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unternehmen<br />
» Wenn ich nicht wüsste, dass es anders geht,<br />
und ich meinen Hof nicht kennen würde,<br />
ich wäre vermutlich Protestvegetarier. «<br />
Für all das beziehen die Koithahns ihr Schweinefleisch<br />
überwiegend von ausgewählten landwirtschaftlichen Höfen<br />
der Region. Und natürlich von den Schweinen des<br />
Koithahn’schen Heuschweinhofs selbst. Geschlachtet<br />
wird in drei Schlachthöfen in der Umgebung. Und selbst<br />
das Futter für die Schweine kommt größtenteils aus regionaler<br />
Landwirtschaft und ist so rein, dass es selbst<br />
Menschen un bedenklich essen könnten.<br />
Dass der Heuschweinhof sich 2006 zum klassischen<br />
Fleischerei geschäft dazugesellte, war eher Zufall. Der<br />
Hof stand zum Verkauf, und Karl-Heinz Koithahn entschloss<br />
sich kurzerhand, ihn zu übernehmen. „Ich bin<br />
kein Landwirt und hatte wenig Kenntnis von der<br />
Schweine haltung, aber hiermit habe ich mir einen Traum<br />
erfüllt“, bekennt der gelernte Fleischer mit einem entschuldigenden<br />
Lächeln. Letztlich aber habe eben dieser<br />
eigene Stall auch erst dazu geführt, die Tierhaltung mit<br />
anderen Augen zu sehen und zu hinterfragen, ob es nicht<br />
auch anders gelingen kann, als es der bisherige Standard<br />
war.<br />
SCHWEINEFLEISCH IST MIT ABSTAND die beliebteste<br />
Fleischart in Deutschland: Jeder Bundesbürger isst im<br />
Schnitt 36 Kilogramm pro Jahr. Das ist deutlich mehr als<br />
die Hälfte von dem, was er insgesamt an Fleisch verzehrt.<br />
Damit ist Deutschland der größte Schweinefleischerzeuger<br />
in Europa und steht weltweit nach China und den<br />
USA an dritter Stelle. Dafür werden hierzulande aktuell<br />
über 26 Millionen Schweine gehalten. Leider ist die üblicherweise<br />
praktizierte Schweinehaltung in der Landwirtschaft<br />
in den meisten Fällen noch immer nicht tiergerecht.<br />
Die Stallungen werden in der Regel so gebaut, dass die<br />
Landwirte möglichst wenig Arbeit haben und einen<br />
größtmöglichen Profit erwirtschaften. Schweine stehen<br />
daher auf Beton spaltenböden, durch die Kot und Urin<br />
hindurchfallen. Damit entfällt das Ausmisten. Es entsteht<br />
allerdings konzentrierte Gülle, deren Gase schädlich für<br />
Mensch und Tier sind und die sich in zu großen Mengen<br />
schädlich auf die Umwelt auswirkt.<br />
„Wenn ich nicht wüsste, dass es anders geht, und ich<br />
meinen Hof nicht kennen würde, ich wäre vermutlich<br />
Protestvegetarier“, sagt Koithahn, obwohl er gleichzeitig<br />
schmunzelnd und mit großer Geste eingesteht, dass ja<br />
unübersehbar sei, wie gut ihm seine Premiummettwurt<br />
schmeckt. „Genau aus diesem Grund müssen wir endlich<br />
anfangen, die richtigen Fragen zu stellen.“ Und dazu<br />
gehöre nicht die nach dem Preis. Er hält kurz inne und<br />
lauscht. „Hören Sie? Da haben sich gerade zwei gefetzt.“<br />
Immer wieder unterbricht der Tierfreund das Gespräch,<br />
wenn ein Husten oder Quieken aus Richtung der Ställe<br />
kommt.<br />
KOITHAHN ERINNERT SICH AN EINE ZEIT, als er gesundheitlich<br />
sehr angeschlagen war. Heute weiß er, dass<br />
es die innere Unzufriedenheit war, die ihm damals zu<br />
schaffen machte. Das war, bevor er vor acht Jahren die<br />
Schweinezucht zur Chefsache machte. Als er 2006 den<br />
Stall in Elbingerode übernahm, war es noch kein Heuschweinhof.<br />
Damals ließ er in anfänglicher Naivität Sauen,<br />
Eber und Ferkel in einem riesigen Außengelände frei<br />
herumlaufen. Das war schön anzusehen, erzählt er, aber<br />
es führte zu einer sogenannten Stallmüdigkeit. Im Boden<br />
des Außengeländes vermehrten sich Bakterien und Viren,<br />
sodass ein Tier nach dem anderen erkrankte. Lehrgeld,<br />
das Koithahn zahlen musste. Dann schlug er mit seinen<br />
Schweinen einen neuen Weg ein. Es brauchte einen gedanklichen<br />
Wandel, ein Umdenken.<br />
Die Ställe wurden komplett geleert und ein neues<br />
Stallkonzept entwickelt. Die Koithahns beschlossen,<br />
alles zu ändern und von nun an die richtigen Fragen zu<br />
stellen, die Fragen nach „den Werten der Tiere“: In<br />
welcher Gruppe möchte ein Schwein leben? Welche<br />
unterschiedlichen Räume hat es gern? Und viele mehr.<br />
Sie hörten sich bei Landwirten um, die es anders vorlebten.<br />
„Für uns war es wichtig, eine echte Alternative<br />
darzustellen“, erzählt Koithahn. Und so entstand der<br />
Heuschweinhof. Obwohl, so gesteht er ohne Zögern,<br />
auch hier nicht von Anfang an alles rund lief.<br />
34 1 |<strong>2021</strong>