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ZAP-2018-22

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Straßenverkehrsrecht Fach 9, Seite 1069<br />

Haftungsverteilung<br />

wäre. Zum Zweiten könnte man die Schädiger als Einheit ansehen und deren Verursachungs- und<br />

Verschuldensbeiträge in einer Gesamtschau dem Mitverschulden des Geschädigten gegenüberstellen, was<br />

für ihn am günstigsten wäre. Schließlich könnte man zum Dritten die Einzelbetrachtung mit einer Gesamtschau<br />

kombinieren, so dass der Geschädigte insgesamt so viel verlangen könnte wie bei einer Gesamtbetrachtung;<br />

von jedem Schädiger kann er aber nur den jeweils bei einer Einzelabwägung sich<br />

ergebenden Betrag beanspruchen.<br />

Beispiel 1:<br />

Mopedfahrer M fährt an einem geparkten Fahrzeug vorbei, dessen Fahrertür von dem Fahrzeughalter F<br />

sorgfaltswidrig geöffnet wird; dadurch muss M, der zu dicht an dem Fahrzeug vorbeifährt, auf die Fahrbahnmitte<br />

ausweichen, wo er von einem entgegenkommenden Pkw erfasst wird, weil der Pkw-Fahrer P<br />

unter Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot in der Nähe der Mittellinie gefahren ist. Der Einfachheit halber<br />

soll davon ausgegangen werden, dass der Mitverursachungsanteil jedes Beteiligten gleich schwer wiegt.<br />

Dann erhält M nach dem ersten Vorschlag nur 50 %, nach dem zweiten Vorschlag 66,66 % (seinem Schadensbeitrag<br />

steht ein zweimal so hoher Beitrag der Schädigerseite gegenüber) und nach dem dritten<br />

Vorschlag ebenfalls 66,66 %, wobei F und P aber nur höchstens bis zu 50 % zahlen müssen.<br />

In Rechtsprechung und Literatur wird bei der Lösung dieses Problems danach differenziert, ob es sich bei den<br />

Schädigern um Mittäter, Anstifter und Gehilfen (Zurechnung der Tatbeiträge gem. § 830 Abs. 1 S. 1, Abs. 2<br />

BGB), um Alternativtäter (§ 830 Abs. 1 S. 2 BGB) oder um Nebentäter handelt. Bei der Haftungsabwägung im<br />

Rahmen eines Verkehrsunfalls werden mehrere Schädiger i.d.R. Nebentäter sein, so dass nur diese Konstellation<br />

näher interessiert. Für Nebentäter, die gem. § 840 BGB als Gesamtschuldner haften, gilt § 830 BGB<br />

nicht, weshalb eine Zurechnung der jeweiligen Verursachungsbeiträge nicht in Betracht kommt. Die<br />

Rechtsprechung folgt der vom BGH entwickelten modifizierten Kombinationstheorie entsprechend dem<br />

dritten Lösungsvorschlag. Danach haben die Schädiger insgesamt den Schadensanteil zu tragen, der bei einer<br />

Gesamtschau ihrem Anteil der Verantwortung entspricht; jeder Schädiger haftet aber nur in Höhe seiner<br />

Quote (BGHZ 30, 203, 207; BGHZ 61, 351, 354; BGH NJW 2011, 292). Der Gesamtschuldanteil der Schädiger<br />

bestimmt sich dabei nicht nach dem Gesamtschaden, sondern nach dem um den Mitverschuldensanteil des<br />

Geschädigten verminderten Schaden, während der Restbetrag auf jeden Schädiger entsprechend seinem<br />

Anteil zu verteilen ist (BGH NJW 2006, 896, 897; PALANDT/GRÜNEBERG, a.a.O., § 254 Rn 69).<br />

Beispiel 2:<br />

Beträgt der Gesamtschaden in o.g. Beispiel (1) 12.000 €, kann M insgesamt 8.000 € beanspruchen, und<br />

zwar 4.000 € von F und P als Gesamtschuldner sowie von jedem einzelnen Schädiger weitere 2.000 €.<br />

Zugleich steht damit der Innenausgleich zwischen den Schädigern F und P fest.<br />

Für die Berechnung ist die von SEDEMUND (ZGS 2003, 337) entwickelte Formel hilfreich:<br />

Summe aller Einzelhaftungsbeträge –<br />

insgesamt ersatzfähiger Schaden<br />

Gesamtschuld =<br />

12.000 €–8.000 €<br />

4.000 € =<br />

Anzahl der Schädiger – 1 2 – 1<br />

Im obigen Beispiel sind die Summe aller Einzelhaftungsbeträge 12.000 € (2 × 6.000 €), der insgesamt<br />

ersatzfähige Schaden 8.000 € und die Anzahl der Schädiger 2, so dass sich für die Gesamtschuld 4.000 €<br />

(= [12.000 €–8.000 €]/[2 – 1]) errechnet.<br />

Keine Gesamtabwägung findet allerdings in zwei Fällen statt:<br />

• Zum einen scheidet sie beim Schmerzensgeldanspruch aus, weil sich die von § 253 Abs. 2 BGB<br />

geforderte „billige Entschädigung“ jedem Schädiger gegenüber nach den besonderen Umständen des<br />

Falles bestimmt (BGHZ 54, 283, 286; OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 281).<br />

• Zum zweiten kommt eine Gesamtschau nicht in Betracht, wenn und soweit mehrere Schädiger eine sog.<br />

Zurechnungs- oder Haftungseinheit bilden. Dies ist u.a. der Fall, wenn die Verhaltensweisen mehrerer<br />

Schädiger zu demselben unfallverursachenden Umstand geführt haben, bevor der Verursachungsbeitrag<br />

des Geschädigten hinzugetreten ist (BGHZ 54, 283, 284; BGHZ 61, 231, 216; BGH NJW 2006, 896 f.). Relevant<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>22</strong> 21.11.<strong>2018</strong> 1169

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