unternehmen 32 1 |<strong>2021</strong>
unternehmen LESEZEIT: 11 MINUTEN Es grunzt. Es quiekt. Es riecht. Kaum, dass wir den Heuschweinhof betreten, kommen sie alle durch eine schmale Öffnung in den Außenstall gestürmt. Unterlegt mit einem gurgelnden Ton schubsen sie sich gegenseitig weg, steigen übereinander. Jede Sau versucht, uns Neuankömmlinge als Erste mit ihrer festen, feuchten Schnauze zu beschnuppern. Doch schnell ist wieder anderes wichtiger: Ein Jutestrick zum Beispiel, der an einem Holzklotz hängt, an dem die Tiere gern kauen. Im Nachbarstall liegen sechs Schweine dicht an dicht nebeneinander und schlafen friedlich – einige schnarchen leise vor sich hin. „Wenn ich als Schwein wieder auf die Welt käme, dann bitte hier“, sagt Karl-Heinz Koithahn, Geschäftsführer der Fleischerei Koithahn mit Hauptsitz in Hattorf am Harz. Er begrüßt uns fröhlich auf seinem Heuschweinhof im nahe gelegenen Elbingerode und wirkt wie ein Gutsbesitzer, der auf diesen Betrieb gehört und nirgendwo anders hin. Vor über 60 Jahren begründete sein Großvater die Familientradition im Fleischerhandwerk, die mitsamt der Rezepturen von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Heute teilt sich Karl-Heinz Koithahn die Geschäftsführung mit seinen beiden Söhnen Benjamin Karl-Heinz und Tim Felix, und auch seine Frau Christine und Tochter Madeline übernehmen Aufgaben im Familienbetrieb – von der Rohstoffversorgung und Produktion über den Vertrieb bis hin zum Marketing. „Ich habe zwar die meisten Gesellschafteranteile, aber ich bin eigentlich mehr der Typ, der gern mal auf dem Gabelstapler sitzt“, erzählt der gebürtige Hattorfer mit einem Augenzwinkern. „Ansonsten habe ich hier auch keine Aufgaben, außer die landwirtschaftlichen Partner betriebe zu betreuen und die Tiere zu transportieren – denn Tiertransport ist bei uns Chefsache.“ DASS ALLE DREI KINDER sich entschlossen, in den väter lichen Betrieb einzusteigen, kann er gar nicht oft genug betonen. „Es ist so schön, mit meiner Familie an einer Sache zu arbeiten, die mehr ist als Fleisch und Wurst“, sagt Koithahn. Sie haben gemeinsam etwas geschaffen, hinter dem sie auch gemeinsam stehen. „Weil wir als Familie so leben wollen – und weil wir das vor Gott und der Welt verantworten können und werden“, sagt der 53-Jährige, ohne dabei pathetisch zu klingen. Er ist kein Mensch, der sich hinter Plattitüden versteckt. „Wir sind nicht perfekt, aber wir sind auf einem guten Weg.“ Koithahn ist voll in seinem Element, unermüdlich fließen Fakten und Erinnerungen ineinander. „Unterbrecht mich, wenn ihr Fragen habt, sonst rede ich ununterbrochen. Tut mir leid, aber ich bin angekommen“, sagt er und erzählt, da keine Einwände kommen, begeistert weiter. Zum Betrieb gehören über 100 Angestellte in sieben Fleischerfachgeschäften in der Region, in der Verarbeitung und der Verwaltung. Nach wie vor ist der Familienbetrieb hauptsächlich in der traditionellen Wurstproduktion tätig. An die 350 verschiedene Spezialitäten werden über das Jahr produziert. Einfach alles, was man aus Schweine fleisch herstellen kann: harte und weiche Mettwurst, Leberwurst, der Harzer Knüppel oder die Harzer Blasen mettwurst im Leinendarm – und, und, und. Darunter auch saisonale Produkte wie die beliebte Wintermettwurst, die in der Regel nur in den Monaten mit ,R‘ hergestellt wird. „Nachdem wir die Rezeptur in diesem Jahr etwas verbessert haben, war sie noch schneller ausverkauft als sonst“, erzählt der Geschäftsführer stolz. Fast schon legendär sei auch die Dinowurst, die jedes Kind seit Jahrzehnten geschenkt bekommt, wenn es zu Koithahns in den Laden kommt. Die allererste Dinowurst entwickelte bereits der Vater von Karl-Heinz 1992 zur Geburt seines ersten Enkels. 1 |<strong>2021</strong> 33