faktor_GOE_2024_01_KOMPLETT_BLÄTTERAUSGABE
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
interview<br />
INTERVIEW SVEN GRÜNEWALD<br />
FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
Was heißt Nachhaltigkeit für die Sparkasse Göttingen?<br />
Hirschlinger: Wir mussten 2<strong>01</strong>7 aufgrund gesetzlicher<br />
Auflagen erstmals einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen.<br />
Damit haben wir eine regulatorische Anforderung<br />
erfüllt. Nachhaltigkeit ist für uns aber mehr. Wir haben<br />
uns die Chancen bewusst gemacht, die mit Nachhaltigkeit<br />
verbunden sind. Über Jahre haben wir Wissen zum Thema<br />
Nachhaltigkeit aufgebaut und vertieft – ein stetiger<br />
Lernprozess, der weiterhin erforderlich ist. Wir haben<br />
Projekte durchgeführt und unser Geschäftsmodell mit<br />
Blick auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Es ist ein aufwendiger<br />
Weg, aber er lohnt sich. Ziel ist, dass wir 2035 klimaneutral<br />
sind, aber auch, dass wir unsere Kundinnen und<br />
Kunden auf ihrem Weg der Transformation begleiten.<br />
Nachhaltigkeit ist ein Change-Thema, das in der Chefetage<br />
anfängt.<br />
Maier: Wenn wir das als Führung nicht vorleben, bleibt<br />
es eine Pflicht und wird nicht zu einer Chance. Wir haben<br />
Nachhaltigkeit in unserer Unternehmensstrategie<br />
verankert und stehen als Vorstand zu dem Thema. Wir<br />
sehen die Chancen für uns in diesem Transformationsprozess.<br />
Aber wir müssen auch klar sagen: Obwohl wir<br />
uns schon seit Jahren mit dem Thema beschäftigen, gibt<br />
es immer noch vieles zu tun. Wir werden noch deutlich<br />
stärker unsere Mitarbeitenden in den Prozess einbinden<br />
und mitnehmen, weil eben nicht jeder nah an dem Thema<br />
dran ist. Und wir müssen auch weiterhin Überzeugungsarbeit<br />
leisten: Unsere Mitarbeitenden bilden einen<br />
Querschnitt der Gesellschaft ab, das heißt, es gibt solche,<br />
die das schon als ein Zukunftsthema auffassen und andere,<br />
die noch skeptisch sind.<br />
In welchen Bereichen findet sich das Thema Nachhaltigkeit<br />
in der Sparkasse?<br />
Hirschlinger: Das zieht sich wirklich durch unser gesamtes<br />
Haus. Nachhaltigkeit fängt ganz klassisch bei ökologischen<br />
Themen an – Verbräuche, Digitalisierung, Entwicklung<br />
eines Mobilitätskonzeptes. Wir haben zum<br />
Beispiel ein E-Bike-Leasing für Mitarbeitende und unterstützen<br />
das Deutschlandticket. Aber das Thema dringt<br />
auch ganz tief in das Risikomanagement oder das Management<br />
unserer Eigenanlagen ein. Auch die Frauenquote<br />
in leitenden Funktionen, gerechte Bezahlung oder<br />
familienfreundliche Arbeitszeiten sind Themen, die wir<br />
unter dem Aspekt Nachhaltigkeit betrachten. Es gibt<br />
eine Vielzahl an Themen, die man nicht sofort mit Nachhaltigkeit<br />
verbindet.<br />
Als wie groß würden Sie den Aufwand einschätzen, den<br />
die Nachhaltigkeitstransformation Ihnen abverlangt?<br />
Hirschlinger: Der Aufwand ist aktuell nur ganz schwer<br />
einzuschätzen, weil die Regulatorik uns vor weitere Herausforderungen<br />
stellt. Alle internen Bereiche sind davon<br />
betroffen. Zurzeit bin ich für die Koordination der Themen<br />
und die Berichterstellung zuständig. In Zukunft wird<br />
das nicht reichen. Wir stehen erst am Anfang des Prozesses.<br />
Maier: Allein die Regulatorik kostet uns schon im Jahr<br />
nahezu sechststellige Beträge an Personalkosten. Dazu<br />
kommt ein Vielfaches, wenn wir auf der Beraterseite unsere<br />
Leute ausbilden.<br />
Sie sprechen viel von Chancen für die Sparkasse – welche<br />
konkreten Chancen sehen Sie denn?<br />
Kopfnagel: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen zwingen<br />
inzwischen auch viele Kunden zum Handeln. Wir<br />
können durch unser Know-how eine Expertenfunktion<br />
einnehmen und unsere Kunden bei ihren Transformationsbemühungen<br />
begleiten. Das heißt, wir sehen uns<br />
verstärkt als Sparringspartner für einen echten Austausch<br />
in der Region. Wir wollen mehr netzwerken und<br />
im Firmenkundenbereich strukturiert an das Thema herangehen.<br />
Also zum Beispiel in Jahresgesprächen auch<br />
eine echte ESG-Beratung und einen Nachhaltigkeitscheck<br />
anbieten. Dafür haben wir intern ein Zertifizierungsprogramm<br />
für Nachhaltigkeitsberater gestartet.<br />
Maier: Viele Kundinnen und Kunden stehen jetzt an dem<br />
Punkt, an dem wir anfangs waren. Deswegen können<br />
wir auch für die kleinen und mittelständischen Unternehmen<br />
zum Lotsen werden. Die haben mit ihrem<br />
Tagesgeschäft in der Regel genug zu tun, sodass Transformationsthemen<br />
hinten runterfallen.<br />
Artmann: Im Immobiliengeschäft wird das Thema schnell<br />
greifbar: Der Energieausweis und damit der Energiestandard<br />
sind für die Vermietung von Immobilien zentral<br />
geworden. Auch der Eigenheimbesitzer muss schauen,<br />
wo er sparen kann. Kunden fragen deshalb häufig nach<br />
der Finanzierung von energetischen Sanierungsmaßnahmen.<br />
Für kleinere Maßnahmen haben wir daher hausintern<br />
ein eigenes Produkt geschaffen. Wir beobachten<br />
den Trend hin zu kleineren Krediten, die einen höheren<br />
Beratungsaufwand haben. Wir haben durch unsere<br />
Kompetenz die Chance, uns ganz neue Geschäftsfelder<br />
zu erschließen.<br />
1|<strong>2024</strong> 79