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ZAP-2018-22

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Fach 21, Seite 314<br />

Ausbleiben des Angeklagten<br />

Strafsachen/Ordnungswidrigkeiten<br />

5. Voraussetzungen für eine Entbindung<br />

a) Allgemeines<br />

Die Entbindung von der Anwesenheitspflicht setzt gem. § 73 Abs. 2 OWiG voraus, dass eine Äußerung<br />

des Betroffenen zur Sache vorliegt oder dieser erklärt, dass er sich nicht zur Sache äußern werde und<br />

seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist<br />

(vgl. dazu BURHOFF/STEPHAN/NIEHAUS, OWi, Rn 2578 ff.; BURHOFF, EV, Rn 1393; BURHOFF, HV, Rn 1389;<br />

eingehend auch BURHOFF VRR 2007, 250; die Rspr.-Übersicht von KRENBERGER zfs 2012, 424 ff.; DERS., zfs<br />

2013, 364; FROMM DAR 2013, 368).<br />

Hinweis:<br />

Die Nichtentbindung von der Pflicht zum Erscheinen darf nicht dazu dienen, die – nach der Neuregelung<br />

des § 74 Abs. 2 OWiG dann ggf. zwingende – Verwerfung des Einspruchs des Betroffenen „vorzubereiten“.<br />

b) Äußerung des Betroffenen zur Sache<br />

Die Entbindung von der Anwesenheitspflicht setzt zunächst voraus, dass eine Äußerung des<br />

Betroffenen zur Sache vorliegt oder dieser erklärt, dass er sich nicht zur Sache äußern werde. Eine<br />

Äußerung des Betroffenen zur Sache i.S.d. § 73 Abs. 2 OWiG liegt dann vor, wenn eine im Vorverfahren<br />

abgegebene Äußerung des Betroffenen in der Hauptverhandlung verwertbar ist (vgl. dazu GÖHLER/SEITZ/<br />

BAUER, § 73 Rn 6). Das hängt nicht davon ab, ob die bislang vom Betroffenen abgegebenen Erklärungen<br />

inhaltlich zur Sachaufklärung beitragen können. Die Frage nach der inhaltlichen Qualität einer<br />

vorliegenden Äußerung des Betroffenen ist zu unterscheiden von der Frage, ob die Anwesenheit des<br />

Betroffenen zur Sachaufklärung erforderlich ist (vgl. dazu unten II. 5. c). Also steht eine Erklärung, mit<br />

der der Betroffene Beweisergebnisse bezweifelt hat, der Entbindung nicht entgegen. Entsprechendes<br />

gilt für die Erklärung, er könne sich an den Vorfall nicht erinnern. Auch ein ggf. der Verwertung in der<br />

Hauptverhandlung an sich entgegenstehendes Beweisverwertungsverbot, z.B. weil der Betroffene<br />

nicht oder nicht ausreichend belehrt worden ist, wird – zumindest bei dem verteidigten Betroffenen –<br />

der Entbindung nicht entgegenstehen.<br />

c) Anwesenheit des Betroffenen nicht erforderlich<br />

Entscheidend für die Frage, ob der Betroffene von seinem Erscheinen in der Hauptverhandlung<br />

entbunden werden kann/muss, ist weiter, ob von seiner Anwesenheit ein Aufklärungsbeitrag zu<br />

erwarten ist (OLG Bamberg NZV 2013, 612; vgl. auch die Rspr.-Nachw. bei KRENBERGER zfs 2012, 424, 426;<br />

DERS., zfs 2013, 364 f.; FROMM DAR 2013, 368, 369 f.). Ist der Betroffene geständig, kann z.B. eine nicht<br />

erfolgende Entbindung allein schon deshalb unwirksam sein (BayObLG NStZ-RR 1996, 179; OLG Hamm<br />

NZV 1997, 90; OLG Frankfurt NStZ 1997, 39 [jew. zum alten Recht]), und zwar auch dann, wenn es um die<br />

Verhängung eines Fahrverbots geht (s. aber OLG Frankfurt NZV 2012, 193; zfs 2012, 291; OLG Koblenz<br />

zfs 2001, 476; OLG Oldenburg NStZ 2010, 458).<br />

Hinweise:<br />

Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung und auch der Formulierung in § 73 Abs. 2 OWiG („erforderlich<br />

ist“) müssen konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die Anwesenheit des Betroffenen zumindest<br />

Auswirkungen auf die Aufklärung des Sachverhalts hat (vgl. KG NStZ 2011, 584). Allein die theoretische<br />

Möglichkeit, dass der Betroffene seinen Entschluss zum Schweigen überdenkt, reicht nicht (OLG<br />

Düsseldorf zfs 2008, 594; VRR 2013, 158 m. Anm. BURHOFF; VA 2016, 176; OLG Hamm DAR 2016, 595; OLG Köln<br />

NZV 2013, 50; OLG Naumburg zfs 2015, 534; OLG Stuttgart DAR 2004, 542; 2014, 100 m. Anm. HILLENBRAND<br />

VRR 2014, 35).<br />

Zu beachten ist, dass es bei der Beurteilung dieser Frage, ob von der Anwesenheit des Betroffenen ein<br />

Aufklärungsbeitrag zu erwarten ist, keinen Unterschied macht, ob eine Erklärung vom Betroffenen selbst<br />

oder von seinem mit Vertretungsvollmacht ausgestatteten Verteidiger stammt (vgl. OLG Hamm StraFo<br />

2004, 281 m.w.N.; LG Meiningen zfs 2006, 115; GÖHLER/SEITZ/BAUER, § 74 Rn 11a).<br />

1190 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>22</strong> 21.11.<strong>2018</strong>

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