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ZAP-2018-22

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Fach 9, Seite 1068<br />

Haftungsverteilung<br />

Straßenverkehrsrecht<br />

mehr als 100 % (OLG München DAR 1983, 78), bei Einfahren in eine Kreuzung bei Rotlicht (BGHZ 119, 147,<br />

151; OLG Koblenz NJW-RR 2011, 465), beim Fahren unter erheblichem Alkoholgenuss (BGH VersR 1985,<br />

440, 441; OLG Köln VersR 1989, 139), insbesondere im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit (bei Kfz-<br />

Fahrern 1,1‰: BGH NJW 2011, 3299; bei Radfahrern 1,6‰: OLG Celle NJW 1992, 2169; OLG Hamm NZV<br />

1992, 198; OLG Karlsruhe NZV 1997, 486; OLG Zweibrücken NZV 1992, 372 [BGHSt 34, 133 = NJW 1986,<br />

2650 ist überholt]), beim Überfahren eines Stoppschilds (OLG Köln NZV 2002, 374; a.A. OLG Hamm<br />

VersR 1993, 826), bei längerem Zurücksehen oder beim Telefonieren trotz hoher Geschwindigkeit (OLG<br />

Köln VersR 1983, 575; OLG Koblenz VersR 1999, 503), bei einem Rotlichtverstoß infolge Benutzung des<br />

Mobilfunktelefons (BAG NJW 1999, 966; s. auch BGH NJW 2014, 3234).<br />

• Bei beiderseitiger Fahrlässigkeit ist der Schaden i.d.R. aufzuteilen. Allerdings kann auch hier bei krass<br />

überwiegender Fahrlässigkeit und/oder sonstiger Mitursächlichkeit eines Beteiligten dieser den ganzen<br />

Schaden zu tragen haben (BGH VersR 1967, 187; NJW-RR 1991, 1240). Verschulden von Kindern und<br />

Jugendlichen ist i.d.R. geringer zu bewerten als das von Erwachsenen (BGH NJW-RR 1993, 480; NJW<br />

2004, 772; OLG Celle VersR 1987, 360), das eines 11-jährigen geringer als das eines Jugendlichen (OLG<br />

Braunschweig DAR 1994, 277). Maßgeblich ist die Einsichtsfähigkeit der konkret Beteiligten. Die<br />

Neufassung des § 828 Abs. 2 BGB zum 1.8.2002 (Einstandspflicht des Kindes im Straßenverkehr erst ab<br />

dem 10. statt ab dem 7. Lebensjahr) hat die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten von Verkehrsteilnehmern<br />

ab dem beginnenden 10. Lebensjahr nicht herabgesetzt, sondern unverändert gelassen<br />

(BGH NZV 2007, 207). Der Jugendliche kann daher weiterhin allein haften, wenn ihm objektiv und<br />

subjektiv ein erhebliches Verschulden zur Last fällt, welches die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs als<br />

völlig untergeordnet erscheinen lässt (BGH NZV 2007, 207). In Anbetracht der Erkenntnisse der<br />

Entwicklungspsychologie bei Kindern ist im Rahmen eines Fußgängerunfalls bis zu einem Alter von 12<br />

Jahren und im Rahmen eines Radfahrerunfalls bis zu einem Alter von 13 bis 15 Jahren allerdings<br />

Zurückhaltung geboten, weshalb hier i.d.R. eine Haftungsquotelung angebracht ist (GRÜNEBERG NJW<br />

2013, 2705; vgl. auch OLG Oldenburg DAR 2004, 706). Dies gilt allerdings nur dann, wenn sich die<br />

kindlichen Defizite bei dem Verkehrsunfall typischerweise auch ausgewirkt haben, weil es etwa<br />

aufgrund seines Alters Entfernungen und Geschwindigkeiten nicht richtig einschätzen konnte. Beruht<br />

der Verkehrsunfall dagegen auf einem Kardinalfehler des Kindes, der ihm ohne weiteres vorgeworfen<br />

werden kann, wie z.B. auf einem Rotlichtverstoß, kann durchaus bereits vor Erreichen der<br />

vorgenannten Altersgrenzen die alleinige Haftung des Kindes in Betracht kommen (GRÜNEBERG a.a.O.).<br />

Üblicherweise wird die Haftungsquote in einem Prozentwert oder als Bruchzahl angegeben. Die einzig<br />

richtige Haftungsquote gibt es nicht. Vielmehr hat das Gericht bei der Abwägung einen Beurteilungsspielraum;<br />

es greift § 287 ZPO ein (BGHZ 60, 177, 184; BGHZ 98, 148, 158). Die Abwägung ist Sache des<br />

Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob alle in Betracht kommenden Umstände<br />

vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt<br />

worden sind (BGH NJW 2017, 1177; <strong>2018</strong>, 3095).<br />

Hinweis:<br />

Als Arbeitshilfen sind verschiedene Handbücher und Quotentabellen auf dem Markt (die ausführlichste<br />

Darstellung mit einer Systematisierung von über 5.100 Entscheidungen enthält GRÜNEBERG, Haftungsquoten<br />

bei Verkehrsunfällen, 15. Aufl. 2017; eine Darstellung der Unfallgrundkonstellationen enthält KUHN, Schadensverteilung<br />

bei Verkehrsunfällen, 9. Aufl. 2016; kürzere Überblicksdarstellungen von BURSCH/JORDAN, „Hamburger<br />

Quotentabelle“, VersR 1985, 512 ff.; THIERMANN/WERTHER/BRÜSEKEN/KRUMBHOLZ, „Münchener Quotentabelle“,<br />

SVR 2012, 41 ff.; NUGEL DAR 2008, 548 ff.; 2009, 105 ff., 346 ff., 721 ff.; 2010, 256 ff.).<br />

III.<br />

Abwägung bei mehreren Beteiligten<br />

1. Mehrere Schädiger<br />

Bei einer Mehrheit von Schädigern enthalten § 17 StVG wie auch § 254 BGB, die auf ein Zwei-Personen-<br />

Verhältnis zugeschnitten sind, keine Regelung. Es kommen verschiedene Lösungen in Betracht. Zum Ersten<br />

könnte man es bei der Einzelabwägung belassen, so dass der Geschädigte seinen Anspruch nach der für ihn<br />

günstigsten Einzelabwägung bemessen könnte, was für ihn im Ergebnis allerdings die schlechteste Lösung<br />

1168 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>22</strong> 21.11.<strong>2018</strong>

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