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procontra Ausgabe 02-2022 Preview

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Investmenttalk INVESTMENTFONDS<br />

Wir schließen aus zwei Gründen Atomkraft<br />

aus. Erstens: Mit der Technik wird<br />

gegen den Grundsatz der Nachhaltigkeit<br />

verstoßen, weil Ewigkeitslasten produziert<br />

werden. Die Endlagerfrage ist schließlich<br />

nicht gelöst. Damit wird gegen den Grundsatz<br />

der Nachhaltigkeit verstoßen, nach<br />

dem zukünftige Generationen nicht über<br />

Gebühr belastet werden dürfen. Der zweite<br />

Grund ist das Ereignisrisiko. Zwar ist die<br />

Wahrscheinlichkeit eines Super-GAUs sehr<br />

gering. Aber wenn er passiert, sind die<br />

negativen finanziellen Auswirkungen auf<br />

die Aktien oder Anleihen extrem hoch.<br />

Bei Gas haben wir keinen grundsätzlichen<br />

Ausschluss des Energieträgers in den<br />

Portfolios. Es kommt aber zu Ausschlüssen,<br />

weil entweder der Versorger neben<br />

Gas auch die Atomkraft nutzt oder weil<br />

die CO 2<br />

-Emissionen des entsprechenden<br />

Unternehmens einfach zu hoch sind.<br />

<strong>procontra</strong>: Ab August müssen die Berater<br />

fragen, ob die Kunden nachhaltig<br />

investieren wollen. Was soll der Berater<br />

machen, wenn der Kunde sagt, er habe mit<br />

Atom- oder Gaskraft kein Problem – einen<br />

französischen Fonds empfehlen?<br />

Speich: Ich halte die Wahrscheinlichkeit<br />

für sehr gering, dass der deutsche Kunde<br />

einen nachhaltigen Fonds nicht haben<br />

möchte, weil dieser Atomkraft und fossile<br />

Ener gieträger ausschließt. Meine Zuversicht<br />

beruht auf einer repräsentativen Umfrage<br />

aus dem September, die gezeigt hat,<br />

dass die Privatkunden Atomkraft nicht als<br />

nachhaltige Investition sehen. Wenn aber<br />

ein Kunde einen nachhaltigen Fonds mit<br />

Atomkraft haben möchte, wird der Berater<br />

das entsprechende Produkt wählen. Das ist<br />

ganz klar. Der Kunde muss aber auch wissen,<br />

dass eine Investition in die Nukleartechnik<br />

auch bedeuten kann, dass er damit<br />

Nuklearwaffen unterstützt und nicht nur<br />

in die Stromproduktion investiert.<br />

<strong>procontra</strong>: Manche Berater befürchten,<br />

dass sie einem Haftungsrisiko ausgesetzt<br />

sind, weil die besagte Nachhaltigkeitspräferenzabfrage<br />

vor der Taxonomie in Kraft<br />

treten soll. Stimmt das?<br />

Speich: Ein Haftungsrisiko sehe ich nicht.<br />

Nach derzeitigem Informationsstand wird<br />

die Taxonomie vor dem regulatorischen<br />

Inkrafttreten der Präferenzabfrage definiert<br />

sein. Asset-Manager werden auch künftig<br />

unterschiedliche Definitionsansätze bei<br />

nachhaltigen Produkten haben, wichtig<br />

ist Transparenz gegenüber dem Kunden.<br />

Außerdem ist es vollkommen normal, dass<br />

die Kriterien für die Taxonomie sich ständig<br />

weiterentwickeln. Wir haben es mit<br />

einem additiven System zu tun - es werden<br />

immer weitere Felder dazu geschaltet.<br />

Fonds, die eine hohe EU-Taxonomie-Konformität<br />

aufweisen, sind und bleiben eine<br />

Alternative für den Kunden, wenn er sich<br />

dies wünscht.<br />

<strong>procontra</strong>: Mit Blick auf 2<strong>02</strong>2 – wie soll<br />

sich ein Anleger positionieren? Kommt es<br />

zu einer Zinswende und endet damit die<br />

langjährige Aktienrallye womöglich?<br />

Speich: Wir sehen die Aktienmärkte weiterhin<br />

positiv und gewichten Aktien auch<br />

über, wenn auch nicht so stark wie im vergangenen<br />

Jahr. Diese Haltung beruht darauf,<br />

dass wir trotz der rasant steigenden<br />

Corona-Infektionszahlen 2<strong>02</strong>2 ein ziemlich<br />

robustes Wirtschaftswachstum haben<br />

werden, also zwischen 3,5 und 4 Prozent<br />

