Prophylaxe für jedes Lebensalter
Ausgabe 10/2021
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Praxis 45<br />
Urteil des Bundeverwaltungsgerichts zu Fixretainern<br />
Linke Tasche, rechte Tasche<br />
Die seit Inkrafttreten der GOZ 2012 zwischen Zahnärzten und<br />
Kostenerstattern schwelende und mit zahlreichen Urteilen begleitete<br />
Auseinandersetzung zur Kostenerstattung der Fixretainer fand mit<br />
dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5.3.2021 ihr Ende –<br />
noch steht offen, ob eine Entscheidung des BGH gesucht wird.<br />
Das Bundesverwaltungsgericht befand,<br />
dass es sich bei der Eingliederung<br />
des festsitzenden Retainers<br />
zwar nicht um einen methodisch<br />
notwendigen Bestandteil, aber um<br />
eine besondere Ausführung<br />
der GOZ-Nummern<br />
6030 bis 6080 (Kernpositionen)<br />
handele. Der fachkundige<br />
Zahnarzt kann<br />
darüber nur den Kopf<br />
schütteln, denn die Richter<br />
verwechseln die in den<br />
Kernpositionen beschriebene<br />
Behandlungsleistung<br />
„Retention“ mit dem<br />
Behandlungsgerät. Aber<br />
das ändert nichts, die gesonderte<br />
Berechnung des<br />
Fixretainers ist obsolet geworden.<br />
Reichweite des Urteils. Allerdings<br />
nicht ganz, denn die Beschränkung<br />
gilt nur innerhalb des<br />
Vier-Jahreszeitraums der Kernpositionen.<br />
Außerdem wird nicht jede<br />
KFO-Behandlung mit Kernpositionen<br />
berechnet. Dazu zählen natürlich<br />
die Behandlungen von gesetzlich<br />
versicherten Patienten. Außerdem<br />
Privatpatienten, bei denen<br />
lediglich ein Fixretainer repariert<br />
oder erneuert wird. Schließlich können<br />
bei einer KFO-Behandlung anstelle<br />
der Kernpositionen die GOZ-<br />
Nummern 6190 bis 6260 und 6090<br />
angesetzt werden, bei denen die Beschränkung<br />
ebenfalls nicht gilt.<br />
Umgang mit dem Urteil. Und<br />
auch beim Ansatz von Kernpositionen<br />
gibt es Auswege: Gilt die<br />
medizinische Notwendigkeit zum<br />
Eingliedern eines Fixretainers, so<br />
fordert das Urteil geradezu auf, die<br />
Kosten in die Kernpositionen einzurechnen.<br />
Die Kosten wandern sozusagen<br />
von der linken in die rechte<br />
Tasche, indem sie nicht mehr gesondert<br />
als Behandlungsgerät berechnet<br />
werden, sondern in gleicher Höhe<br />
Fixretainer. Das neue Urteil des Bundesverwaltungsgerichts<br />
bedeutet <strong>für</strong> die Praxen viel Aufklärungsarbeit.<br />
kostensteigernd den Kernpositionen<br />
zugeschlagen werden. Die Steigerungsfaktoren<br />
der Kernpositionen<br />
steigen dadurch meist zwangsläufig<br />
über 3,5, weshalb die Kosten nach<br />
§ 2 Abs. 1 und 2 GOZ mit dem Patienten<br />
zu vereinbaren sind. Dennoch,<br />
nach den leidvollen Erfahrungen mit<br />
der mangelnden Stabilität ihrer eigenen<br />
Zahnstellung, sind die Eltern<br />
der jungen Patienten ebenso wie<br />
erwachsene Patienten inzwischen<br />
nur noch ausnahmsweise bereit, am<br />
Ende der aktiven Behandlung auf<br />
Fixretainer zu verzichten.<br />
Praktische Hinweise. Während<br />
<strong>für</strong> neue Heil- und Kostenpläne die<br />
Anhebung der Steigerungsfaktoren<br />
alternativlos ist, stellt sich bei<br />
bereits laufenden Fällen die Frage<br />
nach dem Umgang mit dem Urteil.<br />
Gemäß § 5 GOZ ist der Steigerungsfaktor<br />
einer Leistung unter<br />
Berücksichtigung der Schwierigkeit<br />
und des Zeitaufwandes bei der Ausführung<br />
zu bemessen. Zeigt sich<br />
am Ende der aktiven Behandlung,<br />
dass ein Fixretainer erforderlich<br />
wird, ist dieser beim Bemessen des<br />
Faktors zu berücksichtigen. Sind<br />
bereits Teilzahlungen auf die Kernpositionen<br />
geleistet worden, sind<br />
diese auf die neu berechnete höhere<br />
Summe anzurechnen. Bei längeren<br />
Behandlungen, die über die vierjährige<br />
Laufzeit der in Ansatz genommenen<br />
Kernpositionen hinaus<br />
andauern, kann ggf. auf<br />
den erneuten Ansatz von<br />
Kernpositionen verzichtet<br />
und stattdessen auf die<br />
GOZ-Nummern 6190 ff.<br />
bzw. 6090 ausgewichen<br />
werden. Dann können<br />
Fixretainer wie bisher gesondert<br />
berechnet werden.<br />
Foto: AsobeStock/Dirk<br />
Fazit. Die Konsequenz<br />
aus dem Urteil bedeutet<br />
<strong>für</strong> die Praxen viel Aufklärungsarbeit<br />
gegenüber<br />
dem Patienten und ein<br />
Umdenken der Abrechnungsphilosophie.<br />
Für<br />
den Patienten wird eine KFO-Behandlung<br />
in Zukunft dadurch (linke<br />
Tasche/rechte Tasche) insgesamt<br />
nicht teurer, aber wegen der höheren<br />
Steigerungsfaktoren <strong>für</strong> die Kernpositionen<br />
könnte die Erstattungshöhe<br />
durch die Kostenerstatter geringer<br />
ausfallen. Das Unbehagen über den<br />
Spruch der Verwaltungsrichter dürfte<br />
bei PKV und Beihilfe gleichermaßen<br />
<strong>für</strong> Katerstimmung sorgen, denn<br />
ihr erstrittenes Urteil im Verein mit<br />
ihren selbst auferlegten Erstattungsobergrenzen<br />
wirft <strong>für</strong> alle sichtbar<br />
ein Schlaglicht darauf, wie dysfunktional<br />
diese Gebührenordnung nach<br />
33 Jahren ohne Anpassung an den<br />
wissenschaftlichen Fortschritt <strong>für</strong><br />
die Kostenerstattung von kieferorthopädischen<br />
Behandlungen geworden<br />
ist: Der werbewirksame Begriff<br />
„Vollversicherung“ wird nun noch<br />
mehr ausgehöhlt!<br />
Autorenteam des<br />
GOZ-Ausschusses der LZK BW<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW 10/2021