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Ausgabe 3/2010 - Deutsche Olympische Gesellschaft

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Der Rückgriff auf die jüngere Vergangenheit des Kap-Staates<br />

zeigt das besonders eindrucksvoll. Bis in die 80er Jahre hinein<br />

benutzte die von der Neun-Prozent-Minderheit der Weißen<br />

getragene Regierung den Sport zur Festigung und auch<br />

Rechtfertigung ihrer Politik der Rassentrennung (Weiße,<br />

Schwarze, Farbige, Asiaten). Seit 1963 galt als Regel der seit<br />

1956 per Gesetz betriebenen Apartheid: Nichtweiße dürfen<br />

mit Weißen keinen Sport treiben. Gemischte Auswahlmannschaften<br />

sind verboten. Jede Rasse bekommt ihren eigenen<br />

Sportverband. Nur Weiße dürfen Südafrika international<br />

repräsentieren, wie geschehen bis zu den <strong>Olympische</strong>n Spielen<br />

1960 in Rom.<br />

Als 1968 die Briten die Ungeheuerlichkeit besaßen, für die<br />

Wettkampfreise ihres Kricket-Teams auch einen nichtweißen<br />

Spieler zu nominieren, belegte Südafrikas Ministerpräsident<br />

John Vorster die Tournee mit einem Verbot. Dies und das<br />

Einreiseverbot des schwarzen amerikanischen Weltklasse-<br />

Tennisspielers Arthur Ashe beschleunigte die Isolation des<br />

südafrikanischen Sports durch Sanktionen und Boykotts. Die<br />

UNO führte eine "schwarze Liste" mit jenen Sportlern ein, die<br />

in Südafrika antraten oder gegen Südafrikaner angetreten<br />

waren. Unter mehr als 200 Namen befanden sich der deutsche<br />

Golfprofi Bernhard Langer und der österreichische<br />

Automobilrennfahrer Niki Lauda. Das IOC verbannte Südafrika<br />

1970 aus seinen Reihen, nach dem es Südafrika in Einzelentscheidungen<br />

die Teilnahme an den Spielen in Tokio (1964)<br />

und Mexiko-Stadt (1968) verwehrt hatte. Der Fußball-Weltverband<br />

reagierte 1976 mit Ausschluss, bereits 1964 hatte die<br />

FIFA das Land suspendiert.<br />

Der Höhepunkt der Boykotts wegen Südafrika ereignete sich<br />

1976, als 30 afrikanische und asiatische Länder den <strong>Olympische</strong>n<br />

Spielen fern blieben. Sie reagierten damit auf die<br />

Weigerung des IOC, Neuseeland die Teilnahme in Montreal zu<br />

verweigern. Dessen Regierung hatte Monate zuvor eine<br />

Rugby-Tour des südafrikanischen Springbok-Teams durch das<br />

Land erlaubt. Wie stark die Sportnation unter der Isolation<br />

litt, wurde 1982 bei der jährlichen Aufnahme von herausragenden<br />

Sportlern in die nationale "Ruhmeshalle" deutlich.<br />

Gekürt wurden vier Angler, ein Barfuß-Wasserskiläufer, eine<br />

Rettungsschwimmerin und ein Reitersmann, der mit seinem<br />

Pferd 8,40 Meter weit gesprungen war. Alle Neun einte die<br />

Tatsache, "Weltrekorde" aufgestellt zu haben.<br />

Der Druck des Auslands blieb in Südafrika nicht ohne Wirkung,<br />

denn die sportbegeisterten Buren schmerzte die Isolation<br />

sehr. Mehr aus Berechnung denn aus Einsicht fielen im<br />

Sport 1976 mit der Vereinigung der nach den vier Rassen<br />

getrennten Fußball-Verbände die ersten Schranken. Mit Georg<br />

Thabe wurde ein Schwarzer an die Spitze gesetzt. Weiße<br />

konnten seitdem mit Nichtweißen spielen. Auch ein Schwarzer<br />

konnte Südafrika nun international vertreten. Aus der<br />

Sicht der weißen politischen Führungsschicht, die den<br />

Schwarzen nur einen Gastarbeiter-Status in Südafrika zubil-<br />

ligte und die entrechteten Eingeborenen lediglich als Staatsbürger<br />

der künstlich geschaffenen Homelands betrachtete,<br />

war dies ein außergewöhnliches, wenn auch zunächst nur<br />

formales Entgegenkommen.<br />

Es wurde am heftigsten bekämpft vom nichtweißen Sport,<br />

der sich als politische Kampfgemeinschaft im Südafrikanischen<br />

Komitee für Nichtrassischen Sport (SACOS) zusammengeschlossen<br />

hatte und als nationaler Repräsentant auch<br />

international Anerkennung fand. "Wie kann man in einer<br />

nichtnormalen <strong>Gesellschaft</strong> normalen Sport betreiben", sagte<br />

dessen Generalsekretär Manikum Panther und bezeichnete<br />

Thabe als "Verräter, der sich von den Weißen kaufen lässt".<br />

Thabe erwiderte: "Der Sport ist nicht in der Lage, 20 Millionen<br />

Schwarzen Stimmrecht zu verschaffen." Doch er könne eine<br />

Evolution einleiten. Früher als in anderen gesellschaftlichen<br />

Bereichen gelang es dem Sport, erste Rassenschranken zu<br />

überwinden. Noch vor den ersten demokratischen Wahlen<br />

1994 war Südafrika wieder Mitglied des Weltsports. 1991<br />

wurde es vom IOC, ein Jahr später von der FIFA aufgenommen.<br />

Das symbiotische Verhältnis von Politik und Sport hat durch<br />

Nelson Mandela Gestalt angenommen. Der erste schwarze<br />

Präsident überreichte 1995 der siegreichen südafrikanischen<br />

Rugby-Nationalmannschaft den Weltmeisterschafts-Pokal im<br />

grün-goldenen Springbock-Trikot. Es war eine beglückende<br />

Geste der Versöhnung, ein großer nationaler Moment, ein<br />

Versuch der Zusammenführung der Rassen mit ihren unterschiedlichen<br />

Prägungen, Vorurteilen und Vorlieben; die<br />

Schwarzen lieben Fußball, die<br />

Weißen Rugby. Mandela wollte<br />

ausdrücken: Wir sind gemeinsam<br />

stolz au fden Triumph. Wir müssen<br />

uns gegenseitig respektieren.<br />

Ein Jahr später feierten die<br />

Schwarzen ihr großes Fest nach<br />

dem Sieg der südafrikanischen<br />

Fußball-Nationalmannschaft im<br />

Afrika-Cup. Mandela trug zur<br />

Siegerehrung das grüne Trikot<br />

von "Bafana, Bafana" (unsere<br />

Jungs) und wiederholte damit<br />

seine Botschaft, diesmal richtete sie sich besonders an die<br />

weiße Bevölkerung.<br />

14 Jahre später steht bei der Fußball-Weltmeisterschaft viel<br />

mehr auf dem Spiel. Die junge Demokratie stellt sich bei<br />

dieser Weltausstellung des Fußballs selbst aus, und welches<br />

Bild dabei entsteht und welche Wirkungen erzielt werden, ist<br />

ungewiss. Wenn der charismatische Mandela, inzwischen 91<br />

Jahre alt und kaum noch transportfähig, die Weltmeisterschaft<br />

am 11. Juni in Johannesburg nicht eröffnen kann, wird<br />

es Jacob Zuma tun. Ein Skandal umwitterter Präsident, der<br />

bei seinen Affären um Betrug, Korruption und Vergewalti-<br />

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