Ausgabe 3/2010 - Deutsche Olympische Gesellschaft
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zehnte Klasse geht." Dass die beiden Preisträgerinnen im<br />
vergangenen Jahr äußerst erfolgreich ihre Abiturprüfungen<br />
bestanden, das hatte die Jury um den DOSB-Vizepräsidenten<br />
und Vorsitzenden des Arbeitskreises "Eliteschulen", Eberhard<br />
Gienger, ebenso überzeugt wie die sportlichen Leistungen der<br />
beiden jungen Frauen.<br />
Gerade der Eliteschule entwachsen, ist Beiden bereits der<br />
internationale Durchbruch bei den Großen gelungen und der<br />
Sprung in die absolute Weltspitze geglückt. "Obwohl die Idee<br />
ist, diese neue Auszeichnung jedes Jahr nur an eine Sportlerin<br />
oder an einen Sportler zu vergeben, haben wir gleich beim<br />
Start eine Ausnahme machen müssen. Denn beide Sportlerinnen<br />
haben es absolut verdient. Also haben wir uns gesagt:<br />
Zeichnen wir sie gemeinsam aus", kommentierte Gienger die<br />
Entscheidung unter insgesamt 40 Kandidaten aus dem<br />
gesamten Bundesgebiet. Jede der insgesamt 40 Eliteschulen<br />
hatte für die Wahl einen Kandidaten ins Rennen geschickt.<br />
Für sie sei die Ehrung so etwas "wie Balsam" und eine "große<br />
Ermutigung", bekennt Marie-Sophie Hindermann, die jüngst<br />
eine lange Verletzungsphase glücklich überstanden hat. Seit<br />
2003 fuhr die Tübingerin sechs Jahre lang jeden morgen um<br />
6.06 Uhr mit dem Zug rund eine Stunde nach Stuttgart zur<br />
Schule und zum Training. Erst abends kehrte sie meist mit<br />
ihrer Mutter Marie-Luise, die in der Landeshauptstadt als<br />
Landestrainerin die 7- und 8-jährigen Talente betreut, nach<br />
Hause zurück. Der Aufwand und die Mühen haben sich<br />
gelohnt. Nicht nur, dass die 48 Kilo leichte Mehrkampf- und<br />
Stufenbarrenspezialistin an der Eliteschule ihr Einser-Abitur im<br />
G8-Rhythmus baute und damit ein Jahr weniger brauchte, als<br />
nötig gewesen wäre. Zugleich entwickelte sie sich parallel<br />
dazu unter den Fittichen ihrer russischen Trainerin Tamara<br />
Khoklova zur größten deutschen Medaillenhoffnung. "Marie-<br />
Sophie ist hoch talentiert, ausdrucksstark und eine ausgesprochen<br />
schöne Turnerin", lobt Cheftrainerin Ulla Koch die grazile<br />
Athletin mit dem phänomenalen Bewegungstalent. "Wenn sie<br />
die Führungsrolle nicht schon heute besitzt, so wird sie diese<br />
spätestens in ein, zwei Jahren übernehmen", meinte Ulla Koch<br />
bereits nach der Heim-WM 2007, als sich die deutsche<br />
Damenriege mit Platz zehn für die <strong>Olympische</strong>n Sommerspiele<br />
ein Jahr später in Peking qualifizieren konnte und Marie-<br />
Sophie Hindermann im Mehrkampf Platz 14 sowie an ihrem<br />
Lieblingsgerät, dem Stufenbarren, Rang fünf belegte.<br />
Unmittelbar im Vorfeld der Spiele erlitt sie einen Anriss der<br />
Achillessehne, so dass die Spitzenturnerin zwar die wunderbare<br />
olympische Atmosphäre miterleben, aber nicht im Mindesten<br />
ihr Leistungsvermögen abrufen konnte. "Ich hatte<br />
Schmerzen ohne Ende und war vor jedem Auftritt gehemmt,<br />
besonders beim Sprung", erinnert sich Marie-Sophie an ihre<br />
Olympiapremiere, die für ihr Team mit Platz 12 endete und für<br />
sie persönlich mit Platz 55 im Mehrkampf und jenseits der 70<br />
am Stufenbarren, auf dem Schwebalken und am Boden. Damit<br />
nicht genug, erwies sich die Verletzung als derart kompliziert<br />
