faktor Sommer 2023
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leben<br />
LAUT SOLL SIE SEIN UND EINEN TIEFEN, vollen Klang<br />
haben – diese neue Gitarre, die im Moment noch in einem<br />
riesigen Schraubstock eingespannt ist. „Jeder Gitarrenbauer<br />
hat seine eigenen Rezepte“, sagt Mohr. Einiges,<br />
was er über die Jahre gelernt hat, gibt er regelmäßig in<br />
Workshop-Kursen weiter. Aus ganz Deutschland und sogar<br />
aus der Schweiz reisen Gitarristen an, um sich in<br />
Bovenden diesen Traum zu erfüllen.<br />
Drei E-Gitarren-Modelle und drei Bass-Modelle hat er<br />
standardmäßig zur Auswahl. Dazu kommen verschiedene<br />
Modelle akustischer Gitarren und sogenannte Lap-<br />
Steel- Gitarren, auch Hawaiigitarren genannt, mit Stahlsaiten.<br />
Anders als beim gewöhnlichen Gitarrenspiel wird<br />
sie vom sitzenden Spieler auf den Schoß (englisch lap)<br />
gelegt; die Saiten weisen nach oben.<br />
Nicht jeder möchte gleich in eine individuelle Maßanfertigung<br />
investieren. Denn eine Gitarre nach Maß kostet<br />
zwischen 2.700 und 4.500 Euro – je nachdem, für welches<br />
Holz und welche Hardware man sich entscheidet. Dafür<br />
fließen bis zu 120 Arbeitsstunden in ein Instrument. Inzwischen<br />
hat es sich außerdem herumgesprochen, dass<br />
man bei ‚Mohr‘ auch seine alten lieb gewonnenen Gitarren<br />
reparieren lassen kann. „Ich kriege viele Instrumente<br />
zu Gesicht, die ich vorher noch nie gesehen habe – die<br />
urigsten Sachen und sehr viele, sehr alte“, sagt der gebürtige<br />
Wolfsburger. Auch deshalb liebt er seinen Job.<br />
SEINE ALLERERSTE GITARRE, die er in seiner Werkstatt<br />
gebaut hat, hängt heute bei ihm zu Hause an der Wand.<br />
„Sie ist nicht schön. Man kann sie nicht verkaufen. Aber<br />
ich mag sie und spiele gerne auf ihr“, sagt er und schaut<br />
sich in seiner Werkstatt um. „Ich habe in meinem Leben<br />
viel Musik gemacht und habe daher ziemlich klare Vorstellungen<br />
vom Sound“, erzählt er weiter, während er<br />
eine Lap-Steel-Gitarre aus seiner Sammlung nimmt und<br />
sie sich auf den Schoß legt und spielt. Ein bisschen<br />
Hawaii. Ein bisschen Blues. Good old America. Überraschender<br />
Weise ist er einer der wenigen Gitarrenbauer,<br />
die zugleich Musiker sind. Noch heute spielt er in einer<br />
Band und testet dort seine neu entworfenen Gitarrenmodelle,<br />
ob sie sich beispielsweise mit ihrem Klang gegen<br />
ein Schlagzeug durchsetzen können. „Ich suche immer<br />
nach einem ganz bestimmten Klang“, sagt der Hobbymusiker.<br />
Er will es anders machen. Experimentiert.<br />
Bricht Regeln. Und sucht die Seele jeder einzelnen Gitarre,<br />
sucht den Sound, der bereits in ihm selbst schwingt.<br />
„Als ich vor mehr als dreißig Jahren mit dem Bau meiner<br />
ersten Gitarre anfing, suchte ich nach etwas Neuem.<br />
Ich wollte ein Instrument haben, das nicht so aussieht<br />
wie eine Paula oder Strat“, sagt Mohr. Unter Musikern<br />
sind diese Marken natürlich bekannt und werden von<br />
Liebhabern nicht nur erstanden, um gespielt zu werden,<br />
sondern auch als Wertanlage. Eine ‚Les Paul‘ von Gibson,<br />
liebevoll ‚Paula‘ genannt, kostet an die 5.000 Euro.<br />
Die meistverkaufte Gitarrenmarke der Welt ist die ‚Strat‘<br />
oder Fender Stratocaster. Sie ist zugleich die teuerste Gitarre<br />
aller Zeiten, die für 2,7 Millionen US-Dollar für<br />
einen karitativen Zweck versteigert wurde. Mick Jagger,<br />
Keith Richard, Eric Clapton, Paul McCartney und Sting,<br />
um nur einige zu nennen, haben sie signiert.<br />
MOHR IST STOLZ, DASS ER ES GESCHAFFT HAT. „Ich<br />
bin der beste Beweis, dass man keine Lehre braucht, um<br />
etwas zu erlernen“, sagt er – obwohl er gerne eine Ausbildung<br />
zum Zupfinstrumentenmacher gemacht hätte.<br />
Doch niemand wollte einen Fünfzigjährigen ausbilden.<br />
Also absolvierte er stattdessen mehrere Praktika in ganz<br />
Deutschland, lernte die notwendigen Arbeitsschritte<br />
und das Holz zu verstehen. „Alles hängt am Holz, absolut<br />
alles“, sagt er. „Die Länge der Fasern und die Dichte<br />
bestimmen, wie das Holz klingt.“ So verwendet Mohr<br />
für den Bau seiner Gitarren viele Hölzer, die im Gitarrenbau<br />
eher unüblich sind, wie Hainbuche, Eber esche<br />
oder Akazie.<br />
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