Prophylaxe für jedes Lebensalter
Ausgabe 10/2021
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34<br />
Fortbildung<br />
Abbildungen: Dr. R. Santamaría<br />
Approximalkaries an Zahn<br />
74 distal. Diese Läsion ist so<br />
nicht suffizient zu reinigigen.<br />
Die Entfernung des überhängenden<br />
Zahnschmelzes<br />
(s. Abb. 2b und 2c) und Fluorid-applikation<br />
wäre hier<br />
eine Therapieoption.<br />
Abb. 2a Abb. 2b Abb. 2c<br />
Überhängender Zahnschmelz. Schematische Darstellung der Entfernung des überhängenden<br />
Zahnschmelzes <strong>für</strong> die Kariesinaktivierung. Klinisch nicht gut zugängliche Approximalkaries an<br />
Milchmolaren (a). Nach der Entfernung des überhängenden Zahnschmelzes (mittels Schleifer)<br />
sind die kariösen Läsionen mit Fluoridlack zu touchieren und auch die Plaqueentfernung zu Hause<br />
mittels Zahnbürste möglich.<br />
Milchgebiss gewandelt: So werden aufgrund neuer Erkenntnisse<br />
immer mehr biologisch basierte Therapieoptionen<br />
bevorzugt. Die sogenannte „vollständige Kariesentfernung“<br />
wird gerade bei pulpanahen Läsionen<br />
immer mehr in Frage gestellt (Schwendicke et al., 2016).<br />
Die (häusliche) Kariesinaktivierung bietet hier einen<br />
biologischen, ursächlichen Ansatz: Gerade bei offenen<br />
kariösen Defekten ohne irreversible pulpale Schädigung<br />
kann sie z. B. bei jüngeren Angstpatienten als<br />
non-invasive Kariestherapie ohne Bohren (Santamaría et<br />
al., 2015), Zange oder gar Narkose dienen (Hansen and<br />
Nyvad, 2017). Dabei sind regelmäßige Mundhygienemaßnahmen<br />
und eine risikogerechte Zufuhr an Fluoriden<br />
essentielle Bausteine der Therapie (Abb. 1).<br />
Die Kariesinaktivierung von approximal kariösen Läsionen<br />
bei Milchzähnen ist schwieriger, da diese i. d. R.<br />
nicht gut <strong>für</strong> die tägliche Mundhygiene zugänglich sind.<br />
Daher können diese Läsionen <strong>für</strong> eine Kariesinaktivierung<br />
in der Zahnarztpraxis oberflächlich z. B. mittels Schleifer<br />
eröffnet werden (vgl. Schema: Entfernung des überhängenden<br />
Zahnschmelzes, Abb. 2), um dort eine manuelle<br />
Plaqueentfernung durch das Zähneputzen und Fluoridierungen<br />
zu Hause bzw. in der Praxis zu ermöglichen. Ferner<br />
erhalten die Eltern exakte Mundhygiene- und Ernährungsinstruktionen<br />
sowie eine effektive Motivation zur entsprechenden<br />
Umsetzung. Das beinhaltet auch ein Putztraining<br />
und Anwendung von Techniken im Rahmen der sprechenden<br />
Zahnmedizin wie „motivational interviewing“ (Miller<br />
and Moyers, 2017). Bei dieser nicht-restaurativen Kariestherapie<br />
wird im Gegensatz zu den Standardfüllungen<br />
das Kariesmanagement bewusst auf die Patientenebene<br />
verlagert, da nur durch die manuelle Störung des Biofilms<br />
(also das Putzen) der chronische Kariesprozess gestoppt<br />
werden kann und somit eine Inaktivierung von Karies erfolgt<br />
(Kidd and Fejerskov, 2013). In diesem Falle ist nicht<br />
zwingend eine restaurative Therapie notwendig, kann aus<br />
ästhetischen oder funktionellen Gründen aber sekundär<br />
bei inaktiven Läsionen erfolgen.<br />
Die zentrale Zielsetzung dieser Kariestherapieoption<br />
(Kariesinaktivierung) besteht folglich darin, das chronische<br />
Ungleichgewicht durch eine Reduktion der Demineralisationsfaktoren<br />
und eine Verbesserung der Remineralisation<br />
zu kompensieren, was die Eltern durch das<br />
Nachputzen der Kinderzähne mit fluoridhaltiger Zahnpasta<br />
selbst durchführen. Eigene Auswertungen haben<br />
gezeigt, dass die häusliche Kariesinaktivierung kombiniert<br />
mit regelmäßigen Fluoridlackapplikationen in der<br />
Praxis selbst bei Kariesrisikokindern genauso erfolgreich<br />
war wie die approximale Kompomerfüllung (Santamaría<br />
et al., 2018), was sich mit der internationalen Literatur<br />
deckt (Peretz and Gluck, 2006; Schmoeckel et al., 2020).<br />
Silberfluoridprodukte. Neben der Kariesinaktivierung<br />
über das tägliche Zähneputzen ist auch eine Kariesinaktivierung<br />
über die Applikation von Silberfluorid<br />
(SF)/Silberdiaminfluorid (SDF) möglich. In den letzten<br />
Jahren erregte insbesondere SDF unter den fluoridhaltigen<br />
Substanzen bei Forschern und Zahnärzten große<br />
Aufmerksamkeit. Die Fähigkeit von SDF, das Fortschreiten<br />
kariöser Läsionen zu hemmen und gleichzeitig<br />
die Bildung neuer kariöser Läsionen zu verhindern,<br />
unterscheidet diese Substanz von anderen Substanzen in<br />
der Kariesprävention wie z. B. Natriumfluorid (5 Prozent)<br />
(Rosenblatt et al., 2009).<br />
Die SDF-Lösung besteht aus Diaminsilberionen und<br />
Fluoridionen, welche den Demineralisierungsprozess<br />
und den Abbau von Dentinkollagen verhindern und zusätzlich<br />
die Remineralisierung von kariösem demineralisiertem<br />
Schmelz und Dentin fördern (Mei et al., 2013a).<br />
SDF besitzt zudem antibakterielle Eigenschaften, die<br />
innerhalb der bakteriellen Mikroflora ihre Wirkung entfalten<br />
(Mei et al., 2013b). Ein kürzlich durchgeführtes<br />
systematisches Review ergab, dass SDF das Wachstum<br />
kariogener Bakterien inhibiert (Zhao et al., 2018).<br />
Wissenschaftlich wurde bereits eindeutig belegt, dass<br />
kavitierte kariöse Läsionen durch die halbjährliche Ap-<br />
ZBW 10/2021<br />
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