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faktor Frühjahr 2021

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leben<br />

» Alle Künstler, die frei arbeiten und ganz bewusst<br />

nicht den Mainstream bedienen, sind extrem<br />

gefährdet. Und damit die künstlerische Vielfalt. «<br />

ERICH SIDLER, Intendant Deutsches Theater Göttingen<br />

LESEZEIT: 9 MINUTEN<br />

Waren es früher große Gefühle,<br />

die den Stoff für Dra men<br />

lieferten, ist es heute ein<br />

winziges Virus. Mehrere<br />

Akte sind gespielt, aber der<br />

Ausgang ist noch immer<br />

ungewiss. Das Publikum<br />

verfolgt das Trauerspiel von<br />

außen, während drinnen ein großes Minus die Bühne<br />

betreten hat.<br />

„Ganze 24 Prozent Umsatzrückgang im vergangenen<br />

Corona-Jahr 2020 werden es in Bezug auf 400 Millionen<br />

Euro zwei Jahre zuvor in der Kultur- und Kreativwirtschaft<br />

in Südniedersachsen wohl sein“, erklärt Anne<br />

Bleimeister vom Niedersächsischen Wirtschaftsministerium.<br />

Wobei Kultur- und Kreativwirtschaft, kurz KKW,<br />

ein wirklich weiter Begriff ist: Er umfasst alles von sämtlichen<br />

Bereichen des Presse-, Architektur-, Werbe-, Kunstund<br />

Buchmarkts über die Software-/Games-Industrie bis<br />

zur Design-, Rundfunk-, Musik- und Filmwirtschaft und<br />

hin zum Markt für darstellende Kunst. Für Letzteren allein<br />

schätzt das Kompetenzzentraum Kultur- und Kreativwirtschaft<br />

des Bundes deutschlandweit ein Minus von<br />

85 Prozent. Und selbst dieses Minus trifft die Akteure<br />

unterschiedlich hart.<br />

EINRICHTUNGEN ÜBERLEBEN ZWAR dank Sonderprogrammen,<br />

Zuschüssen, Spenden und Kurzarbeit. Doch<br />

auch wenn wieder geöffnet ist, bleibt das Minus vorerst<br />

bestehen, weil Publikumskapazitäten aufgrund der Abstandsregeln<br />

nicht ausgeschöpft werden können. Veranstalter,<br />

deren Räume ungenutzt bleiben, mussten bereits<br />

einen Großteil ihrer Crew entlassen. „Unsere Kulturveranstalter<br />

und eigenen Betriebe haben wir ungeschmälert<br />

die ganze Zeit durchgefördert. Aber die freischaffenden<br />

Künstler sind in ihrer Existenz bedroht“, sagt Petra<br />

Broistedt, Kultur- und Sozialdezernentin der Stadt Göttingen.<br />

„Mit tragischen Folgen“, so Erich Sidler, Intendant<br />

am Deutschen Theater Göttingen. „Alle Künstler,<br />

die frei arbeiten und ganz bewusst nicht den Main stream<br />

bedienen, sind extrem gefährdet. Und damit die künstlerische<br />

Vielfalt.“<br />

DIE HETEROGENE BETROFFENHEIT ZEIGTE SICH auch<br />

Ende Januar auf der Südniedersachsenkonferenz, die<br />

zum Thema Kultur- und Kreativwirtschaft tagte. Jens<br />

Wortmann, Inhaber des Kulturbüros Göttingen, resümiert:<br />

„Diese Konferenz kann nur ein Anfang sein. Es<br />

fehlt so grundsätzlich an Strukturen, Zielen und Methoden,<br />

dass alle Beiträge nur als Einzelbeiträge im Raum<br />

stehen blieben.“ Für größere Schritte forderten die Referenten<br />

eine zentrale Koordinierungsstelle für Kulturschaffende.<br />

Abseits einer solchen haben sich inzwischen<br />

schon einzelne Netzwerke etabliert. Der Verein Kreuzberg<br />

on KulTour beispielsweise, der seine Konzerte erfolgreich<br />

auf einem eigenen Portal online stellt, hat ein<br />

Musiker selbsthilfe portal (www.musikerfuermusiker.de)<br />

ge gründet und dafür den Niedersachsenpreis für Bürgerengagement<br />

2020 erhalten.<br />

Ein weiteres gelungenes Beispiel ist kulturis.online, eine<br />

Weiterführung von KiSN (Kultur in Südniedersachsen),<br />

das bereits im März 2020 startete, initiiert vom Landkreis<br />

Göttingen, Akteuren der Kulturbranche und dem Göttinger<br />

Tageblatt. Kultur und Landkreis blieben bis heute im<br />

Boot, das Fachwerk5Eck stieg mit ein, doch Regie führt<br />

jetzt der Landschaftsverband Südniedersachsen. Projektleiter<br />

Moritz Steinhauer hat es sich zum Ziel gesetzt, die<br />

virtuelle Plattform für Kunst- und Kulturschaffende,<br />

Museen und Veranstalter mit neuen Features zu der Anlaufstelle<br />

für Kultur in der Region weiterzuentwickeln.<br />

Der Startschuss dafür fiel wiederum im März dieses Jahres<br />

mit einem Sofa-Festival (www.kulturis.online).<br />

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