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faktor Sommer 2023

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leben<br />

»Ich suche immer<br />

nach einem ganz<br />

bestimmten Klang.«<br />

Was passiert, wenn man dem<br />

Meeresrauschen lauscht und<br />

dabei in sich hineinhört? Wenn<br />

man an einem warmen Wintertag<br />

am Atlantik sitzt, die Füße<br />

im Sand und sich selber sagt:<br />

‚Ich werde hier erst aufstehen,<br />

wenn ich die Frage beantwortet habe: Wie soll der Rest<br />

meines Lebens aussehen?‘ Henning Mohr ist 50 Jahre<br />

alt, als er sich in seinen alten VW-Bus setzt und wie<br />

schon viele Male zuvor nach Portugal fährt. Nur wird er<br />

dieses Mal als ein anderer zurückkehren. Als ein Mann,<br />

der beschlossen hat, sein Leben zu ändern. „Ich habe gar<br />

nicht lange am Meer sitzen müssen – ich wusste nach ein<br />

paar Sekunden die Antwort“, sagt Mohr. „Ich werde<br />

Gitarren bauen.“<br />

Dass es herausfordernd sein wird, was er sich vorgenommen<br />

hat, ist ihm durchaus bewusst. Mohr hat sein<br />

Leben lang selbstständig gearbeitet. Mit Mitte Zwanzig<br />

eröffnet er seine Praxis als Heilpraktiker, bildet später<br />

auch angehende Heilpraktiker aus und verlegt Bücher zu<br />

diesem Thema – bis zu jenem Tag am Meer.<br />

Mittlerweile verkauft er bis zu 20 Gitarren pro Jahr –<br />

noch ausschließlich in Deutschland, doch das soll sich<br />

ändern. „Ich brauchte ein ambitioniertes Ziel, weil ich<br />

dazu neige, mich schnell zu langweilen“, sagt er nicht<br />

ohne Stolz.<br />

EINE KLINGEL HAT SEINE WERKSTATT NICHT. „Rufen<br />

Sie mich an, wenn Sie auf dem Hof sind“, erklärt Mohr<br />

freundlich am Telefon. Es wirkt wie ein Geheimtipp.<br />

Vorne an der Einfahrt ist das Firmenschild eines Malermeisters,<br />

aber kein Hinweis auf einen Gitarrenbauer.<br />

Auf dem Hinterhof angekommen, öffnet ein weißhaariger<br />

Mann mit Zopf und Brille die Tür. Er führt uns<br />

durch einen schmalen Gang in seine zwei Räume mit<br />

Werkbänken, großen Maschinen und einer Sitzecke mit<br />

einer alten Ledercouch. An den Wänden hängen halbfertige<br />

und fertige Gitarren und elektrische Bässe auf der<br />

einen Seite, auf der anderen lagern zugesägte Holzbohlen<br />

in deckenhohen Regalen. „Es gibt inzwischen kaum<br />

einen Ort, wo ich lieber bin“, sagt Mohr und zeigt, woran<br />

er gerade arbeitet: eine Gitarre für einen Göttinger<br />

Musiker, ganz nach dessen Wünschen.<br />

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