ZAP-2018-22
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Strafsachen/Ordnungswidrigkeiten Fach 21, Seite 313<br />
Ausbleiben des Angeklagten<br />
VRR 2009, 230). Ein möglichst frühzeitiger Entbindungsantrag empfiehlt sich vor allem auch deshalb,<br />
weil nach der Neufassung des § 74 Abs. 1 S. 1 OWiG („entbunden war“) die Auffassung vertreten werden<br />
könnte, dass ein Entbindungsantrag in der Hauptverhandlung nicht mehr zulässig sei, sondern der<br />
Antrag vor der Hauptverhandlung eingegangen sein müsse (so GÖHLER/SEITZ/BAUER, § 73 Rn 4; s. dazu<br />
aber unten IV. 2. b cc).<br />
Der Entbindungsantrag sollte so rechtzeitig an das AG geschickt werden, dass er dem Richter noch<br />
rechtzeitig vor dem Termin vorgelegt werden kann (OLG Bamberg StraFo 2017, 510; zur Kontroverse in<br />
der obergerichtlichen Rechtsprechung um den rechtzeitigen Eingang des Antrags s. einerseits OLG<br />
Hamm DAR 2011, 539 [1 ½ Stunden nicht ausreichend] m. abl. Anm. DEUTSCHER VRR 2011, 473; andererseits<br />
OLG Bamberg, Beschl. v. 25.3.2008 – 3 Ss OWi 1326/08 [30 Minuten vor Hauptverhandlung-Beginn<br />
reichen aus] und NZV 2011, 409; s. auch noch KG VRR 2012, 195 [2 Stunden ausreichend]).<br />
Hinweis:<br />
Ob allerdings dem Amtsrichter der Entbindungsantrag bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung<br />
tatsächlich zur Kenntnis gelangt war, ist unerheblich, maßgeblich ist allein, ob der Antrag bei gehöriger<br />
gerichtsinterner Organisation dem Richter hätte rechtzeitig zugeleitet werden können (OLG Naumburg<br />
VA 2015, 195).<br />
Über den Antrag des Betroffenen, ihn vom Erscheinen zu entbinden, muss grundsätzlich rechtzeitig vor<br />
der Hauptverhandlung entschieden werden, damit der Betroffene sich auf die getroffene Entscheidung<br />
einstellen kann (ähnlich OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.7.2012 – Ss [OWi] 113/12 für Terminsverlegungsantrag).<br />
Ist über den rechtzeitig gestellten Antrag des Betroffenen nicht entschieden worden, kann das<br />
ggf. sein Fernbleiben in der Hauptverhandlung entschuldigen (OLG Hamm VRR 2008, 123 [Ls.]; OLG<br />
Karlsruhe zfs 1999, 538 [Antrag bereits einen Monat vor der Hauptverhandlung]; OLG Zweibrücken<br />
StraFo 1997, 81 [zumindest dann, wenn zusätzliche Tatsachen belegen, dass der Betroffene davon<br />
ausgegangen ist, seine Anwesenheitspflicht sei aufgehoben]). Zudem liegt in der unterlassenen<br />
Entscheidung eine Verletzung des Anspruchs des Betroffenen auf rechtliches Gehör (OLG Bamberg<br />
NStZ-RR 2008, 86; OLG Zweibrücken zfs 2012, <strong>22</strong>9).<br />
4. Vertretungsvollmacht<br />
Für das Stellen des Entbindungsantrags, ggf. noch in der Hauptverhandlung (vgl. unten IV. 2. b cc),<br />
bedarf der Verteidiger eine über die Verteidigungsvollmacht hinausgehende Vertretungsvollmacht<br />
(st. OLG-Rspr., vgl. u.a. KG zfs 2015, 468; VRR 2014, 435; OLG Bamberg DAR 2009, 155; OLG Hamm<br />
NStZ-RR 2009, 353 [Ls.]; zfs 2004, 42; OLG Köln NStZ 2002, 268; jeweils m.w.N. aus der Rspr.; zur<br />
Vollmacht des Verteidigers allgemein BURHOFF, EV, Rn 4677; BURHOFF, HV, Rn 3557 ff.). Eine Telefaxkopie<br />
genügt (OLG Hamm a.a.O.). Die Erteilung der umfassenden Vertretungsvollmacht bedarf keiner<br />
besonderen Form; die Vollmacht kann auch mündlich erteilt werden. Das gilt auch für den<br />
Pflichtverteidiger; die diesem ggf. zuvor als Wahlverteidiger erteilte Vertretungsvollmacht erlischt<br />
mit der Bestellung zum Pflichtverteidiger (OLG München VRR 2010, 393).<br />
In der Vertretungsvollmacht kann zugleich die Ermächtigung enthalten sein, eine etwa erforderliche<br />
Vollmachtsurkunde im Namen des Vollmachtgebers zu unterzeichnen. In der Vergangenheit ist die<br />
obergerichtliche Rechtsprechung davon ausgegangen, dass eine so unterzeichnete Vollmacht für die<br />
Vertretung in der Hauptverhandlung reicht (vgl. BayObLG NStZ 2002, 277; KG zfs 2015, 468; KG StRR<br />
2014, 38; VA 2017, 50; OLG Brandenburg zfs 2015, 470; OLG Celle, Beschl. v. 20.1.2014 – 3<strong>22</strong> SsRs 24/13;<br />
OLG Dresden StRR 2013, 261 m. Anm. REICHLING).<br />
Hinweis:<br />
Daran wird nach der Neuregelung in § 329 StPO für das strafrechtliche Berufungsverfahren allerdings<br />
nicht mehr festgehalten (vgl. dazu BURHOFF, HV, Rn 818 ff.; für das Berufungsverfahren KG StraFo <strong>2018</strong>,<br />
71; OLG Hamburg StV <strong>2018</strong>, 151 [Ls.] m. Anm. BURHOFF StRR 9/2017, 13).<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>22</strong> 21.11.<strong>2018</strong> 1189