ZAP-2018-22
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Fach 9, Seite 1064<br />
Haftungsverteilung<br />
Straßenverkehrsrecht<br />
2. Liegen in Bezug auf A die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 StVG (höhere Gewalt) oder des § 17 Abs. 3<br />
StVG (unabwendbares Ereignis) vor?<br />
□ Wenn ja: keine Haftung des A.<br />
□ Wenn nein: siehe 3.<br />
3. Liegen in Bezug auf B die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG vor?<br />
□ Wenn nein: volle Haftung des A.<br />
□ Wenn ja: siehe 4.<br />
4. Liegen in Bezug auf B die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 StVG (höhere Gewalt) oder des § 17 Abs. 3<br />
StVG (unabwendbares Ereignis) vor?<br />
□ Wenn ja: volle Haftung des A.<br />
□ Wenn nein: siehe 5.<br />
5. Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 2 StVG.<br />
§ 17 StVG bezieht sich nach seinem Wortlaut auf alle Ansprüche kraft Gesetzes. Er gilt daher auch für alle<br />
(konkurrierenden) deliktischen Ansprüche und unabhängig von den Haftungshöchstgrenzen der §§ 12, 12a<br />
StVG. § 17 StVG ist lex specialis gegenüber § 254 BGB und damit die Zentralnorm der Haftungsverteilung<br />
im Straßenverkehrsrecht. § 254 BGB wird also im Anwendungsbereich des § 17 StVG auch dann verdrängt,<br />
wenn lediglich deliktische Ansprüche geltend gemacht werden (BGH NZV 1994, 146). Allerdings bleibt die<br />
Schadensminderungspflicht des § 254 Abs. 2 BGB zu beachten, was vor allem bei der Schadenshöhe<br />
bedeutsam sein kann (z.B. Pflicht zur Umschulung bei unfallursächlich eingetretener Berufsunfähigkeit in<br />
der bisher ausgeübten Beschäftigung). Ansprüche aus Vertrag (z.B. Arbeitsvertrag, Beförderungsvertrag)<br />
fallen dagegen nicht unter § 17 StVG. Die Norm des § 17 StVG ist in folgenden Fällen anwendbar:<br />
• Mindestens zwei in Betrieb befindliche Kraftfahrzeuge verursachen bei einem oder mehreren Haltern<br />
anderer Kraftfahrzeuge Sach- oder Personenschäden (§ 17 Abs. 1 StVG).<br />
• Mindestens zwei in Betrieb befindliche Kraftfahrzeuge verursachen bei einer Person, die nicht als<br />
Kraftfahrzeughalter in Erscheinung tritt, einen Sach- oder Personenschaden (§ 17 Abs. 1 StVG).<br />
• Mindestens zwei in Betrieb befindliche Kraftfahrzeuge verursachen bei einem oder mehreren Haltern<br />
dieser Kraftfahrzeuge Sach- oder Personenschäden (§ 17 Abs. 2 StVG).<br />
• Ein Schaden wird durch mindestens ein Kraftfahrzeug und einen Anhänger verursacht (§ 17 Abs. 4 StVG).<br />
• Ein Schaden wird durch mindestens ein Kraftfahrzeug und ein Tier verursacht (§ 17 Abs. 4 StVG).<br />
• Ein Schaden wird durch mindestens ein Kraftfahrzeug und eine Eisenbahn verursacht (§ 17 Abs. 4 StVG).<br />
In allen anderen Fällen greift als Abwägungsnorm § 254 BGB (über § 9 StVG) oder § 13 Abs. 4 HPflG (bei<br />
Unfällen mit einer Straßenbahn) ein. Es ist allerdings zu beachten, dass auch bei einer Abwägung nach<br />
§ 254 BGB hinsichtlich der Beteiligung eines Kraftfahrzeug die (verschuldensunabhängige) Gefährdungshaftung,<br />
also die sog. Betriebsgefahr, voll zu berücksichtigen ist (BGHZ 20, 259, 262 = NJW 1956,<br />
1067; BGHZ 26, 69, 75 = NJW 1958, 341); insoweit spricht man deshalb bei § 254 BGB statt von<br />
Mitverschulden (so an sich der Gesetzeswortlaut) von Mithaftung. Lediglich der Kfz-Eigentümer, der<br />
nicht zugleich Halter ist, muss sich die Betriebsgefahr nicht zurechnen lassen (BGHZ 173, 182 = NJW 2007,<br />
3120; BGH NJW 2017, 2352). Darüber hinaus liegt ein Verschulden i.S.d. § 254 BGB nicht nur dann vor,<br />
wenn jemand in vorwerfbarer und rechtswidriger Weise eine normierte Rechtspflicht verletzt, sondern<br />
auch in den Fällen des sog. Verschuldens gegen sich selbst, also insbesondere bei Verletzung einer<br />
Obliegenheit (BGHZ 9, 316 = NJW 1953, 977; BGHZ 34, 355 = NJW 1961, 655). Das Abwägungsergebnis<br />
wird sich daher i.d.R. von dem des § 17 StVG nicht unterscheiden.<br />
Hinweis:<br />
Für die Prüfungsreihenfolge gilt die obige Checkliste entsprechend; Gleiches gilt für die Haftung des<br />
Fahrers nach § 18 StVG (zur Abwägung s. sogleich II.).<br />
1164 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>22</strong> 21.11.<strong>2018</strong>