Ausgabe 3/2010 - Deutsche Olympische Gesellschaft
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Sport und Sexualität: Kein Tabu- aber ein<br />
Die Worte "Sport" und "Sexualität" haben nicht nur<br />
gemein, dass sie mit demselben Buchstaben beginnen.<br />
Auch die Phänomene selbst, so wie sie sich von uns<br />
beobachten lassen, weisen manche Gemeinsamkeit auf. So<br />
wird von der Erotik des Sports gesprochen, und was Erotik<br />
und Sexualität bedeutet, lässt sich täglich im Internet nachvollziehen.<br />
Dass der Sport ein durchaus enges Verhältnis zur<br />
Sexualität aufweist, mag ebenfalls kaum überraschen. In die<br />
Reihe von Sexualität und Kirche, Sexualität und Arbeitsleben,<br />
Sexualität und Popkultur kann der Sport mühelos eingereiht<br />
werden. Das Verhältnis, das der Sport zur Sexualität aufweist,<br />
scheint dabei angesichts jüngster Beobachtungen kritisch zu<br />
sein. Die Diskussion über den sexuellen Missbrauch in Kirchen<br />
und Internatsschulen hat, wie nicht anders erwartet, auch<br />
den Sport erreicht. Wohl geschah dies, wie es für den Sportjournalismus<br />
bei solchen Fragen üblich ist, etwas verspätet.<br />
Doch nun wird auch der Missbrauch an Kindern im Sport<br />
öffentlich diskutiert. Clevere Verbandspräsidenten haben auf<br />
die Schnelle einen Missbrauchsbeauftragten für Missbrauchsprobleme<br />
ernannt und haben die möglichen Opfer aufgerufen,<br />
sich mit ihren Problemen an die Verbände zu wenden.<br />
Solches Handeln wird in der heutigen Zeit als verantwortungsvoll<br />
bezeichnet, auch dann, wenn sich das Ganze am<br />
Ende als bloße Rhetorik herausstellt, folgenlos ist und dem zu<br />
lösenden Problem nicht einmal annäherungsweise gerecht<br />
wird.<br />
Dabei ist das Verhältnis zwischen Sport und Sexualität nicht<br />
erst seit heute problematisch. Sexuelle Probleme sind auf<br />
Grund der kennzeichnenden Merkmale des sportlichen Handelns<br />
vielmehr naheliegend, und sie sind deshalb auch im<br />
modernen Sport seit seinen ersten Anfängen in England bis<br />
zum heutigen Tage immer wieder zu beobachten. Die Frage<br />
nach der Sexualität wurde und wird dabei nicht nur unter<br />
dem Aspekt des Missbrauchs diskutiert. In der Vergangenheit<br />
wurden dabei auch weit weniger problematische Themen<br />
behandelt. Besonders beliebt war und ist die Frage nach der<br />
Bedeutung des Geschlechtverkehrs für den sportlichen Wettkampf.<br />
Ist sexuelle Abstinenz für den Hochleistungssportler<br />
wünschenswert? Dient regelmäßiger Geschlechtsverkehr der<br />
Leistungssteigerung? Sollen während einer Fußballweltmeisterschaft<br />
die Spieler einer Nationalmannschaft mit ihren<br />
Frauen oder Partnerinnen Geschlechtsverkehr haben? Wie<br />
verhält sich dies bei den Spielerinnen? Welche hormonellen<br />
Erkenntnisse liegen diesbezüglich vor? Solche und ähnliche<br />
Fragen tauchen bei jeder Fußballweltmeisterschaft auf, und<br />
es waren Wissenschaftler, wie Manfred Steinbach, die sich als<br />
Sportmediziner mit diesen Fragen in empirischen Untersuchungen<br />
auseinandergesetzt haben. Bei manchen Erkenntnis-<br />
20<br />
sen hatte man dabei den Eindruck, dass die Wissenschaftler<br />
ihre eigenen Vorlieben propagieren. Stringente theoretische<br />
Positionen und solide empirische Befunde scheinen hingegen<br />
bis heute eher die Ausnahme zu sein.<br />
War lange Zeit der Zusammenhang zwischen Sport und Sexualität<br />
durch heterosexuelle Beziehungen geprägt, so ist in einzelnen<br />
Fällen bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer<br />
häufiger, vor allem aber zum Ende des 20. Jahrhunderts und<br />
mit Beginn des 21. Jahrhunderts die Homosexualität im Sport<br />
ein Phänomen, das vermehrt<br />
beobachtet werden konnte<br />
und entsprechende öffentliche<br />
Diskussionen auslöste.<br />
Schwule Spieler sind wohl in<br />
einem Fußballsport, der<br />
dezidiert ein traditionelles<br />
Männerideal verfolgt, nach<br />
wie vor eine fremde Sache.<br />
Jedoch sind homosexuelle<br />
Fußballspieler längst Realität.<br />
Immer häufiger kommt es zu<br />
einem öffentlichen Outing,<br />
und es ist davon auszugehen,<br />
dass dies in der weiteren<br />
Zukunft als normal empfunden<br />
wird. Gleiches gilt für<br />
lesbische Athletinnen. Wurde<br />
noch vor zwei Jahrzehnten<br />
nur hinter vorgehaltener<br />
Hand über die lesbischen<br />
Beziehungen innerhalb von<br />
Nationalmannschaften in den<br />
Sportarten Handball, Fußball,<br />
Basketball oder Volleyball<br />
gesprochen, hatten lesbische<br />
Tennisspielerinnen noch den<br />
Charakter des Skandalösen, so<br />
werden heute auch im Sport<br />
immer häufiger lesbische<br />
Beziehungen toleriert und<br />
zunehmend als normal empfunden.<br />
Sexueller Missbrauch kann<br />
und darf ganz gewiss nicht<br />
als normal empfunden werden.<br />
Doch auch er ist schon<br />
seit sehr langer Zeit im Sport