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wissen<br />

Ein Pflaster für<br />

das Herz<br />

Professor Wolfram-Hubertus Zimmermann hat am Universitätsklinikum Göttingen mit<br />

seinem Team ein Herzmuskelzell-Pflaster aus Stammzellen entwickelt, das Menschen mit<br />

Herzschwäche im Endstadium helfen soll. Die revolutionäre Technik hat in einer ersten<br />

klinischen Studie vielversprechende Ergebnisse geliefert.<br />

TEXT SVEN GRÜNEWALD<br />

FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA / UNIVERSITÄTSKLINIKUM SCHLESWIG-HOLSTEIN<br />

Es ist ein kleines medizinisches Wunder, in dem<br />

über 25 Jahre Forschungsarbeit stecken und<br />

das Menschen mit Herzschwäche ein längeres<br />

und deutlich normaleres Leben ermöglichen<br />

soll: das Herzpflaster aus dem Hause Zimmermann. Bei<br />

einer Herzschwäche sterben Teile des Herzmuskelgewebes<br />

und vernarben – da diese Zellen vom Körper nicht<br />

regeneriert werden können, verliert das Herz bei fortschreitender<br />

Krankheit nach und nach an Leistungsfähigkeit.<br />

Und genau da setzt das Herzpflaster an: „Wir<br />

bauen den Herzmuskel wieder auf“, erzählt Wolfram­<br />

Hubertus Zimmermann, Professor für Pharmakologie<br />

an der Universitätsmedizin Göttingen.<br />

Was heute möglich ist, hatte einen langen Vorlauf. In<br />

seiner Promotion in den 1990er-Jahren befasste sich Zimmermann<br />

bereits mit der Möglichkeit, aus Rattenzellen<br />

künstliches Herzgewebe herzustellen. Das Thema und die<br />

Technologie haben ihn nicht losgelassen. Als 1998 und<br />

2006 dann menschliche Stammzellen verfügbar wurden,<br />

die die Fähigkeit besaßen, in jedes Zell gewebe umgewandelt<br />

zu werden, wurden erstmals Verfahren denkbar, daraus<br />

menschliches Herzgewebe zu züchten.<br />

„MICH HAT DAS HERZ schon immer fasziniert“, sagt<br />

Zimmermann, „weil es ein Leben lang schlägt, ohne<br />

Pause, ohne dass Herzzellen erneuert werden. Ohne<br />

Herz kein Leben.“ Die Idee, Herzschäden durch das Einbringen<br />

künstlicher Zellen zu reparieren, entstand durch<br />

vielversprechende Versuche an der Ratte. „Daraus hat<br />

sich meine Ambition entwickelt, ein neues biologisches<br />

Reparaturverfahren für die Herzmuskelschwäche im<br />

Menschen zu entwickeln.“ Aus der Ambition ist eine<br />

Rea lität geworden.<br />

Zum Einsatz kommen Stammzellen, die 2<strong>01</strong>5 in den<br />

USA über eine Reprogrammierung von Nabelschnurblutzellen<br />

gewonnen wurden und universell als Ausgangsmaterial<br />

für alle Herzpflaster dienen. Diese Zellen<br />

werden dann im Zuge der Herstellung des Pflasters über<br />

von Zimmermann und seinen Mit arbeitern entwickelte<br />

Verfahren in Herzmuskel- und Herzbindegewebs zellen<br />

umgewandelt.<br />

DIE AUF DEN ERSTEN BLICK naheliegende Verwendung<br />

körpereigener Stammzellen eines jeden Patienten lässt<br />

sich derzeit nicht realisieren. Die Gründe sind vielfältig.<br />

Zum einen würde der Prozess der individualisierten Gewinnung<br />

und Reprogrammierung der Zellen bis zum<br />

fertigen Implantat rund zwei Jahre in Anspruch nehmen,<br />

was in einem Patientenkollektiv mit schwerer Herzschwäche<br />

trotz optimierter Behandlung keine Option<br />

ist: „Diese Gruppe an Patienten hat eine Sterblichkeit<br />

von 50 Prozent in einem Jahr“, so Zimmermann. Zum<br />

anderen kann es auch bei Eigengewebe zu Absto ßungsreak<br />

tionen kommen, und es kann nicht ausgeschlossen<br />

werden, dass sich in dem Gewebe ein Tumor ent wickelt.<br />

Entsprechend haben sich die „Stammzellen von der<br />

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