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Spende - Salvatorkollegs Bad Wurzach

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118 werden können, hält die psychische Abhän- komplexe System der Nervenzellverschaltung Das Aufhören ist nämlich niemals einfach,<br />

119<br />

gigkeit oft ein Leben lang an; unser Gehirn<br />

erinnert sich nämlich in vielen (kritischen)<br />

Lebenslagen an die positiven Effekte einer<br />

Droge. Daher ist es wichtig, das Entstehen<br />

der psychischen Abhängigkeit genauer zu<br />

beleuchten.<br />

Dr. Leibfarth wies explizit darauf hin, dass der<br />

Prozess der Suchtentwicklung ein schleichender<br />

sei. Die Aussage eines Jugendlichen,<br />

„Ich trinke je nach Stimmung, aber ich übertreibe<br />

es nicht”, entlarvt den Mechanismus<br />

des Selbstbetrugs, nämlich zu glauben, man<br />

könne eine Droge beherrschen. Anfänglich<br />

betone der Konsument oft, dass es sein Wille<br />

sei, eine Droge „genussvoll” zu konsumieren.<br />

Sie sei nur von positiver Wirkung, weil sie<br />

schmecke, entspannend wirke und die Stimmung<br />

verbessere. Der Konsum – so glaubt es<br />

zumindest der Konsument – sei ein kontrollierter<br />

und demzufolge sei es ihm jederzeit<br />

möglich, die Droge abzusetzen. Doch das<br />

Problem liegt eigentlich nicht im Aufhören-<br />

Können, sondern im Nicht-Aufhören-Wollen.<br />

Während des Konsums einer Droge lernt das<br />

Gehirn unmerklich, die Gemütsveränderung<br />

zu schätzen. Der Konsument bemerkt also<br />

nicht, wie sich sein Wille verändert; seine<br />

Motivation zum Drogenkonsum wird immer<br />

stärker. Auf neuronaler Ebene verändert sich<br />

im Laufe der Suchtentstehung sowohl das<br />

als auch die Intensität der Nervenzellkommunikation.<br />

Nora Volkow, die Leiterin des Brookhavens<br />

National Laboratory in Pennsylvania, konnte<br />

mit ihren Team dieses Verlangen mit der PET<br />

(Positronen Emmisssions Tomographie) – ein<br />

bildgebendes Verfahren, mit welchem man<br />

dem Gehirn quasi beim Arbeiten zusehen<br />

kann – sichtbar machen. Ihre Probanden (18<br />

Kokainabhängige) zeigten beim Betrachten<br />

von Videos mit neutralen Reizen (Naturaufnahmen)<br />

keine nennenswerte Gehirnaktivität.<br />

Zeigte man ihnen jedoch Filmsequenzen<br />

über den Kauf und Konsum von Kokain, so<br />

wurde v.a. im Belohnungssystem eine hohe<br />

Nervenzellaktivität gemessen, da diese Zellen<br />

das Glückshormon Dopamin ausschütteten;<br />

normalerweise sind diese Gehirnareale u.a.<br />

nur dann aktiv, wenn wir z. B. unser Lieblingsessen<br />

erblicken. Das Forscherteam schloss<br />

daraus, dass die Gier nach Kokain in denselben<br />

Hirnregionen entsteht wie der Ansporn<br />

zur Nahrungsmittelaufnahme. Es liegt also<br />

nahe, dass man die Intensität des lebenserhaltenden<br />

Verlangens nach Nahrung mit dem<br />

des Erwerbs und des Konsums von Drogen<br />

gleichsetzen kann bzw. muss. Gutgemeinte<br />

Ratschläge wie „Hör doch einfach mit dem<br />

Drogenkonsum auf” oder „Du musst nur<br />

einmal damit aufhören” sind kontraproduktiv.<br />

weil man immer darum kämpfen muss, mit<br />

dem Aufhören niemals aufzuhören. Eine<br />

Sucht basiert auf einer erlernten Gehirnaktivitätsänderung<br />

und sei, so Leibfarth,<br />

eine echte Krankheit, deren Heilung nicht<br />

„einfach mal so” erreicht werden könne.<br />