für Europa und die USA. Wir werden auch<br />

mit Blick auf die Aussagen der Fed (US-<br />

Notenbank – d. Red.) steigende Zinsen<br />

sehen. Doch aus heutiger Sicht dürfte<br />

das Zinsniveau in diesem Jahr moderat<br />

bleiben, und daher dürfte sich dies nicht<br />

zu negativ auf die Unternehmensgewinne<br />

auswirken. Wir bei der Deka rechnen hier<br />

mit einer Steigerung von 8 bis 10 Prozent.<br />

Eine Einschränkung, die wir machen, ist<br />

»Der Kunde will auch<br />

den nachhaltigen<br />

Fonds, der Atomkraft<br />

und fossile Energieträger<br />

ausschließt.«<br />

die Möglichkeit einer Lohn-Preis-Spirale.<br />

Dann müssten die Zentralbanken doch<br />

fester an der Zinsschraube drehen und<br />

würden natürlich die Aktienkurse belasten.<br />

Aber das sehen wir derzeit nicht.<br />

<strong>procontra</strong>: Ist es also nicht zu spät für den<br />

aktienscheuen deutschen Sparer, doch in<br />

den Markt einzusteigen?<br />

Speich: Überhaupt nicht. Man muss sehen,<br />

dass wir auch nach Berücksichtigung<br />

der Inflation immer noch einen deutlich<br />

negativen Realzins haben. Selbst wenn die<br />

Zinsen steigen, werden sie immer noch im<br />

negativen Bereich bleiben. Damit scheiden<br />

festverzinsliche Papiere als eine attraktive<br />

Alternative aus. Als ein großer Freund von<br />

Aktien würde ich immer sagen, wenn man<br />

einen längeren Investmenthorizont hat,<br />

sollte man sukzessive in den Markt einsteigen<br />

– zum Beispiel mit einem Fondssparplan.<br />

Denn an den attraktiven Renditen<br />

von Aktien führt kein Weg vorbei, langfristig<br />

gesprochen.<br />

EU-TAXONOMIE:<br />

HÄUFIG GESTELLTE FRAGEN<br />

Was ist die Taxonomie überhaupt?<br />

Die Taxonomie steht für das Bestreben der EU,<br />

einen einheitlichen Standard für nachhaltige<br />

Investments auf dem Kontinent zu schaffen. Obwohl<br />

es in einigen Mitgliedsstaaten wie Deutschland<br />

und Frankreich heimische Standards dafür<br />

gibt, wollte die EU mit einem Standard für Europa<br />

„Greenwashing“ (Etikettenschwindel) bekämpfen<br />

und mehr grenzüberschreitende Investments<br />

ermöglichen. Solche Investments sind laut der EU<br />

wichtig, um die Ökologisierung der europäischen<br />

Wirtschaft mitzufinanzieren.<br />

Hat die EU den Standard geschafft?<br />

Nein. Sehr zum Ärger antinuklearer Staaten wie<br />

Deutschland und Österreich sollen Investments in<br />

Atomkraft künftig als nachhaltig gelten. Auf Drängen<br />

von Frankreich wurde die CO 2<br />

-arme Quelle<br />

in die Taxonomie aufgenommen. Andererseits<br />

sind Mitgliedsstaaten wie Dänemark und die Niederlande<br />

überhaupt nicht einverstanden mit der<br />

Inklusion von Gas – einer fossilen Energiequelle.<br />

Mit Gaskraft hat die Bundesregierung jedoch<br />

kein Problem, da sie sie für die Energiewende als<br />

Überbrückungstechnologie braucht.<br />

Und wie geht’s weiter?<br />

Für die Aufnahme von Atomkraft und Gas in die<br />

Taxonomie gibt es im EU-Rat jeweils eine Mehrheit.<br />

Allerdings sollen die Standards für „E“, also<br />

Umwelt und Klima, erst ab dem 1. Januar 2<strong>02</strong>3<br />

gelten. Das heißt, Anpassungen könnten bis<br />

dahin vorgenommen werden. Für die Anlageberater<br />

ist die Situation sehr unglücklich, weil bereits<br />

ab August die sogenannte Nachhaltigkeitspräferenzabfrage<br />

(NPA) in Kraft treten soll. Der Berater<br />

kann also schlecht einen taxonomiekonformen<br />

Fonds empfehlen. Vermittlerverbände fordern<br />

daher eine Verschiebung der NPA um ein Jahr.<br />

Eine Entscheidung dazu steht noch aus.<br />

Quelle: EU-Kommission, eigene Recherchen<br />

<strong>procontra</strong> <strong>02</strong> | 22<br />

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