23.06.2023 Aufrufe

faktor Sommer 2023

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

mensch<br />

» Im Wald wird es jedes Jahr wieder Frühling.<br />

Es geht immer weiter. «<br />

ZUM INTERVIEWTERMIN öffnet eine junge, hochschwangere<br />

Frau die Tür ihrer Wohnung in einem Dorf<br />

nahe des Seeburger Sees. Kein Forsthaus aus Holz inmitten<br />

eines Waldes – um auch mit diesem Klischee aufzuräumen.<br />

Friederike Elisabeth Marciniak lebt in einer<br />

Vier-Zimmer-Wohnung mit ihrem Mann und ihren Jagdhunden.<br />

Schnell kommen wir ins Gespräch. Ihr Mann<br />

Dominik hatte von der Aktion von <strong>faktor</strong> zum Weltfrauentag<br />

gehört, bei welchem starke Frauen in der Wirtschaft<br />

gesucht wurde. Er schrieb heimlich eine lange,<br />

sehr liebevolle Mail an die Redaktion, über seine Frau,<br />

die seit 2021 seine Geschäftspartnerin und Teilhaberin<br />

der Wald & Jagd Marciniak GbR ist. Er selbst ist ebenfalls<br />

Förster. Bereits 2019 gründeten sie gemeinsam das<br />

Unternehmen – damals noch als Einzelunternehmen, da<br />

seine Frau noch studierte „Wir sind zwei gleichberechtigte<br />

Gesellschafter, die zufällig auch verheiratet sind“,<br />

sagt Friederike Marciniak augenzwinkernd.<br />

ALS ‚FAMILIENUNTERNEHMEN‘ betreut das Ehepaar<br />

die Waldflächen privater und kommunaler Waldeigentümer<br />

– das reicht von Gutachten bis zur Jagd. Forstwirtschaftliche<br />

Betreuung bedeutet jedoch auch vollständiges<br />

Management von der Planung der Pflanzungen über<br />

den Einschlag bis zum Verkauf des Holzes. Über 4.000<br />

Hektar Wald sowohl in der Region rund um Northeim<br />

und den Harz als auch in Nordrhein-Westfalen liegen<br />

derzeit in ihren Händen. Forsteinrichtungen führen sie<br />

in derzeit vier Bundesländern durch. Nicht selten werden<br />

sie nach ihrer Expertise gefragt – auch in der Presse.<br />

Denn der Wald ist derzeit in aller Munde. Erst der Borkenkäfer,<br />

der die Fichtenbestände reduziert hat, und<br />

dann die andauernde Trockenheit, die ihr Übriges tat,<br />

um bei einer Wanderung im Harz einen sterbenden Wald<br />

sichtbar zu machen. „Im Wald wird es jedes Jahr wieder<br />

Frühling. Es geht immer weiter“, sagt die gebürtige<br />

Duis burgerin voller Zuversicht. Natürlich entstehen<br />

durch die erzwungenen Ernten viele Freiflächen. Doch<br />

mit kreativen und innovativen Planungen steht der Wald<br />

vor einer ganz neuen Zukunft. Was viele Menschen jedoch<br />

nicht wissen. Mischwälder sind nicht der Urzustand<br />

unserer Waldflächen. Mischwälder brauchen<br />

Forstwirtschaft.<br />

Warum sie sich mit ihrem Mann entschieden hat, als<br />

Unternehmen in die private Forstwirtschaft zu gehen<br />

und Waldbesitzer bei der Erhaltung ihrer Wälder zu unterstützen,<br />

hat mehrere Gründe. Einer davon ist die<br />

Chance, Generationenarbeit zu leisten und mitzugestalten.<br />

Der Wald der Zukunft kann in ihren Augen keine<br />

Monokultur sein – egal welcher Baumart. Stattdessen<br />

setzen sie auf Risikostreuung. Das bedeutet zwei bis drei<br />

Baumarten pro Hektar mit gestaffelten Altersstrukturen<br />

der Bäume. Noch nie gab es in der Fortwirtschaft so<br />

viele Möglichkeiten der Gestaltung, unter anderem dadurch,<br />

dass so viele Baumarten zur Verfügung stehen.<br />

Bis zu 50.000 Bäume pflanzen sie allein bei einem Waldbesitzer<br />

pro Herbstpflanzung. „Wenn es nur eine Möglichkeit<br />

gäbe, wäre es ja einfach“, sagt die Försterin,<br />

„wichtig ist aber, auch Nadelholz zu pflanzen – denn das<br />

brauchen wir ganz sicher in Zukunft.“<br />

Und einfach, das weiß Marciniak, war ihr Weg nie.<br />

„Ich habe mich bis hierher ganz allein durchgeboxt“, erzählt<br />

sie von ihrem steinigen Werdegang. Nach ihrem<br />

Realschulabschluss erlangte sie das Fachabitur mit dem<br />

Schwerpunkt Gesundheit und Soziales. Familiär in diesem<br />

Bereich vorgeprägt – Mutter und Tante waren als<br />

Kinderkrankenschwestern tätig – begann sie im Anschluss<br />

daran, an der Hochschule für Gesundheit in<br />

Bochum Ergotherapie zu studieren. Als Kind einer Arbeiterfamilie<br />

war sie die Erste, die ein Abitur ablegte und<br />

ein Studium begann. Nach zwei Semestern stand jedoch<br />

der Entschluss fest, sich noch zu verändern. „Meine Familie<br />

hätte es lieber gesehen, wenn ich nach dem abgebrochenen<br />

Studium eine handfeste Ausbildung gemacht<br />

hätte. Doch nach einem Praktikum im Forst wusste ich,<br />

dass ich noch einmal studieren werde – aber dieses Mal<br />

das Richtige“, so die 29-Jährige.<br />

WOHER DIE FASZINATION FÜR DEN WALD und somit<br />

die Forstwirtschaft kommt, weiß sie nicht. Es gab nicht<br />

diesen einen, alles entscheidenden Moment oder eine<br />

Kindheit, die sie ausschließlich im Wald verbrachte.<br />

Letztlich ist es auch egal. Ihre Augen strahlen, wenn sie<br />

von ihrer Arbeit erzählt. Und das, obwohl sie als Frau in<br />

einer Männerdomäne, wie sie selbst sagt, immer etwas<br />

mehr „ihren Mann als Frau stehen“ muss. Was ihr bis-<br />

104 2 | <strong>2023</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!