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procontra Ausgabe 02-2022 Preview

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BERATER Altersvorsorge für Frauen<br />

»Frauen brauchen eine<br />

andere Finanzberatung«<br />

<strong>procontra</strong>: Warum beschäftigen sich Frauen<br />

nach wie vor zu selten mit Finanzthemen?<br />

Helma Sick: Sie wurden über Jahrhunderte<br />

vom Geld ferngehalten. Berufe, die Geld brachten,<br />

haben immer nur Männer ausgeübt oder<br />

durften Frauen nur mal kurz ausüben, wenn<br />

es gerade Männermangel gab, zum Beispiel<br />

während der Weltkriege. Hinterher hieß es<br />

dann wieder: „Frauen können nicht mit Geld<br />

umgehen.“ Bis 1962 durften sie nicht einmal<br />

ein Konto eröffnen ohne die Zustimmung des<br />

Ehemannes. Dadurch haben sie auch über<br />

Generationen hinweg weniger Erfahrung mit<br />

Geldthemen.<br />

<strong>procontra</strong>: Und wie ist die Situation heute?<br />

Sick: Jetzt holen Frauen langsam auf. Aber<br />

die alten Vorstellungen halten sich lange in<br />

den Köpfen. Und es gibt einen Unterschied<br />

zwischen Ost und West: Die durchschnittliche<br />

Frauenrente liegt im Westen bei 694 Euro,<br />

während sie im Osten bei 1.<strong>02</strong>8 Euro liegt.<br />

Frauen im Osten wissen, wie wichtig finanzielle<br />

Unabhängigkeit ist.<br />

<strong>procontra</strong>: Unterscheidet sich das Anlageverhalten<br />

zwischen Männern und Frauen?<br />

Sick: Männer schauen erst einmal auf die<br />

Rendite, während Frauen meist die soziale<br />

HELMA SICK, Finanzexpertin für Frauen<br />

Verträglichkeit wichtiger ist. Das ist<br />

ein Fakt.<br />

<strong>procontra</strong>: Wäre ein spezielles<br />

Anlageprodukt für Frauen sinnvoll,<br />

um sie für den Kapitalmarkt zu<br />

gewinnen?<br />

Sick: Sie brauchen keine eigenen<br />

Produkte, sondern eine andere<br />

Beratung, weil Frauen eine andere<br />

Lebenssituation haben. Knapp 70<br />

Prozent der erwerbstätigen Frauen<br />

und nur 6 Prozent der Männer arbeiten<br />

in Teilzeit, das spiegelt sich<br />

natürlich in der Rente wider. Das ist<br />

das wirkliche Problem.<br />

<strong>procontra</strong>: Immerhin boomt der<br />

Markt zum Thema Frauen und<br />

Finanzen.<br />

Sick: Finanzberatungen für Frauen schießen<br />

aus dem Boden, offenbar hat man verstanden,<br />

dass sich mit ihnen Geschäfte machen<br />

lassen. Die wirkliche Situation von Frauen zu<br />

begreifen und sich für sie einzusetzen, ist<br />

etwas ganz anderes.<br />

<strong>procontra</strong>: Was läuft denn gerade konkret<br />

falsch in der Beratung?<br />

Sick: Zum Beispiel geht die Aussage, die in<br />

fast jedem Blog, Artikel oder Buch zum Thema<br />

Frauen-Finanzen getroffen wird: „Frauen,<br />

investiert in ETFs!“, vollkommen an der Realität<br />

vorbei. Man kann doch nicht allen Frauen von<br />

17 bis 77 Jahren ausschließlich Indexfonds als<br />

Geldanlage empfehlen.<br />

<strong>procontra</strong>: Frauen wird nachgesagt, sie seien<br />

sparsamer und weniger risikofreudig in der<br />

Wahl ihrer Geldanlage. Was zeigen Ihre Erfahrungen<br />

aus der Beratungspraxis?<br />

Sick: Männer fangen früher an zu sparen als<br />

Frauen, meist mit Anfang 20, Frauen erst mit<br />

Anfang, Mitte 30. Sie fangen nach wie vor zu<br />

spät mit Investments an, mit oft zu geringen<br />

Beträgen. Aber es ist ja auch verständlich,<br />

wenn Frauen etwas ängstlicher sind: Sie<br />

verdienen weniger als Männer und wollen das,<br />

was sie haben, nicht auch noch verlieren.<br />

geprodukt für Frauen nicht zielführend,<br />

denn: „Die Gesetze am Kapitalmarkt gelten<br />

für Investorinnen und Investoren gleichermaßen.“<br />

DIE RICHTIGE ANSPRACHE IST ENTSCHEIDEND<br />

Wenn Frauen also nicht über spezielle Finanzprodukte<br />

für das Thema Geldanlage<br />

gewonnen werden sollen, wie dann?<br />

Studien zufolge ist es sinnvoll, wenn Finanzberater<br />

und -beraterinnen das gleiche<br />

Geschlecht haben wie die jeweilige Kundschaft.<br />

„Männliche Finanzberater und<br />

weibliche Klientel matchen nicht so gut,<br />

und zu 80 Prozent sind es eben Finanzberater“,<br />

sagt Niessen-Ruenzi.<br />

Diese These spricht damit durchaus für<br />

den Ansatz der DWS. Der Fonds wird ausschließlich<br />

von Frauen gemanagt, wodurch<br />

auf Investorinnen-Seite womöglich das nötige<br />

Vertrauen entstehen könnte, um den<br />

Schritt in Richtung Geldanlage zu wagen.<br />

„70 Prozent der Personen, die in der Reklame<br />

für Finanzprodukte auftauchen, sind<br />

Männer“, moniert die Wissenschaftlerin.<br />

Die implizite Botschaft dahinter: Die Welt<br />

der Finanzen ist eine Männerdomäne, mit<br />

dem Thema brauchen sich Frauen nicht zu<br />

beschäftigen. Deswegen müsse man ihnen<br />

über eine gezielte Ansprache signalisieren,<br />

dass es sich eben sehr wohl um ein wichtiges<br />

Thema für sie handelt. „Aber da geht<br />

es rein um die Kommunikation und nicht<br />

um die Produktebene.“<br />

Die Fondshäuser bemühen sich auf dieser<br />

Ebene unterschiedlich stark um die<br />

Aufmerksamkeit der Zielgruppe, allein die<br />

Frage bleibt: Welche Ansprache wäre geeignet?<br />

Der Vermögensverwalter DWS wirbt<br />

um Anlegerinnen mit Aussagen wie „Investieren<br />

mit Herz und Verstand“, verspricht<br />

eine „weibliche Perspektive“ und erklärt:<br />

Frauen „besitzen mehr Empathie. Das Herz<br />

spielt also eine größere Rolle.“ Frauen über<br />

die Gefühlsebene „einfangen“ zu wollen,<br />

führe bei Expertin Niessen-Ruenzi allerdings<br />

eher zu einer Abwehrhaltung: „Ich<br />

bin kein Freund der ‚typisch weiblichen<br />

Ansprache‘, weil dadurch die Geschlechterrollen<br />

zementiert werden.“ Allein der Verstand<br />

zähle auf dem Kapitalmarkt.<br />

Die DWS nutze „kundengruppenspezifische<br />

Ansprache“, so Produktspezialistin<br />

Kißner. „Das, was wir aus der Konsumwelt<br />

kennen, können und sollten wir auch<br />

auf die Finanzwelt übertragen“, sagt sie.<br />

Wenn diese Ansprache nun dazu führt, dass<br />

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