VERSICHERUNGEN Private Unfallversicherung ZÄHER KAMPF UMS NEUGESCHÄFT Schon seit Jahren stagniert die Verbreitung der privaten Unfallversicherung. Das hat mehrere Ursachen. Um den Vertrieb wieder anzukurbeln, kommen höchst unterschiedliche Strategien zum Einsatz. – TEXT: FLORIAN BURGHARDT – 52 Illustration: Roman Kulon
Private Unfallversicherung VERSICHERUNGEN »Vermittler und Versicherer müssen gemeinsam verstärkt die Unterschiede der pUV zur GUV herausstellen.« HELMUT WAGNER, HAFTPFLICHTKASSE Zwei Fahrradfahrer stoßen zusammen und stürzen heftig, oder ein glückloser Heimwerker trennt sich mit der Stichsäge den Daumen ab. Entsteht aus solchen und anderen Szenarien eine bleibende Invalidität, hilft die private Unfallversicherung (pUV), zumindest finanziell. Mit diesem Leistungsversprechen hat sie es hierzulande auf über 25 Millionen Verträge gebracht. Doch schon seit Jahren stagniert die Nachfrage. 2<strong>02</strong>0 ging der Gesamtbestand an pUV- Verträgen laut GDV-Zahlen sogar um rund 300.000 zurück, von 25,8 auf 25,5 Millionen. Eigentlich lieferte das Pandemiejahr 2<strong>02</strong>0 zahlreiche neue Beratungsansätze zum Abschluss einer pUV. Die plötzlich großflächige Arbeit im Homeoffice förderte zahlreiche Lücken im Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) zutage. Zwar wurden viele dieser Gefahren (zum Beispiel der Gang zur Toilette) mittlerweile in den Schutz der GUV mit aufgenommen. Doch im Freizeit- und Sportbereich gibt es weiterhin zahlreiche Ansätze. Aufgrund von Lockdowns und Reisebeschränkungen probierten viele Menschen neue Sportarten im Freien, wie Klettern oder Kanufahren, aus. Die Verkaufszahlen von Motorrädern und E-Bikes stiegen sprunghaft an, und Heimwerkerprojekte wurden angepackt – sehr wahrscheinlich nicht immer mit professionellen Sicherheitsvorkehrungen. BIS ZU 5 PROZENT BESTANDSVERLUST Doch bei den meisten Unfallversicherern fruchteten diese Ansätze offenbar nicht. Allianz, Ergo, Signal Iduna, Generali und Axa büßten 2<strong>02</strong>0 jeweils zwischen 25.000 und 75.000 Policen ein und verloren damit bis zu 5 Prozent ihrer Bestände. Doch woher rührt diese Entwicklung? Die Generali hat eine Beantwortung unsere Anfrage explizit abgelehnt. Die anderen vier Spartengrößen gaben sich hingegen auskunftsfreudiger. Konkret gaben Axa, Signal Iduna und Allianz an, dass bei ihren deutlichen Vertragseinbußen Unfallversicherungen mit Beitragsrückgewähr (UBR) eine große Rolle spielten. Bei diesen Verträgen beinhaltet der Beitrag neben einem Risiko- auch einen Sparanteil. Dieser wird, häufig über eine lange Laufzeit, parallel zum bestehenden Unfallschutz angelegt. Durch die erwirtschafteten Zinsen, die inklusive Sparanteil zum Vertragsende ausgezahlt werden, war der Unfallschutz idealerweise gratis. Früher wurden solche Policen deutlich häufiger abgeschlossen, aber heute – so der Tenor der drei Versicherer – seien UBR- Policen unattraktiv geworden. Das liege vor allem am mittlerweile auf 0,25 Prozent gesunkenen Höchstrechnungszins. Solche Verträge kommen nun nicht mehr nach, würden aber in großen Stückzahlen auslaufen. Immerhin noch rund 7,5 Prozent betrug ihr Anteil, laut GDV, am Gesamtbestand aller pUV-Verträge. UBR MIT IMAGEPROBLEM?! Dass kaum noch neue UBR-Policen nachkommen, liegt auch daran, dass diese unter freien Vermittlern kein besonders hohes Ansehen genießen. Makler Stefan Bierl beispielsweise lehnt die Vermittlung von UBR- Policen komplett ab, da es sich dabei aus seiner Sicht um versteckte Rentenpolicen handelt (siehe „Maklers Meinung“). Im Interview sagte er <strong>procontra</strong> zudem, die aufgrund der Sparanteile oft jahrzehntelangen Vertragslaufzeiten raubten der Unfallpolice ihre Flexibilität. Bierl setzt hingegen auf leistungsstarke Bedingungen und hat sich selbst hohe Mindeststandards für die Vermittlung gesteckt. Genügend gute Tarife würden ihm dennoch zur Auswahl für seine Kundenberatung bleiben, denn die Unfallversicherer bzw. die gesamte SHU-Sparte würde sich in der jüngeren Vergangenheit regelrecht überschlagen, was Leistungsverbesserungen anbelangt. Das kann als Indiz dafür gelten, dass die Zukunft der pUV in der reinen Risikoabsicherung liegt und man nur noch auf diesem Weg an bedeutendes Neugeschäft herankommt. MAKLERS MEINUNG »UBR-Policen lehnen wir ab« STEFAN BIERL, Finanzberatung Bierl Bei der Auswahl von privaten Unfallversicherungen für unsere Kunden haben wir selbst zwölf Kriterien festgelegt, die von uns vermittelte Verträge erfüllen müssen. Sechs davon sind Leistungsauslöser bzw. Ursachen, die wiederum den tatsächlichen Unfallvorgang hervorrufen. Schließlich kann der Moment, in dem jemand die Kontrolle über sein Auto verliert, vielfältige Gründe haben. Für uns sind das Infektionskrankheiten, die zum Beispiel durch einen Zeckenbiss oder Tetanus hervorgerufen werden können, und auch Impfschäden; Unfälle infolge von Bewusstseinsstörungen, bedingt durch Schlaganfall und Herzinfarkt oder auch durch Alkohol und ärztlich verordnete Medikamente; die Mitversicherung von Eigenbewegungen und erhöhter Kraftanstrengung; Sonnenbrand und Sonnenstich; Gesundheitsschäden durch Erfrierungen; Nahrungsmittelvergiftungen. Daneben dürfen Bergungskosten und Leistungen für kosmetische Operationen nicht zu knapp bemessen sein und psychische Störungen nach einem Unfall sowie ein möglichst geringer Mitwirkungsanteil von Vorschäden gehören in die Police. Auch eine sehr gute Gliedertaxe und lange Fristen für die Anmeldung von Invaliditätsansprüchen sind wichtig. Da die meisten Unfälle nur niedrige Invaliditätsgrade hervorrufen, sollte die Grundsumme min des tens 150.000 Euro betragen, als Inflationsausgleich kombiniert mit einer Beitragsdynamik. Policen mit Beitragsrückgewähr (UBR) lehnen wir ab, weil es sich dabei um versteckte Rentenversicherungen handelt. Zur Not hat man aber lieber eine UBR-Police mit starken Leistungen statt eines schwachen Solo-Vertrags. <strong>procontra</strong> <strong>02</strong> | 22 53