />
wirtschaftlichen Lage und ihre<br />
Lösungsansätze zur strategischen<br />
Neuausrichtung deckten sich in allen<br />
wesentlichen Punkten mit unserer<br />
eigenen Strategie.<br />
Unterstützen Sie weitere Fallstudien?<br />
Klaas: Das werden wir gerne. Dabei<br />
interessiert uns aber nicht nur die<br />
Arbeit weiterer GISMA-Absolventen<br />
am „Walter Hundhausen“-Fall. Mit<br />
dem Kupolofen haben wir den<br />
zweiten Schritt der strategischen<br />
Neuausrichtung eingeleitet. Daher<br />
haben wir bereits Interesse an<br />
einem zweiten Case über unser Unternehmen<br />
nach aktuellem Stand<br />
angemeldet. Mal sehen, ob die<br />
Studenten dann unsere Entscheidungen<br />
wieder bestätigen.<br />
Vielen Dank für das Gespräch.