ZAP-2018-22
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Fach 9, Seite 1066<br />
Haftungsverteilung<br />
Straßenverkehrsrecht<br />
zugunsten des Geschädigten Rechnung getragen werden kann. So spricht nach ständiger Rechtsprechung<br />
des BGH der Beweis des ersten Anscheins für die Ursächlichkeit der Trunkenheit, wenn sich<br />
der Unfall in einer Verkehrslage und unter Umständen ereignet, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern<br />
können (BGH NJW 1995, 1029, 1030 m.w.N.).<br />
Bloß vermutetes Verschulden des Geschädigten (z.B. § 831, § 18 StVG) ist nicht zu beachten; vielmehr<br />
muss die Ursächlichkeit auch hier nachgewiesen sein (BGH LM StVG § 17 Nr. 10; OLG Frankfurt VersR<br />
1988, 296; a.A. STAUDINGER/SCHIEMANN, BGB, 2017, § 254 Rn 1<strong>22</strong>).<br />
Schließlich müssen die gefahrerhöhenden Umstände vom Schutzzweck der Norm gedeckt sein. Dies ist<br />
z.B. nicht der Fall bei Benutzung eines Zebrastreifens durch einen Radfahrer (OLG Hamm NZV 1996, 449;<br />
a.A. OLG Düsseldorf MDR 1987, 1029) oder bei der Beschädigung eines verbotswidrig geparkten Pkw<br />
durch den Abschleppunternehmer (BGH NJW 1978, 2503). Das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO<br />
schützt nur den Gegenverkehr, nicht den Einbieger (BGH MDR 1982, 47; OLG Köln VersR 1984, 645); § 9<br />
Abs. 5, § 10 S. 1 StVO schützen dagegen zwar primär den fließenden Verkehr, daneben aber auch<br />
denjenigen, der gerade auf der anderen Straßenseite ein Fahrmanöver durchführt (BGH NJW <strong>2018</strong>, 3095;<br />
weitere Beispiele s. GRÜNEBERG <strong>ZAP</strong> F. 9, S. 1020 f.).<br />
Es gelten die allgemeinen Beweislastregeln (s. GRÜNEBERG <strong>ZAP</strong> F. 9, S. 1015 f., dort auch zum Anscheinsbeweis).<br />
Je nach Beweislast kann deshalb ein nicht aufzuklärender Umstand bei einem Tatbestandsmerkmal<br />
zu Lasten eines Beteiligten gehen, bei einer anderen Tatbestandsvoraussetzung dagegen nicht.<br />
Ist z.B. bei einem Unfall zwischen einem Linksabbieger und einem nachfolgenden Überholer nicht<br />
feststellbar, ob der Linksabbieger rechtzeitig den Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hat, führt dies dazu, dass<br />
der Linksabbieger den Unabwendbarkeitsnachweis nicht wird führen können, während ihm dieser<br />
Umstand im Rahmen der Haftungsabwägung nicht zum Nachteil gereicht, weil insoweit der Unfallgegner<br />
die Beweislast für das nicht rechtzeitige Blinken trägt.<br />
3. Sonstige Umstände<br />
Neben der Verursachung, dem Verschulden und der Betriebsgefahr sind bei der Haftungsabwägung<br />
weitere Umstände i.d.R. nicht zu berücksichtigen (MüKo-BGB/OETKER, 7.Aufl., § 254 Rn 66; PALANDT/<br />
GRÜNEBERG, BGB, 78. Aufl., § 254 Rn 61; STAUDINGER/SCHIEMANN, a.a.O., § 254 Rn 112; a.A. SCHLIERF NJW 1965, 676;<br />
vgl. auch OLG Celle NJW 1979, 724). Dies gilt insbesondere für die Zahl der Haftungsgründe (BGH NJW 1957,<br />
99; VersR 1960, 609; 1969, 850), die Vermögensverhältnisse der Beteiligten, das Bestehen von<br />
Versicherungsschutz oder verwandtschaftliche Beziehungen. Alles andere würde zu einer Schadensverteilung<br />
nach reinen Billigkeitsgesichtspunkten führen. Zudem ist eine Einbeziehung der genannten<br />
Umstände nicht erforderlich, weil diese z.B. bei § 829 BGB (Vermögensverhältnisse, Versicherungsschutz)<br />
oder im Rahmen des Verschuldens (Jugendlichkeit, Verwandtschaft) hinreichend Berücksichtigung finden.<br />
Hinweis:<br />
Im Rahmen der Abwägung nach § 9 StVG, § 254 BGB ist zu beachten, dass hier der Umstand der Unabwendbarkeit<br />
des Unfallereignisses einen erheblichen Abwägungsfaktor darstellt, auch wenn ihm nach §§ 7<br />
Abs. 2, 17 Abs. 3 StVG nicht die Bedeutung eines haftungsausschließenden Umstands zukommt (BGH NZV<br />
2008, 79 Rn 25 m. abl. Anm. GREGER).<br />
4. Bestimmung der Quote<br />
Die allgemeine und besondere Betriebsgefahr sowie die (unfallursächlichen) Verschuldensmomente machen<br />
zusammen den sog. Verursachungsbeitrag aus (der teilweise als Betriebsgefahr bezeichnet wird). Zu<br />
beachten ist, dass es für die einzelnen Umstände keine festen Prozentsätze gibt, die in die Haftungsabwägung<br />
einfließen. Denn die Höhe der Betriebsgefahr und der Verschuldensmomente des einen<br />
Unfallbeteiligten hängen von der Höhe der Betriebsgefahr und der Verschuldensmomente des anderen ab.<br />
Beispiel:<br />
Als Faustregel hat sich herausgebildet, dass die allgemeine Betriebsgefahr eines Pkw 20–25 % beträgt (bei<br />
Lkw 30–40 %). Dies trifft aber nur dann zu, wenn den Unfallgegner auch ein Verschulden am Unfall trifft.<br />
1166 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>22</strong> 21.11.<strong>2018</strong>