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56 Sprachen<br />

vorhandene Faulheit des Sprechers. er jedoch diese Verwandtschaft, die sich erst Fazit:<br />

Quellen:<br />

57<br />

1<br />

sich eine rekonstruierte Endung der 3. Ps. Sg.<br />

Kleiner sprachwissenschaftlicher Exkurs zum<br />

Thema „Sprachverwandtschaft“<br />

aus der Sicht einer Deutschen<br />

„Diese Sprachen sind ja miteinander verwandt!“<br />

– Mit diesem Satz wird oft begründet,<br />

dass es nicht schwer sei, z.B. mit Kenntnissen<br />

in Französisch auch die spanische<br />

Sprache zu erlernen. Keine schlechte Sache,<br />

aber funktioniert das auch mit anderen Sprachen,<br />

und wenn ja, mit welchen? Könnte man<br />

einem Nicht-Europäer gegenüber das Gleiche<br />

auch über Französisch und Deutsch sagen?<br />

Und wenn wir schon dabei sind: Was genau<br />

ist denn „Sprachverwandtschaft“? Welche<br />

Sprachen sind wirklich miteinander verwandt?<br />

Wie lässt sich diese Grenze „verwandt<br />

– nicht verwandt“ definieren?<br />

Hierzu sei kleiner Exkurs zur Sprachwissenschaft<br />

erlaubt: Es gibt innerhalb der Sprachwissenschaft<br />

bzw. Linguistik verschiedene<br />

Schwerpunkte. Die sogenannte „allgemeine<br />

Sprachwissenschaft“ beschäftigt sich mit<br />

dem Vergleich unterschiedlicher Sprachen<br />

und Sprachfamilien. Sie versucht, zwischen<br />

definitiv nicht-verwandten Sprachen allgemeine<br />

Gesetzmäßigkeiten herauszufinden,<br />

wie z. B. die Sprachökonomie, die allgemein<br />

Die „historisch-vergleichende Sprachwissenschaft“<br />

oder auch „indoeuropäische/indogermanische<br />

Sprachwissenschaft“ indes<br />

untersucht die Gemeinsamkeiten zwischen<br />

definitiv miteinander verwandten Sprachen<br />

und versucht eine gemeinsame Ursprache,<br />

die ca. 4000 v. Chr. gesprochen worden sein<br />

könnte, zu rekonstruieren. Hierfür hat die indoeuropäische<br />

Sprachwissenschaft ganz klar<br />

festgesetzt, nach welchen Kriterien Sprachen<br />

als „miteinander verwandt“, „einer Sprachfamilie<br />

zugehörig“ bezeichnet werden können.<br />

Es gibt zwei Kriterien: Zum einen grammatikalische<br />

Gemeinsamkeiten, das Vorhandensein<br />

mehrerer ähnlicher/vergleichbarer<br />

Phänomene. Ein Beispiel: Sämtliche indoeuropäischen<br />

Sprachen sind „flektierend“ (aber:<br />

nicht alle flektierendenSprachen sind indoeuropäisch),<br />

das heißt, dass die Endung eines<br />

Wortes Aufschluss über dessen Funktion im<br />

Satz und dessen Aussage gibt. In den älteren<br />

Sprachstufen der indoeuropäischen Sprachen<br />

ist die Satzstellung deshalb auch relativ (!)<br />

frei. 2 Im Lateinischen endet beispielsweise die<br />

3. Ps. Sg. stets auf -t. Im Griechischen gibt es<br />

die Endungen (thematisch) -ei, -si, -ti (bei esti<br />

= lat. est.). Zusammen mit der Endung der 3.<br />

Ps. Sg. Präs. Aktiv im Altindischen auf -ti und<br />

dem Befund aus weiteren indoeuropäischen<br />

Sprachen wie dem Althochdeutschen ergibt<br />

Präs. Aktiv auf *-ti.<br />

Das zweite Kriterium ist die Lexik. Hierbei<br />

vergleicht man Wörter, die in verschiedenen<br />

Sprachen eine – nach bestimmten Lautgesetzen<br />

– gleiche oder ähnliche Form aufweisen<br />

und auch semantische (von der Bedeutung<br />

her) Überstimmungen zeigen. Beispiele<br />

hierfür sind: lat. lupus und gri. lykós. Oder lat.<br />

decem, gri. déka, deutsch zehn.<br />

Wie schon angedeutet, hat unser heutiges<br />

Deutsch eine ganze Menge bewahrt:<br />

Kasusendungen finden sich z. B. im Paradigma:<br />

„der Mann – des Mannes – dem Manne –<br />

den Mann“. 3 Oder das Wort „die Geburt“,<br />

althochdeutsch „giburti“ als Abstraktum<br />

auf -ti- zu „gebären“ 4 , was wiederum mit lat.<br />

griech. ferō – „ich trage“ verwandt ist. 5<br />

Natürlich kamen im Laufe der Zeit viele neue<br />

Wörter aus anderen Sprachen zum deutschen<br />

Wortschatz hinzu, man denke an Lehnwörter<br />

wie den „guten Rutsch“ von hebräisch rosch –<br />

