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faktor Frühjahr 2021

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unternehmen<br />

» Wenn ich nicht wüsste, dass es anders geht,<br />

und ich meinen Hof nicht kennen würde,<br />

ich wäre vermutlich Protestvegetarier. «<br />

Für all das beziehen die Koithahns ihr Schweinefleisch<br />

überwiegend von ausgewählten landwirtschaftlichen Höfen<br />

der Region. Und natürlich von den Schweinen des<br />

Koithahn’schen Heuschweinhofs selbst. Geschlachtet<br />

wird in drei Schlachthöfen in der Umgebung. Und selbst<br />

das Futter für die Schweine kommt größtenteils aus regionaler<br />

Landwirtschaft und ist so rein, dass es selbst<br />

Menschen un bedenklich essen könnten.<br />

Dass der Heuschweinhof sich 2006 zum klassischen<br />

Fleischerei geschäft dazugesellte, war eher Zufall. Der<br />

Hof stand zum Verkauf, und Karl-Heinz Koithahn entschloss<br />

sich kurzerhand, ihn zu übernehmen. „Ich bin<br />

kein Landwirt und hatte wenig Kenntnis von der<br />

Schweine haltung, aber hiermit habe ich mir einen Traum<br />

erfüllt“, bekennt der gelernte Fleischer mit einem entschuldigenden<br />

Lächeln. Letztlich aber habe eben dieser<br />

eigene Stall auch erst dazu geführt, die Tierhaltung mit<br />

anderen Augen zu sehen und zu hinterfragen, ob es nicht<br />

auch anders gelingen kann, als es der bisherige Standard<br />

war.<br />

SCHWEINEFLEISCH IST MIT ABSTAND die beliebteste<br />

Fleischart in Deutschland: Jeder Bundesbürger isst im<br />

Schnitt 36 Kilogramm pro Jahr. Das ist deutlich mehr als<br />

die Hälfte von dem, was er insgesamt an Fleisch verzehrt.<br />

Damit ist Deutschland der größte Schweinefleischerzeuger<br />

in Europa und steht weltweit nach China und den<br />

USA an dritter Stelle. Dafür werden hierzulande aktuell<br />

über 26 Millionen Schweine gehalten. Leider ist die üblicherweise<br />

praktizierte Schweinehaltung in der Landwirtschaft<br />

in den meisten Fällen noch immer nicht tiergerecht.<br />

Die Stallungen werden in der Regel so gebaut, dass die<br />

Landwirte möglichst wenig Arbeit haben und einen<br />

größtmöglichen Profit erwirtschaften. Schweine stehen<br />

daher auf Beton spaltenböden, durch die Kot und Urin<br />

hindurchfallen. Damit entfällt das Ausmisten. Es entsteht<br />

allerdings konzentrierte Gülle, deren Gase schädlich für<br />

Mensch und Tier sind und die sich in zu großen Mengen<br />

schädlich auf die Umwelt auswirkt.<br />

„Wenn ich nicht wüsste, dass es anders geht, und ich<br />

meinen Hof nicht kennen würde, ich wäre vermutlich<br />

Protestvegetarier“, sagt Koithahn, obwohl er gleichzeitig<br />

schmunzelnd und mit großer Geste eingesteht, dass ja<br />

unübersehbar sei, wie gut ihm seine Premiummettwurt<br />

schmeckt. „Genau aus diesem Grund müssen wir endlich<br />

anfangen, die richtigen Fragen zu stellen.“ Und dazu<br />

gehöre nicht die nach dem Preis. Er hält kurz inne und<br />

lauscht. „Hören Sie? Da haben sich gerade zwei gefetzt.“<br />

Immer wieder unterbricht der Tierfreund das Gespräch,<br />

wenn ein Husten oder Quieken aus Richtung der Ställe<br />

kommt.<br />

KOITHAHN ERINNERT SICH AN EINE ZEIT, als er gesundheitlich<br />

sehr angeschlagen war. Heute weiß er, dass<br />

es die innere Unzufriedenheit war, die ihm damals zu<br />

schaffen machte. Das war, bevor er vor acht Jahren die<br />

Schweinezucht zur Chefsache machte. Als er 2006 den<br />

Stall in Elbingerode übernahm, war es noch kein Heuschweinhof.<br />

Damals ließ er in anfänglicher Naivität Sauen,<br />

Eber und Ferkel in einem riesigen Außengelände frei<br />

herumlaufen. Das war schön anzusehen, erzählt er, aber<br />

es führte zu einer sogenannten Stallmüdigkeit. Im Boden<br />

des Außengeländes vermehrten sich Bakterien und Viren,<br />

sodass ein Tier nach dem anderen erkrankte. Lehrgeld,<br />

das Koithahn zahlen musste. Dann schlug er mit seinen<br />

Schweinen einen neuen Weg ein. Es brauchte einen gedanklichen<br />

Wandel, ein Umdenken.<br />

Die Ställe wurden komplett geleert und ein neues<br />

Stallkonzept entwickelt. Die Koithahns beschlossen,<br />

alles zu ändern und von nun an die richtigen Fragen zu<br />

stellen, die Fragen nach „den Werten der Tiere“: In<br />

welcher Gruppe möchte ein Schwein leben? Welche<br />

unterschiedlichen Räume hat es gern? Und viele mehr.<br />

Sie hörten sich bei Landwirten um, die es anders vorlebten.<br />

„Für uns war es wichtig, eine echte Alternative<br />

darzustellen“, erzählt Koithahn. Und so entstand der<br />

Heuschweinhof. Obwohl, so gesteht er ohne Zögern,<br />

auch hier nicht von Anfang an alles rund lief.<br />

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