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faktor Sommer 2023

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leben<br />

Und: Kunst ist ein Spiegel des Lebens. Oder – wie Eriksen<br />

es nennt – „Selbstähnlichkeit“. Indem er ungewöhnliche<br />

Dinge in seinen Kunstwerken ungewohnt zusammenbringt,<br />

kann er eine Tür in eine neue Welt öffnen,<br />

durch die jeder auf seine Weise treten kann.<br />

„KÜNSTLER ENTWICKELN OFTMALS FRAGEN, die sonst<br />

keiner stellt. Sie entwickeln eine Perspektive, um es anders<br />

zu sehen“, sagt der Wahl-Göttinger. Und so ist auch<br />

das Buch der Zukunft ein Projekt, um stehen zu bleiben,<br />

Fragen zu stellen und sich selbst Antworten zu geben.<br />

Denn nicht nur Eriksen selbst gestaltet den Stein. Jeder,<br />

der Lust hat, seinen Anteil am Buch der Zukunft zu haben,<br />

kann ein Rundeisen und den Knüppel, ein typisches<br />

Bildhauerwerkzeug, in die Hand nehmen und sich in<br />

dem Stein verewigen. Allerdings wird dies beim ersten<br />

Mal nicht so rhythmisch gelingen, wie es dem Bildhauer<br />

von der Hand geht.<br />

Neben der aktiven Arbeit am Stein können Interessierte<br />

die Arbeit des Künstlers mit einer Patenschaft und<br />

Spende unterstützen oder ein Lesezeichen erwerben.<br />

Dieses Lesezeichen ist ein langes Stoffband, auf dem<br />

Eriksen den ganz persönlichen Wunsch für die Zukunft<br />

schreibt. „Es ist interessant, dass sich die Menschen eine<br />

friedliche, empathische, liebevolle oder loyale Zukunft<br />

wünschen – aber niemand Reichtum. Darüber sollte unsere<br />

Regierung mal nachdenken“, so der Bildhauer. Einen<br />

Teil des Geldes, das der Künstler einnimmt, wird er<br />

an das Kinder- und Jugendhospiz in Göttingen spenden.<br />

An junge Menschen, denen nur eine kurze Zukunft<br />

bleibt. „Denn eine schöne Zeit ist immer auch eine zeitlose<br />

Zeit“, sagt er.<br />

ER IST NICHT EINER JENER KÜNSTLER, die zurückgezogen<br />

in ihrem Atelier arbeiten. Eriksen sucht das Gespräch<br />

und möchte den Menschen die Schwellenangst<br />

nehmen. Auch aus diesem Grund ist das Buch der Zukunft<br />

nicht allein sein Projekt – es ist, so wie die Zukunft<br />

auch, ein Gemeinschaftsprojekt. Jeder Einzelne gestaltet<br />

bewusst oder unbewusst durch sein tägliches Tun die<br />

Zukunft mit. Ein kurzes Gedankenexperiment: Ein<br />

Mensch allein schafft es nicht, die 3,5 Tonnen vom Fleck<br />

zu bewegen. „Wenn es hingegen gelänge, 500 Menschen<br />

mit einer Hand an den Stein zu lassen, dann könnten alle<br />

zusammen diesen Stein bewegen“, sagt Eriksen. Daher<br />

kann sein abschließender Satz im Interview gar kein besserer<br />

Schluss sein: „Wir sind soziale Wesen und streben<br />

danach, viele Dinge gemeinsam zu tun. Und es wäre<br />

schön, wenn wir darauf achten, dass wir gute Dinge<br />

tun.“ ƒ<br />

Die Läuferin<br />

Im <strong>Sommer</strong> 2007 begann der<br />

Bildhauer die Arbeit an der Skulptur<br />

Die Läuferin am Göttinger Stadtwall.<br />

Ebenso wie das Buch der Zukunft<br />

war dies ein Gemeinschaftsprojekt<br />

mit den Menschen der Stadt.<br />

Eriksen hat dafür den Stadtwall vermessen<br />

und symbolisch Meter für<br />

Meter verkauft, um das Projekt zu<br />

finanzieren und mit den Menschen<br />

ins Gespräch zu kommen.<br />

Er wählte Die Läuferin,<br />

„um das weibliche Prinzip für das<br />

Gelingen langer Läufe in den Vordergrund<br />

zu stellen“.<br />

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