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procontra Ausgabe 02-2022 Preview

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pro/contra Renteneintrittsalter BERATER<br />

tenkasse und noch weniger Investitionsspielräumen kann auch<br />

niemand ernsthaft wollen. Steuererhöhungen in einem Land, dessen<br />

Steuerquote ein Rekordhoch erreicht hat und in dem über<br />

die Progression umverteilt wird wie kaum irgendwo anders, auch<br />

nicht.<br />

Also: Wo soll das Problem liegen, wenn die Menschen immer<br />

gesünder immer älter werden und einen Teil der gewonnenen<br />

Zeit dann auch arbeiten? Dabei ist Letzteres in den meisten Fällen<br />

auch nicht mit schrecklicher Fron und Qual gleichzusetzen,<br />

sondern mit Erfüllung und Teilhabe verbunden. Die automatische<br />

Aufteilung des Zugewinns an Lebenserwartung in Arbeitszeit<br />

und Ruhestand ist nicht nur generationengerecht und fiskalisch<br />

notwendig, sondern leistet darüber hinaus auch einen wichtigen<br />

Beitrag, um den Fachkräftemangel abzumildern.<br />

Auf den ersten Blick scheint die Forderung plausibel: Die Menschen<br />

werden älter und sie bleiben länger fit – warum sollten<br />

sie dann nicht auch länger arbeiten? Weil der Schein trügt und<br />

pauschale Antworten auf pauschale Fragen selten gute Lösungen<br />

bieten.<br />

Denn tatsächlich leben längst nicht alle Menschen länger und<br />

sind länger fit, wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung<br />

im Auftrag des VdK im vergangenen Jahr gezeigt<br />

hat. Menschen, die wenig verdienen, sterben zum Beispiel<br />

fünf Jahre früher als Menschen, die viel verdienen. Wer hart körperlich<br />

oder psychisch belastend arbeitet, lebt drei Jahre kürzer<br />

als jene mit weniger anstrengenden Berufen.<br />

Verena Bentele, Präsidentin<br />

des Sozialverbands VdK<br />

MEHR ALS DREI MILLIONEN RENTNER VON ARMUT BEDROHT<br />

Schon heute stirbt jeder siebte Deutsche vor Erreichen des Rentenalters.<br />

Bei einer Rente mit 70 wäre das mehr als jeder fünfte.<br />

Und schon jetzt schafft es nur eine Minderheit der Beschäftigten,<br />

überhaupt in Vollzeit bis 65 Jahre zu arbeiten – von 67 Jahren<br />

ganz zu schweigen. Wer die Altersgrenze also noch weiter erhöht,<br />

kürzt diesen Menschen faktisch die Rente. Denn jeder Monat,<br />

den die Friseurin oder der Paketzusteller vorzeitig in Rente geht,<br />

kostet sie und ihn für den Rest ihres Lebens Geld. Da sie aber<br />

davon ohnehin eher weniger haben, bedeutet das für sie den<br />

sicheren Weg in die Altersarmut. Und falls mal wieder jemand<br />

behauptet, die gäbe es doch gar nicht in Deutschland: Mehr als<br />

drei Millionen Rentnerinnen und Rentner über 65 Jahre sind laut<br />

Daten des Europäischen Statistikamts von<br />

Armut bedroht. Fast ein Viertel der über<br />

80-Jährigen sind von Altersarmut betroffen,<br />

so eine Studie im Auftrag des Bundesseniorenministeriums<br />

im vergangenen<br />

Jahr.<br />

All das zeigt: Eine pauschale Erhöhung<br />

der Altersgrenze kann nicht die<br />

Lösung sein. Wer die gesetzliche Rente<br />

zukunftssicher und gerechter machen<br />

will, muss woanders ansetzen: Wir brauchen<br />

künftig mehr Menschen, die in die gesetzliche Rentenversicherung<br />

einzahlen. Von der Beamtin über den Selbstständigen bis<br />

hin zu Politikerinnen und Politikern sollten alle Erwerbstätigen<br />

Teil dieses Solidarsystems sein. Auch der Anteil der Vollzeit arbeitenden<br />

Frauen ließe sich erhöhen, wenn es endlich genügend<br />

gute Kinderbetreuung gäbe. Der Mindestlohn muss außerdem bei<br />

mindestens 13 Euro liegen, denn nur ab diesem Betrag kommt<br />

bei einem Vollzeitjob eine Rente oberhalb der Grundsicherung<br />

heraus.<br />

contra<br />

»Wir brauchen mehr Menschen, die in die<br />

gesetzliche Rentenversicherung einzahlen.«<br />

MEHR MEDIZINISCHE UND BETRIEBLICHE REHA-MASSNAHMEN NÖTIG<br />

Und: Damit mehr Menschen überhaupt bis 67 Jahre Vollzeit<br />

arbeiten können, brauchen wir mehr und bessere medizinische<br />

und betriebliche Reha-Maßnahmen. Viel zu oft erleben wir in<br />

den Rechtsberatungen des VdK, dass solche dringend benötigten<br />

Maßnahmen nicht bewilligt werden und mit unserer Hilfe erst<br />

mühsam erstritten werden müssen. Darum: Es ist möglich, die<br />

Rente zukunftssicher und gerechter zu machen – allerdings nicht<br />

mit einer pauschalen Erhöhung der Altersgrenze. <br />

Foto: VdK/Marlene Gawrisch<br />

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