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faktor Frühjahr 2021

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mensch<br />

» Als Physiker ist man vorgeprägt, weil<br />

man in der Quanten theorie historisch<br />

um Göttingen nicht herumkommt.<br />

Deswegen hatte ich schon als Student<br />

das Gefühl, Göttingen muss<br />

eine Spitzenuni sein. «<br />

LESEZEIT: 7 MINUTEN<br />

Herr Präsident, als neues wichtiges Gesicht in Göttingen:<br />

Wen bekommt die Stadt?<br />

Göttingen muss wissen, dass es den schlechtesten Autofahrer<br />

der Republik als Bürger haben wird. Ich habe den<br />

Führerschein erst mit 29 gemacht, als ich in die USA gegangen<br />

bin. Und wenn man den Führerschein so spät<br />

macht, kommt man auf keinen grünen Zweig mehr.<br />

Geboren in Norddeutschland, zwei Jahrzehnte Ruhrpott.<br />

Welches Herz schlägt in Ihnen?<br />

Als ich ins Ruhrgebiet gegangen bin, habe ich gelernt,<br />

zwei Begriffe zu trennen: Meine Heimat ist Norddeut≠schland.<br />

Mein Zuhause ist hingegen tatsächlich das<br />

Ruhrgebiet, da lebe ich mit meiner Frau. Und Letzteres,<br />

also das Zuhause, wird sich ändern, und irgendwann<br />

werde ich sicher auch sagen, dass mein Zuhause Göttingen<br />

ist.<br />

Gibt es aus Ihrer Studienzeit prägende Erlebnisse, die<br />

Sie heute noch beeinflussen?<br />

Die Studienzeit hat mich zu einem großen Fan der Uni an<br />

sich gemacht. Ich kam vom Land, mein Vater war türkischer<br />

Staatsbürger, meine Mutter aufgrund des Weltkriegs<br />

nur vier Jahre zur Schule gegangen. Wenn man dann<br />

plötzlich an eine Uni kommt, ist man von den Möglichkeiten,<br />

die einem gegeben werden, beeindruckt. Ich habe<br />

nie die Dankbarkeit für die Chancen abgelegt, die mir<br />

die Uni gegeben hat – ich denke, man sollte nicht vergessen,<br />

dass man ein Studium absolvieren ,darf‘. Manchmal<br />

habe ich jedoch das Gefühl, das wird vergessen, weil es<br />

inzwischen eine gewisse Anspruchshaltung gibt.<br />

Wie ist Ihr Außenblick auf die Universität Göttingen?<br />

Als Physiker ist man vorgeprägt, weil man in der Quantentheorie<br />

historisch um Göttingen nicht herumkommt, da<br />

hier die mathematischen und physikalischen Grundlagen<br />

gelegt wurden. Deswegen hatte ich schon als Student<br />

das Gefühl, Göttingen muss eine Spitzenuni sein.<br />

Dieser Eindruck hat sich nie verflüchtigt, denn hier sind<br />

nach wie vor viele Spitzenleute, die im Bereich der<br />

Naturwissenschaften auch sehr breit fächerübergreifend<br />

zusammenarbeiten. Ich lese das auch daran ab, wie viele<br />

Glückwünsche ich zu meiner Wahl bekommen habe. Ich<br />

glaube, das wären nicht so viele gewesen, wenn Göttingen<br />

nicht so prominent wahrgenommen würde.<br />

Welche maßgeblichen Herausforderungen sehen Sie<br />

für Ihre Amtszeit?<br />

Die Universität ist in einem Zustand, in dem sich Beschäftigte<br />

und Studierende schlechter fühlen, als die tatsächliche<br />

Lage hergibt. Das hat auch Gründe wie etwa<br />

den fehlenden Erfolg in der Exzellenzinitiative oder die<br />

suboptimale Präsidentenwahl. Da hat es viele Spannungen<br />

und auch persönliche Diffamierungen gegeben. Deswegen<br />

ist die erste Aufgabe, das Team wieder zusammenzubringen<br />

und Gräben zuzuschütten. Das ist notwendig,<br />

wenn wir wieder gemeinsame Erfolge feiern<br />

wollen, und es wird harte Arbeit und eine gewisse Zeit<br />

erfordern. Aber das Ziel ist klar: wieder in der Exzellenzstrategie<br />

zu reüssieren und es auch zu schaffen, dass<br />

Göttinger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />

wieder mehr Preise gewinnen. Das liegt natürlich zunächst<br />

einmal beim individuellen Forschenden, aber die<br />

Uni kann und muss auch die Richtigen vorschlagen.<br />

Schaut man sich das Times Higher Education Ranking an,<br />

so lässt sich ein kontinuierlicher Abstieg der Universität<br />

Göttingen feststellen – von Platz 43 und damit der besten<br />

deutschen Universität im Jahr 2011 zu aktuell Platz 130.<br />

Seit zehn Jahren ist die Universität auch im bundesdeutschen<br />

Vergleich nicht mehr exzellent. Wie wollen Sie diesem<br />

schleichenden Renommeeverlust begegnen?<br />

Zunächst einmal muss man unterscheiden, denn jedes<br />

Ranking funktioniert nach eigenen Parametern – im<br />

DFG-Förderatlas, dem wohl wichtigsten deutschen Ranking,<br />

gehört Göttingen nach wie vor zu den Top Ten.<br />

Göttingen ist also nicht unbedingt abgestiegen, aber andere<br />

haben aufgeholt. Innerhalb Deutschlands hat die<br />

Exzellenzinitiative dabei eine Rolle gespielt, aber auch<br />

weltweit haben andere Unis massiv aufgeholt, vor allem<br />

aus dem asiatischen Raum. In einem Ranking erfolgreich<br />

zu sein, hat aber auch etwas mit Stimmung zu tun<br />

und nicht zuletzt auch mit Corporate Identity, dass also<br />

beispielsweise Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />

bei jeder Veröffentlichung die richtige Adresse und den<br />

Uni-Namen einheitlich entsprechend der Corporate<br />

Identity angeben. Also müssen wir an zwei Sachen arbeiten:<br />

Erstens muss sich unsere Wissenschaft weiter ver-<br />

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