Selbst Personen, welche man medizinisch als<br />

„clean” bezeichnen könne, würden oft durch<br />

suchtspezifische Reize (Orte des Drogenkonsums,<br />

akustische und u.a. optische Reize) in<br />

Versuchung geführt.<br />

Ist die Vorstellung nicht reizvoll, an einem<br />

warmen Sommertag gemütlich im Biergarten<br />

zu sitzen, das angenehme Prickeln des<br />

Bierschaums im Mund und den kühlen Gerstensaft<br />

die Kehle hinunterfließen zu spüren?<br />

Ein kaltes Apfelschorle ist zwar gut, aber die<br />

meisten werden beipflichten, dass ein kaltes<br />

Bier unvergleichlich wohltuender ist - zumal<br />

es oder weil es das Psychostimulans Ethanol<br />

enthält.<br />

Auch „Die fromme Helene” (Wilhelm Busch)<br />

weiß, „wer Sorgen hat, hat auch Likör!”<br />

Gute Vorsätze und die Hinwendung zum<br />

Gebet bringen ihr Suchtgedächtnis und das<br />

daraus resultierende Suchtverlangen nicht<br />

zum Schweigen, denn die Likörflasche ruft<br />

ständig nach der auf dem Betstuhl Knienden.<br />

Schließlich wird der Lockruf zu stark, denn<br />

zu „gefährlich ist des Freundes Nähe. O Lene,<br />

Lene! Wehe, wehe!”<br />

Lene zeigt dem Leser bzw. Betrachter der<br />

Bildergeschichte eindeutige Suchtmerkmale.<br />

Um eine Abhängigkeit diagnostizieren<br />

zu können, müssen in den letzten zwölf<br />

Monaten drei von sechs Kriterien zugetroffen<br />

haben.<br />

1. starker Konsumwunsch<br />

2. abnehmende Kontrollfähigkeit<br />

3. Entzugssymptom(e) bei Nichtverfüg-<br />

barkeit der Droge<br />

4. Toleranzentwicklung (Dosissteigerung)<br />

5. Vernachlässigung anderer Interessens-<br />

gebiete<br />

6. anhaltender Konsum, trotz Wissen um<br />

schädliche Folgen<br />

Dr. Markus Leibfarth<br />

Beim Durchlesen der Abhängigkeitskriterien<br />

kann man zum Schluss kommen, dass die<br />

Entwicklung einer Sucht ein „selbstgemachtes”<br />

Problem sei. So einfach ist die Sachlage<br />

jedoch nicht, denn die Entwicklung einer Abhängigkeit<br />

wird von vielen unterschiedlichen<br />

Faktoren beeinflusst. So kann z. B. unsere<br />

genetische Grundausstattung ein wesentlicher<br />

Baustein sein.<br />

Studien haben ergeben, dass adoptierte<br />

Kinder ein vierfach erhöhtes Risiko zur Suchtentwicklung<br />

haben, wenn ihre Eltern bereits<br />

abhängig waren. Auch Studien des Verwandtenkreises<br />

sowie Zwillingsstudien zeigen<br />

ähnliche Tendenzen. Es ist jedoch reine Provokation<br />

zu behaupten, dass „Nachkommen<br />

von Trunkenbolden auch Trunkenbolde” seien<br />

(Plutarch). Natürlich spielen unsere Gene eine<br />

wichtige Rolle, aber sie sind nicht allesentscheidend<br />

für die Entwicklung einer Abhängigkeit.<br />

Auch die familiären Verhältnisse (das<br />

Gefühl der Sicherheit und des Aufgehobenseins,<br />

das der Gewissheit der Wertschätzung<br />

und des Vertrauens) sowie gesellschaftliche<br />

Einflüsse (Freundeskreis, Milieu, Bildung aber<br />

auch u.a. Einflüsse aus der Werbung) können<br />

wichtige Einflussfaktoren sein.<br />

An einem stark vereinfachten Beispiel wird<br />

dies im Folgenden erklärt werden.<br />

Gene sind Bauanleitungen für Proteine, welche<br />

jeweils in zweifacher Ausführung – eines<br />

wurde von der Mutter und eines vom Vater<br />

vererbt – vorliegen. Trägt eine Bauanleitung<br />

derartige Informationen, dass z. B. eine

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