procontra Ausgabe 02/2023
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pro/contra VERSICHERUNGEN | 47<br />
und Lebensziele, sie helfen rechtzeitig<br />
Absicherungs- und Versorgungslücken<br />
zu erkennen und übernehmen die<br />
Lotsenfunktion mit Blick auf die<br />
unterschiedlichen Vorsorgelösungen.<br />
Wichtig: Bei der Bürgerrente handelt es<br />
sich nicht um einen fertigen Produktvorschlag.<br />
Sie ist vielmehr ein Konzept, wie<br />
die staatlich geförderte Altersvorsorge<br />
ausgestaltet sein sollte. Den Rahmen<br />
dafür muss die Politik bestimmen. Das<br />
heutige System ist rund 20 Jahre alt,<br />
ohne grundlegende Änderung bisher.<br />
Eine zeitgemäße Weiterentwicklung ist<br />
schon lange überfällig.<br />
contra<br />
Mit Skepsis begegnet der Bundesverband<br />
Deutscher Versicherungskaufleute<br />
(BVK) den Plänen, ein neues Altersvorsorgeprodukt<br />
unter dem Namen „Bürgerrente“<br />
einzuführen. Seit über zwei<br />
Jahrzehnten sorgen rund 16 Millionen<br />
Vorsorgesparer fürs Alter mit Riester-<br />
Renten vor. Jetzt ein neues System<br />
einzuführen, würde diese Menschen<br />
vor den Kopf stoßen und das Signal aussenden,<br />
dass das private Altersvorsorgesystem<br />
versagt hat. Das könnte dazu<br />
führen, dass sich Kunden vollends von<br />
der privaten Vorsorge verabschieden.<br />
Bedenklich ist auch, dass die „Bürgerrente“<br />
als ein Standardprodukt von der<br />
Stange konzipiert ist. Dieses kann aber<br />
den vielen individuellen Lebenslagen<br />
von Menschen nicht entsprechen, was<br />
zur Folge hätte, dass viele mit einem<br />
Vertrag vorsorgen würden, der ihren<br />
Wünschen und ihrer Lebenslage gar<br />
nicht entspricht. Auch das hätte gravierende<br />
Folgen für die Akzeptanz und das<br />
Vertrauen.<br />
Digitale Vertriebswege bringen<br />
das Fass zum Überlaufen<br />
Da nutzt auch der Vorschlag nichts, dass<br />
jede privat eingezahlte Euro mit<br />
weiteren 50 Prozent vom Staat bezuschusst<br />
werden soll. Doch so spendabel<br />
soll die „Bürgerrente“ auch wiederum<br />
nicht sein. Denn die förderfähigen<br />
Beiträge werden bis zu 4 Prozent der<br />
Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen<br />
Rentenversicherung begrenzt.<br />
Dass sogar auch beratungslose digitale<br />
»Einem Verbraucherschutzgedanken,<br />
wonach kein Vertrieb<br />
ohne Beratung<br />
stattfinden dürfe,<br />
entspricht das in<br />
keiner Weise.«<br />
Michael H. Heinz,<br />
Präsident des Bundesverbands<br />
Deutscher Versicherungskaufleute<br />
Vertriebswege möglich sein sollen, ist<br />
der Tropfen, der das Fass überlaufen<br />
lässt. Einem Verbraucherschutzgedanken,<br />
wonach kein Vertrieb ohne<br />
Beratung stattfinden dürfe, entspricht<br />
das in keiner Weise.<br />
Statt eines neuen, ungewissen Konstrukts<br />
möchten wir die Chancen der<br />
Riester-Rente ausbauen, um sie<br />
einfacher und renditestärker zu<br />
machen. Man könnte ihr umständliches<br />
Zulagenverfahren entbürokratisieren,<br />
die Förderzulagen inflationsbereinigt<br />
dynamisieren. Auch die 100-prozentige<br />
Beitragsgarantie könnte abgesenkt<br />
werden und somit den Anbietern<br />
ermöglichen, bessere Ertragsoptionen<br />
an den Kapitalmärkten zu nutzen.<br />
Die Deckelung der steuerlichen Höchstfördergrenze<br />
von Altersvorsorgebeiträgen<br />
könnte außerdem angehoben<br />
werden. Für eine Reform der Riester-<br />
Rente wäre die Öffnung für weitere<br />
Bevölkerungsgruppen eine sinnvolle<br />
Option. Und Geringverdiener würde die<br />
Anhebung des Schonvermögens bei<br />
privaten Renten motivieren, ihr knappes<br />
Geld fürs Alter beiseitezulegen.<br />
All diese Vorschläge ließen sich hier und<br />
heute anwenden. Hier gilt es ein<br />
Potenzial von 16 Millionen Vorsorgesparerinnen<br />
und -sparern zu heben. Dafür<br />
unterbreitete der BVK der „Fokusgruppe<br />
private Altersvorsorge“ des Bundesministeriums<br />
der Finanzen konstruktive<br />
Vorschläge. Die Politik müsste nun nur<br />
den Mut haben, die totgesagte Riester-<br />
Rente zu reformieren.<br />
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