faktor Sommer 2023
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mensch<br />
IN IHRER 2010 ABGESCHLOSSENEN Dissertation untersuchte<br />
sie, welche völker- und europarechtlichen Vorgaben<br />
es für den Rechtsschutz in Umweltan gele genheiten<br />
gibt. Seitdem hat sie das Thema Umweltrecht nicht mehr<br />
losgelassen. Damals hätten sich nur wenige Juristen mit<br />
solchen Fragestellungen beschäftigt, so Schwerdtfeger.<br />
Dies habe sich spätestens mit dem Klimabeschluss des<br />
Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 geändert:<br />
„Das war ein bahnbrechender Beschluss.“ Allerdings sei<br />
dieser oft falsch interpretiert worden. Die Karlsruher<br />
Richter hätten kein „Recht auf Klimaschutz“ postuliert,<br />
sondern eine neue Rechts konstruktion entwickelt.<br />
Die Göttinger Jura-Professorin sieht es als ihre Aufgabe<br />
an, diese Konstruktion so zu erklären, dass auch Nichtjuristen<br />
sie verstehen und daraus Schlussfolgerungen für<br />
die Klimapolitik ziehen können. Die Karlsruher Richter<br />
hätten „um die Ecke“ gedacht, erläutert sie. „Das Bundesverfassungsgericht<br />
hat das damals aktuelle Klimaschutzgesetz<br />
für teilweise verfassungswidrig erklärt und<br />
vom Gesetzgeber Nachbesserungen verlangt, weil den<br />
jungen Beschwerdeführenden sonst zukünftig unangemessene<br />
Freiheitsbeschränkungen drohen.“ Daraus ergebe<br />
sich zwar, dass die Politik mehr Anstrengungen<br />
beim Klimaschutz unternehmen müsse, das Gericht habe<br />
aber zu Recht keine konkreten Maßnahmen vorgegeben.<br />
UM EIN BEWUSSTSEIN DAFÜR ZU SCHAFFEN, dass<br />
beim Klimaschutz auch Rechtsfragen bedacht werden<br />
müssen, engagiert sie sich auch außerhalb der Universität.<br />
Gemeinsam mit einer Schulfreundin hat sie an einem<br />
Hildesheimer Gymnasium ein Kooperationsprojekt zum<br />
Thema ,Können wir Klimaschutz erstreiten?‘ geleitet.<br />
Die Jugendlichen setzten sich zwei Jahre lang mit den<br />
Chancen und Grenzen erneuerbarer Energien auseinander<br />
und gingen der Frage nach, inwieweit sich Klimaschutzmaßnahmen<br />
rechtlich durchsetzen lassen. Am<br />
Ende gab es ein simuliertes Gerichtsverfahren um die<br />
Genehmigung von Windkraftanlagen. Die Schüler konnten<br />
so erleben, welche gegenläufigen Interessen in einen<br />
Ausgleich miteinander gebracht werden müssen. „Sie<br />
bekamen eine Vorstellung davon, wie komplex die Zusammenhänge<br />
sind“, erklärt Schwerdtfeger, „und wie<br />
schwierig es ist, gute Lösungen zu finden.“<br />
Gemeinsam mit dem Politikwissenschaftler Professor<br />
Simon Fink hat sie außerdem in Göttingen ein vom<br />
Niedersächsischen Wissenschaftsministerium gefördertes<br />
Projekt organisiert, das sich mit Potenzialen und<br />
Grenzen der Bürgerbeteiligung bei der Klimawende beschäftigt.<br />
AUCH UNIVERSITÄTSINTERN engagiert sich die Professorin:<br />
Schwerdtfeger ist die erste Beauftragte für die<br />
Promo vierendenausbildung an der Juristischen Fakultät,<br />
Sprecherin der Göttinger Graduiertenschule Gesellschaftswissenschaften<br />
und beratendes Vorstandsmitglied im<br />
Zentrum für Globale Migrationsstudien. Kürzlich hat<br />
sie sich bei der Juristenfete als DJane betätigt: „Ich habe<br />
viel Musik aus den Achzigern gespielt.“<br />
In ihrer Freizeit ist sie vor allem sportlich aktiv.<br />
Die frühere Rollkunstläuferin liebt das Inlineskaten,<br />
wandert gern und joggt auf dem Wall. Auch den<br />
Brocken-Aufstieg hat sie schon mitgemacht. Ihre Entscheidung<br />
für Göttingen hat Angela Schwerdtfeger nie<br />
bereut: „In der jetzigen Lebensphase ist Göttingen genau<br />
der richtige Ort für mich.“ƒ<br />
Zur Person<br />
Angela Schwerdtfeger, geboren 1980 in Northeim, ist in<br />
Osterode aufgewachsen. Dort legte sie auch ihr Abitur ab.<br />
Danach studierte sie Jura in Trier, wo sie auch promoviert<br />
wurde. Anschließend arbeitete sie zunächst als Referendarin<br />
am Kammergericht Berlin und absolvierte Stationen unter<br />
anderem beim Bundesministerium für Wirtschaft und<br />
Energie und am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg.<br />
Nach dem Zweiten Staatsexamen folgte die Habilitationsphase,<br />
zunächst an der Friedrich- Schiller-Universität Jena,<br />
dann an der Berliner Humboldt- Universität.<br />
2017 erhielt sie die Lehrbefugnis und wurde 2019<br />
auf den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere<br />
Verwaltungsrecht, an der Uni Göttingen berufen.<br />
Ihre Schwerpunkte sind öffentliches Recht, Europa- und<br />
Völkerrecht, insbesondere Umwelt- und Klimaschutzrecht,<br />
Migrationsrecht und Grundrechtsschutz.<br />
2021 wurde sie nach ihrer Wahl durch den Landtag von<br />
Ministerpräsident Stephan Weil für sieben Jahre zum<br />
stellvertretenden Mitglied des Niedersächsischen<br />
Staatsgerichtshofs ernannt.<br />
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