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ZAP-2018-22

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Fach 21, Seite 318<br />

Ausbleiben des Angeklagten<br />

Strafsachen/Ordnungswidrigkeiten<br />

Vor der Hauptverhandlung schriftlich gestellte Beweisanträge sind nur Beweisanregungen, über die<br />

nicht gem. § 244 Abs. 3, 4, 6 StPO, sondern im Rahmen der Aufklärungspflicht zu befinden ist (GÖHLER/<br />

SEITZ/BAUER, § 74 Rn 17a). Vor der Hauptverhandlung schriftsätzlich gestellte Anträge des Betroffenen<br />

müssen aber in einer Abwesenheitsverhandlung zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht<br />

werden (OLG Celle VRR 3/2017, 21). Dem Betroffenen unbekannte Beweismittel dürfen in seiner<br />

Abwesenheit nicht verwendet/verwertet werden (OLG Bamberg zfs 2014, <strong>22</strong>9 m. Anm. KRENBERGER; OLG<br />

Jena NStZ-RR 2010, 352; OLG Stuttgart zfs 2010, 48).<br />

Das gilt z.B. für einen Computerberechnungsbogen (OLG Hamm NJW 1996, 534; VRS 93, 3599), für<br />

Lichtbilder (OLG Bamberg zfs 2014, <strong>22</strong>9 m. Anm. KRENBERGER), für eine Meldeauskunft (OLG Stuttgart<br />

DAR 2010, 590; zfs 2010, 48), für das Messprotokoll beim Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung<br />

(OLG Köln NJW 1996, 535), für eine PTB-Auskunft (OLG Düsseldorf zfs 2008, 535), für<br />

Zeugenaussagen, die weder dem Betroffenen noch seinem Verteidiger bekannt sind, auch wenn das<br />

Beweismittel im Bußgeldbescheid aufgeführt war (OLG Bamberg DAR 2011, 401; ähnlich OLG Stuttgart<br />

zfs 2010, 48).<br />

Hinweis:<br />

Beabsichtigt der Richter die Einführung und Verwertung von Beweismitteln, zu denen sich der Betroffene<br />

bisher noch nicht äußern konnte, muss er die Hauptverhandlung unterbrechen oder aussetzen und den<br />

Betroffenen und dessen Verteidiger entsprechend unterrichten (OLG Stuttgart a.a.O.).<br />

Für die Vertretung des Betroffenen durch den Verteidiger gelten die Grundsätze, die zu den §§ 234, 411<br />

Abs. 2 StPO entwickelt worden sind; es wird insoweit auf BURHOFF, HV, Rn 3557 verwiesen. § 74 Abs. 1<br />

S. 3 OWiG bestimmt ausdrücklich, dass ein nach § 265 Abs. 1 oder Abs. 2 StPO erforderlicher Hinweis<br />

dem Verteidiger erteilt werden kann (zur Aussetzung der Hauptverhandlung u.a. OLG Naumburg VA<br />

2016, 85). Hat der Verteidiger keine Vertretungsvollmacht i.S.d. § 73 Abs. 3 OWiG kann er den<br />

Betroffenen in der Abwesenheitsverhandlung nicht vertreten, d.h. er kann für diesen keine<br />

Erklärungen abgeben und entgegennehmen. Der mit der Verteidigung beauftragte Rechtsanwalt<br />

hat aber sämtliche ihm als Verteidiger zustehenden Befugnisse (vgl. KG, Beschl. v. 2.9.2015 – 3 Ws (B)<br />

447/15; v. 2.3.<strong>2018</strong> – 3 Ws (B) 71/18 unter Hinw. auf. BayObLG VRS 61, 39). Dazu gehört auch das Recht,<br />

in der Hauptverhandlung im eigenen Namen Anträge zu stellen (KG a.a.O.).<br />

b) Entschuldigtes Ausbleiben des Betroffenen<br />

Bleibt der Betroffene in der Hauptverhandlung entschuldigt aus, darf die Hauptverhandlung nicht<br />

durchgeführt werden (GÖHLER/SEITZ/BAUER, § 73 Rn 19 m.w.N. aus der früheren Rspr.; zur a.A. in der Lit.<br />

vgl. z.B. KRUMM DAR 2008, 413, der sich zu Unrecht auf den Wortlaut des § 74 Abs. 1 OWiG bezieht). Das<br />

gilt auch, wenn der Betroffene durch einen Verteidiger vertreten ist (OLG Hamm NJW 1976, 303), es sei<br />

denn, dieser erklärt, er sei mit der Verhandlung in Abwesenheit des Betroffenen einverstanden (OLG<br />

Hamm VRS 39, 359). Voraussetzung dürfte es dann aber sein, dass der Verteidiger eine (besondere)<br />

Vertretungsvollmacht für den Angeklagten hat (BayObLG NStZ 2001, 585 [Ls.]).<br />

IV.<br />

Verwerfung des Einspruchs (§ 74 Abs. 1 OWiG)<br />

1. Allgemeines<br />

Hat das Gericht den Betroffenen nicht vom Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden, erscheint<br />

der Betroffene aber dennoch in der Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung nicht, ist das<br />

Gericht nach § 74 Abs. 2 OWiG verpflichtet/gezwungen, den Einspruch durch Urteil zu verwerfen (OLG<br />

Dresden zfs 2014, 590; OLG Hamm NZV 2012, 354). Die nach altem Recht mögliche Vorführung des<br />

Betroffenen oder die Verhandlung nach § 74 Abs. 1 OWiG in seiner Abwesenheit sind nicht (mehr)<br />

möglich (OLG Hamm VRS 121, 335; GÖHLER/SEITZ/BAUER, § 74 Rn 34).<br />

1194 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>22</strong> 21.11.<strong>2018</strong>

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