Prophylaxe für jedes Lebensalter
Ausgabe 10/2021
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Fortbildung 35<br />
Indikationen<br />
– aktive kavitierte kariöse Läsionen an Milchmolaren<br />
auf jeder koronalen Oberfläche von Milchzähnen oder<br />
bleibenden Zähnen<br />
– caries media<br />
– Zähne ohne Anhalt auf pulpale Beteiligung<br />
Kontraindikationen<br />
- caries profunda mit dem Risiko pulpaler Komplikationen<br />
- irreversible Pulpitis<br />
- Pulpanekrose, Fistel, Abszess<br />
- apikale bzw. interradikuläre Aufhellung oder<br />
pathologische Wurzelresorption<br />
Silberdiaminfluorid. Indikationsstellung bei der Anwendung von Silberdiaminfluorid (SDF) auf Zahnebene (Tabelle 1).<br />
Zusammenstellung: Dr. Schmoeckel<br />
plikation von 38 Prozent SDF-Lösung im Vergleich zur<br />
Anwendung von 5-prozentigem NaF-Lack besser inaktiviert<br />
werden. Insgesamt wurden bereits mehr als 10 randomisierte<br />
klinische Studien veröffentlicht (Horst, 2018;<br />
Mei et al., 2018), in welchen die Effektivität von SDF<br />
analysiert wurde. Des Weiteren wurden die Pharmakokinetik<br />
(Vasquez et al., 2012) und die Reaktion der Gingiva<br />
bei der Anwendung von SDF untersucht (Castillo et<br />
al., 2011). Zusammenfassend heißt das, dass im Rahmen<br />
dieser Studien nicht nur die Effektivität von SDF verifiziert,<br />
sondern auch keine signifikanten Nebenwirkungen<br />
bei der Anwendung dieses Produktes aufgetreten sind.<br />
Im Jahr 2014 wurde SDF von der „US Food and Drug<br />
Administration“ zur Kariesinaktivierung und Behandlung<br />
von Zahnüberempfindlichkeit zugelassen (US food<br />
and drug administration, 2017). In Deutschland wird<br />
SDF allerdings bis jetzt hauptsächlich als Desensibilisierungsmittel<br />
bei überempfindlichen Zähnen angewandt<br />
(Riva-Star®). Es ist zu beachten, dass in Deutschland <strong>für</strong><br />
dieses Produkt Karies als Kontraindikation aufgeführt<br />
wird und eine Anwendung daher „off-label“ passiert. Für<br />
einen kurzen Überblick sind in Tabelle 1 die in der Forschungsliteratur<br />
(Slayton et al., 2018) beschriebenen Indikationen<br />
und Kontraindikationen bei der Anwendung<br />
von SDF auf der Zahnebene zusammengefasst.<br />
Dank diesem (modernen) biologischen geprägtem<br />
Ansatz zur Behandlung kariöser Milchzähne ist es möglich,<br />
Dentinkaries ohne Kariesexkavation zu inaktivieren<br />
(Abb. 3). Auf diese Weise kann sowohl die Inaktivierung<br />
als auch die Remineralisierung kavitierter kariöser Läsionen<br />
erreicht werden, auch wenn die nötige Mitarbeit von<br />
Eltern und Kindern beim häuslichen Zähneputzen nicht<br />
erreicht wird und/oder die Kooperation <strong>für</strong> eine konventionelle<br />
restaurative Therapie auf dem Zahnarztstuhl (aufgrund<br />
von geringem Alter oder Angst) ungenügend ist.<br />
Im Übrigen ist diese Therapieoption auch im bleibenden<br />
Gebiss anwendbar, so ergeben sich beispielsweise auch in<br />
der Seniorenzahnmedizin Anwendungsbereiche (z. B. bei<br />
Wurzelkaries oder Karies bei pflegebedürftigen Patienten).<br />
Entsprechend der primär aufgeführten Indikation von<br />
Silberfluoridprodukten kann dieses auch zur Desensibilisierung<br />
von hypersensiblen MIH-Zähnen genutzt werden.<br />
Eine später folgende zahnärztliche Behandlung (z. B. Versiegelung,<br />
Füllung oder Stahlkrone) ist dann meist einfacher<br />
(Abb. 4), ebenso ist die Wirksamkeit der Lokalanästhesie<br />
an nicht mehr hypersensiblen Zähnen verbessert.<br />
Selektive Kariesentfernung. Der Begriff der Kariesentfernung<br />
ist, wie oben bereits angedeutet, etwas irreführend,<br />
weil nur kariös verändertes Dentin entfernt<br />
werden kann, während der kariöse Prozess des chronischen<br />
Mineralverlustes aus Zahnhartsubstanzen davon<br />
unberührt bleibt. Auch wenn diese Unterscheidung eher<br />
semantisch erscheint, sind die Folgen <strong>für</strong> Kariespräventi-<br />
Info<br />
Abb. 3a<br />
Abb. 3b<br />
Kariesinaktivierung. Aktive kariöse Läsionen an den Milchmolaren im Unterkiefer bei einem mäßig kooperativem 4-jährigem<br />
Kind ohne berichtete Schmerzsymptomatik vor der Applikation mit Riva-Star® (a). Zwei Monate später sind diese<br />
kariösen Läsionen deutlich inaktiviert (b). Eine entsprechende Aufklärung über die off-label Verwendung, Nutzen, Risiken<br />
und Alternativen ist selbstverständlich erfolgt und eine Entscheidung <strong>für</strong> diese Therapieoption wurde mittels informierter<br />
Zustimmung getroffen (Patientenrechtegesetz).<br />
Fotos: Dr. J. Schmoeckel<br />
www.zahnaerzteblatt.de<br />
ZBW 10/2021