„Kopf, Haupt“ (das Hebräische zählt zu den<br />

semitischen Sprachen), oder „Keller“ und<br />

„Zelle“ aus lat. cella, ganz zu schweigen von<br />

den vielen Anglizismen. 6<br />

Kurze Zwischenbilanz:<br />

Man kann also guten Gewissens einem<br />

Nicht-Europäer erklären, dass Französisch<br />

und Deutsch miteinander verwandt sind. Ob<br />

durch Rekonstruktion eines Wortes ins Urgermanische<br />

und Lateinische und von dort aus<br />

weiter in das Indoeuropäische zeigen lässt,<br />

erkennt, ist eine andere Frage. Machbar ist es<br />

in vielen Fällen!<br />

Vielleicht kann man sich die indoeuropäische<br />

Sprachfamilie so am besten veranschaulichen:<br />

Französisch, Spanisch, Italienisch, Rumänisch,<br />

Sardisch, Korsisch und Rätoromanisch sind<br />

allesamt Töchter von Mutter Latein. Latein ist<br />

wiederum Tochter von Uritalisch. Die germanischen<br />

Sprachen wie die „Zwillinge“ Deutsch<br />

und Niederländisch, Englisch, Friesisch und<br />

Norwegisch, Schwedisch, Dänisch, Isländisch<br />

sind Töchter von den Schwestern Westgermanisch<br />

und Nordgermanisch. Deren Mutter<br />

heißt dann Urgermanisch. Urgermanisch und<br />

Uritalisch sind wiederum Schwestern, Töchter<br />

von Indoeuropäisch.<br />

Alle Geschwister haben große Ähnlichkeit mit<br />

der jeweiligen Mutter und auch untereinander<br />

– wie das bei Geschwistern nun mal so<br />

ist; da sie allerdings an verschiedenen Orten<br />

vorkommen, haben sie sich auch unterschiedlich<br />

entwickelt, auch das kennt man<br />

von Geschwistern. Dabei beeinflussen Nachbarn,<br />

geographische Besonderheiten und die<br />

Lebensumstände die Entwicklung der<br />

Sprachen.<br />

Wir haben festgestellt, dass es unterschiedliche<br />

„Verwandtschaftsgrade“ von Sprachen<br />

unter einander gibt und zur Festlegung dieser<br />

Verwandtschaftsgrade bestimmte Kriterien.<br />

Wir haben erfahren, dass unsere Sprache<br />

Neu hochdeutsch mit deutlich mehr Spra -<br />

chen verwandt ist, als uns vielleicht bisher<br />

be wusst war.<br />

Vielleicht wurde auch klar, dass die Annäherung<br />

an das indoeuropäische System<br />

anhand z. B. der Kenntnisse der lateinischen<br />

Grammatik sehr hilfreich beim Erlernen der<br />

indoeuropäischen Sprachen ist, das habe<br />

ich persönlich auch erfahren. Sie hilft – auf<br />

grammatikalischer Ebene – aber auch beim<br />

Erlernen nicht-indoeuropäischer Sprachen, da<br />

man immerhin ein System hat, mit dem man<br />

vergleichen kann. Auf der Ebene des Wortschatzes<br />

ist es ein „alter Trick“ von Vielsprachlern,<br />

dass man umso mehr Eselsbrücken<br />

und Merkhilfen findet, je mehr Vokabeln in<br />

verschiedenen Sprachen (die nicht unbedingt<br />

miteinander verwandt sein müssen) man<br />

beherrscht.<br />

Danke für Ihre Aufmerksamkeit und viel Spaß<br />

mit unseren Sprachen!<br />

Susanne Zwilling<br />

LIV= Lexikon der indigermanischen Verben .<br />

Wiesbaden 2001 2 .<br />

Sonderegger, S.: Althochdeutsche Sprache<br />

und Literatur. Berlin-New York 2003 3 .<br />

Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen<br />

Sprache. Berlin – New York 2002 24 .<br />

Weiterführende Literatur (ohne jeglichen<br />

Anspruch auf Vollständigkeit):<br />

A. Stedje: Deutsche Sprache gestern und<br />

heute. Paderborn 2007 6 (utb 1499).<br />

www. indogermanistik.org – offizielle Website<br />

der indogermanischen Gesellschaft mit mehr<br />

Informationen über das Fach.<br />

1) Am einfachsten etwa so zu erklären: „Wozu<br />

komplizierte Formen verwenden, wenn das<br />

Gegenüber auch mit einfacheren Formen<br />

weiß, was gemeint ist?“<br />

2) Anders als das Englische heute, das im<br />

Laufe der Geschichte seine Kasusendungen<br />

bis auf den Genitiv verloren hat.<br />

3) Im Althochdeutschen dekliniert dieses<br />

Wort wie folgt: man – mannes – manne –<br />

man. Pl: man – manno – mannum,<br />

mannom – man. (Sonderegger 266).

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