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mensch<br />
bessern, das heißt, wir müssen wieder Erfolge in der Exzellenzstrategie<br />
feiern und auch die international besten<br />
Professorinnen und Professoren gewinnen. Und zweitens<br />
müssen wir unsere CI so hinbekommen, dass sie optimal<br />
für die Auswertungsalgorithmen der Rankings ist.<br />
Die Universität hat durch Belastungen aus Vorleistungen<br />
für die Exzellenzinitiative sowie die jüngsten Kürzungen des<br />
Landes Niedersachsen ein Etatproblem. Welche Wege sehen<br />
Sie aus der Finanzkrise der Universität?<br />
Die finanziellen Spielräume werden enger, und die Uni<br />
muss aufpassen, dass sie nicht in eine große Schieflage<br />
gerät, aber wir sind nicht handlungsunfähig. Wir sind<br />
gerade dabei, eine langfristige Finanzplanung bis 2030<br />
aufzustellen. Eine der wesentlichen Herausforderungen<br />
wird sein, eine Priorisierung vorzunehmen und die Vielfalt<br />
einer Volluni zu erhalten.<br />
Auf der anderen Seite ist das Land schon 2019 überraschenderweise<br />
und gegen den Bundestrend sehr rigoros<br />
vorgegangen und hat die Hochschuletats gekürzt. Dagegen<br />
positionieren wir uns natürlich, aber das müssen wir<br />
so machen, dass wir unsere Bedarfe klar benennen und<br />
aufzeigen, was wir leisten. Wir haben 30.000 Studierende,<br />
die der Gesellschaft viel mehr Wirtschaftsleistung<br />
zurückbringen, als sie uns gekostet haben. Wir als Unis<br />
müssen lernen, vernünftiger zu argumentieren. Einfach<br />
nur zu sagen, wir brauchen mehr Geld, ist nicht originell.<br />
Eines der Kennzeichen der Amtszeit von Präsidentin Ulrike<br />
Beisiegel war die Öffnung der Universität für regionale<br />
Kooperationen. Wie werden Sie damit verfahren?<br />
Diese Kooperationen sind schon deswegen essenziell,<br />
weil der Transfer von Forschungsergebnissen in die wirtschaftliche<br />
Nutzbarkeit zum Punkt der gesellschaft lichen<br />
Leistungen der Universität dazugehört. Das ist etwas,<br />
das jede Uni noch verbessern kann. In Göttingen besonders<br />
interessant sind die forschungsstarke Universitätsmedizin<br />
und der wirtschaftliche Cluster aus Unternehmen<br />
der Life Sciences. Ich werde daher versuchen, die<br />
Kooperationen weiter zu intensivieren.<br />
Das Wissenschaftlerbündnis ,Uni Göttingen unbefristet‘<br />
hat Ihnen einen offenen Brief geschrieben, in dem es auf<br />
die schlechte Relation von 12,4 Prozent unbefristeten<br />
zu 87,6 Prozent befristeten Beschäftigungsverhältnissen im<br />
wissenschaftlichen Mittelbau verweist. Wie gedenken Sie,<br />
die Befristungsproblematik zu verbessern?<br />
Befristungen sind eines der größten Probleme in der<br />
Wissenschaft, das gilt für jede Uni. Aber die Zahl von<br />
87,6 Prozent kann aus meiner Sicht nicht stimmen, die<br />
erscheint mir zu hoch. Wenn wir ernsthaft diskutieren<br />
wollen, müssen wir zwischen Qualifizierungsstellen, die<br />
naturgemäß befristet sind, und Funktionsstellen für<br />
Daueraufgaben unterscheiden. Dafür brauchen wir eine<br />
belastbare Zahlengrundlage. Ein anderes Thema sind<br />
Stückelverträge: Hier müssen wir weiter darauf hinarbeiten,<br />
dass Promovierendenverträge über drei Jahre<br />
abgeschlossen werden. Kurzzeitverträge sind eine Unart,<br />
die sich herausgebildet hat und die im Übrigen zu großen<br />
Belastungen an anderer Stelle führt, denn Verwaltungen<br />
blähen dadurch auf. Dazu werde ich mich mit den entsprechenden<br />
Stellen zusammensetzen.<br />
Ein Hochschulpräsident muss vieles sein: ein guter<br />
Netzwerker, ein Kommunikator, ein Vermittler, der zwischen<br />
Geistes- und Sozialwissenschaften sowie Naturwissenschaften<br />
aus gleicht, ein guter Wissenschaftler und jemand,<br />
der eigene Akzente setzt. Welche Eigenschaften bringen Sie<br />
für diesen Cocktail mit?<br />
Das in meinen Augen Allerwichtigste für einen Hochschulpräsidenten<br />
ist die Transparenz der Entscheidungen.<br />
Es darf niemand in der Universität das Gefühl bekommen,<br />
dass Sie abgehoben wie in einem Raumschiff<br />
Entscheidungen treffen. Das betrifft insbesondere die<br />
Transparenz der Finanzentscheidungen – und da wird es<br />
eine Menge zu kommunizieren geben, weil wir ja nicht<br />
nur positive Botschaften haben. Von daher hat Transparenz<br />
für mich die oberste Priorität.<br />
Vielen Dank für das Gespräch!<br />
Zur Person<br />
Metin Tolan kommt 1965 in Oldenburg zur Welt, studiert<br />
später Physik und Mathematik an der Universität Kiel, wo<br />
er 1993 auch promoviert. Als Postdoc forscht er mehrere<br />
Jahre in den USA und habilitiert sich 1998 im Fach Experimentelle<br />
Physik an der Universität Kiel. 2001 wird Tolan<br />
auf eine Professur für Experimentelle Physik an der Technischen<br />
Universität Dortmund berufen. Forschungsschwerpunkt:<br />
das Verhalten von Grenzflächen weicher<br />
Materie wie zum Beispiel von Polymeren, Flüssigkeiten<br />
oder Biomaterialien. Dort ist er unter anderem Dekan der<br />
Fakultät Physik sowie von 2008 bis 2020 Mitglied des<br />
Rektorats der TU, seit 2016 zudem ständiger Vertreter der<br />
Rektorin. Darüber hinaus ist Tolan Mitglied in zahlreichen<br />
Gre mien und Beiräten und wurde mehrfach für seine<br />
Arbeit ausgezeichnet. Seit Frühjahr <strong>2021</strong> ist er Präsident<br />
der Universität Göttingen.<br />
Daneben weist Wikipedia Metin Tolan auch als<br />
,Wissenschafts kabarettisten‘ aus, was daran liegt, dass<br />
er bereits Vorträge zu Themen wie ,Die Physik bei James<br />
Bond‘, ,Die Physik bei Star Trek‘ und ,Die Physik des Fußballspiels‘<br />
hielt. An Fußball schätzt er noch mehr als nur<br />
das Spiel selbst das „ganze Drumherum“. Er sagt:<br />
„Da ist so viel unfreiwillige Komik drin.“ Eine Lieblingsmannschaft<br />
hat Tolan auch: den VfB Stuttgart.<br />
78 1 | <strong>2021</strong>