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und langwierig, dass nach Peking fast ein Jahr kaum noch an<br />
Training und schon gar nicht an Wettkämpfe zu denken war.<br />
Die Weltmeisterschaften 2009 in London waren ebenso tabu<br />
wie andere große Wettkämpfe. Erst im Oktober vorigen Jahres<br />
durfte Marie-Sophie Hindermann wieder internationales<br />
Parkett betreten, als sie beim Weltcup in Doha/Katar mit Rang<br />
drei am Stufenbarren und Rang fünf am Boden auf Anhieb<br />
wieder Anschuss an die Weltspitze fand.<br />
An ein Ende ihrer jungen Karriere habe sie in der Zeit davor<br />
"zwar nie gedacht, aber ich habe gezweifelt", unterstreicht<br />
die anmutige Athletin des <strong>Deutsche</strong>n Turner-Bundes (DTB).<br />
Dessen ungeachtet lässt sie durchklingen, dass sich der<br />
Gedanke an ein Ende der Laufbahn bei ihr sofort einstellen<br />
könnte, sollte sie abermals vom Verletzungspech verfolgt<br />
werden. "Insofern ist <strong>2010</strong> ein ganz wichtiges Jahr für mich",<br />
blickt die ausgezeichnete Eliteschülerin voraus und ergänzt<br />
hoffnungsvoll: Zum Glück habe ich gerade keinerlei<br />
Beschwerden." Der sportliche Jahreshöhepunkt werden für<br />
die Turnerin, die inzwischen der Bundeswehr-Sportfördergruppe<br />
in Todtnau angehört, die Weltmeisterschaften im<br />
Herbst in Rotterdam sein. Damit die ewige Pendelei ein Ende<br />
nimmt, beabsichtigt Marie-Sophie Hindermann, alsbald eine<br />
eigene Wohnung in Stuttgart zu beziehen - sowie in Sachen<br />
"Kopfarbeit" ein Studium an der Fernuniversität Hagen im<br />
Fach Psychologie aufzunehmen, als vorgeschaltete Etappe für<br />
ein späteres Medizin-Studium. Damit die junge Frau auch<br />
nach prächtig bestandenem Abi ihre "grauen Zellen" in Bewegung<br />
hält, gibt sie derzeit nebenbei für Schüler in den Klassenstufen<br />
12 und 13 Nachhilfe-Unterricht im Fach Mathematik.<br />
"Ich muss mich beschäftigen. Ich bin ein Typ, der sich<br />
immer auch geistig beschäftigen muss", gesteht sie. "Wenn<br />
man das jetzt vernachlässigen würde, dann wäre es schwer,<br />
nach der sportlichen Karriere wieder rein zu kommen." Was<br />
Marie-Sophie mit dem Preisgeld machen will, davon hat sie<br />
schon ganz konkrete Vorstellungen. Vielleicht ein längerer<br />
Trainingsaufenthalt in den USA.<br />
Franziska Weber indes hat für die 5.000 Euro im Sinne der<br />
sportlichen oder beruflichen Karriere noch keinen Verwendungszweck<br />
parat. "Das muss ich erst einmal sacken lassen",<br />
erklärt die Potsdamerin und verweist auf ihre ohnehin sehr<br />
beschränkten zeitlichen Freiräume in den nächsten Monaten.<br />
Schließlich laufe die Saisonvorbereitung bei den fleißigen<br />
Medaillensammlern des <strong>Deutsche</strong>n Kanu-Verbandes (DKV)<br />
stets nach bewährtem Rhythmus ab. Zu Jahresbeginn verbrachte<br />
Franziska Weber, die 2008 bei der Heim-EM in Brandenburg<br />
mit Fanny Fischer im Zweier-Boot über 500 Meter<br />
Bronze gewann und im Vorjahr bei EM wie WM jeweils Silber<br />
im Einer über die nichtolympische 1000-Meter-Distanz holte,<br />
knapp zwei Wochen beim Grundlagentraining in der Höhe<br />
von St. Moritz in der Schweiz. Am 31. Januar ging es für die<br />
Nationalmannschaft zum dreiwöchigen "Wärme-Trainingslager"<br />
nach Florida, ehe später nach der Rückkehr aus den USA<br />
die Boote zuhause am Ufer des Templiner Sees ausgepackt