Ausgabe 3/2010 - Deutsche Olympische Gesellschaft
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erweitert. Wir konnten noch nicht einmal den DOSB für<br />
unser Ansinnen eines Führungszeugnisses für Ehrenamtliche<br />
gewinnen", bedauert die Kommissarin, die glaubt " dass den<br />
Funktionären und den Vorständen die Sache nur lästig ist".<br />
Den Eindruck vermitteln Weiss und Schönwandt oder die<br />
Berliner, vorneweg mit ihrem Präsidenten Klaus Böger nicht:<br />
Zusammenarbeit mit Jugendämtern oder Beratungsstellen<br />
wird dringend bei Verdachtsfällen empfohlen, ebenso werden<br />
interne und externe Weiterbildungsmaßnahmen zu dem<br />
Thema angeboten. Hilfe vor Ort, sagen die Dachverbandsvertreter,<br />
sei effektiver als eine eigene Hotline oder ein DOSB-<br />
Berater. "Es ist wohl besser, mit den Jugendämtern vor Ort<br />
zusammenzuarbeiten, als eine bundeszentrale Nummer<br />
einzurichten", sagt Schönwandt. Auch ein Beauftragter wäre<br />
besser vor Ort angesiedelt als im DOSB, wie positive Beispiele<br />
aus Nordrhein-Westfalen zeigten. "Wir haben da ja in anderen<br />
Problembereichen auch wenig Echo mit zentralen<br />
Anlaufstellen gefunden", sagt Weiss. Neben Handlungsempfehlungen<br />
setzen auch DOSB und dsj auf Prävention. "Wir<br />
gehen vor Ort und versuchen Kinder stark zu machen, dass<br />
sie sich wehren und ermutigt werden, sich gegenüber Vertrauenspersonen<br />
zu offenbaren, wenn ihnen etwas nicht<br />
koscher vorkommt", sagt Weiss. In den Ausbildungsrichtlinien<br />
wird speziell das Thema "Prävention sexueller Gewalt" behandelt.<br />
Aber besonders wichtig ist für die dsj-Verantwortlichen:<br />
Für die Kultur des Hinschauens, des Nachfragens und Eingreifens<br />
- Schönwandts Aufmerksamkeitssystem - nicht nur<br />
zu sensibilisieren, sondern diese Kultur auch in den Köpfen<br />
der Verantwortlichen zu verankern. Dazu gehören "eine<br />
offene Haltung, ein pädagogisches Sportkonzept, das Öffnen<br />
der Hallen und Sportanlagen für Eltern - das gläserne Sportumfeld",<br />
wie es Schönwandt zusammenfasst.<br />
Keine Chance für Täter, Schutz für Opfer. Nicht alle im Sport<br />
haben das begriffen. Denn wie sonst konnte es passieren,<br />
dass bei der Nominierung für die <strong>Olympische</strong>n Winterspiele in<br />
Vancouver zwei Trainer auf der Vorschlagsliste standen, die<br />
einschlägig vorbestraft beziehungsweise aufgefallen waren?<br />
Was haben sich die Verbandsverantwortlichen dabei gedacht?<br />
Erfolg steht über allem? Gedankenlosigkeit? Ignoranz gegenüber<br />
dem Thema? Egal welcher Beweggrund - jeder zeugt<br />
von Unsensibilität. Das Ansinnen stieß auf den vereinten<br />
Widerstand des DOSB-Präsidiums, und die Trainer mussten zu<br />
Hause bleiben. Welche Maßnahmen ergreift der DOSB gegen<br />
solche Verbände und deren Funktionäre, die nicht begreifen,<br />
dass sie mit solchem Verhalten dem Ansehen des organisierten<br />
Sports schaden? Manche, so scheint es, sehen sexuelle<br />
Übergriffe nach wie vor als harmloses Kavaliersdelikt.<br />
Verantwortliche fühlen sich aber auch mit der Situation<br />
überfordert. Bernd Schultz, Präsident des Berliner Fußball-<br />
Verbandes, der sich im vergangenen Jahr mit zwölf<br />
Verdachtsfällen beschäftigen musste, sprach wohl für seine<br />
Kollegen und Kolleginnen, als er sagte: "Man kann das ja oft<br />
gar nicht beurteilen, die richtigen Schritte einzuleiten. Man<br />
ist verpflichtet, auch potentielle Täter zu schützen, bevor<br />
man nicht weiß, was nun Sache ist. Deshalb nehmen wir<br />
gerne Hilfe jeder Art an." Problem erkannt, Gefahr gebannt?<br />
"Wir können nicht ausschließen, dass es Vorfälle in Zukunft<br />
gibt, aber wir sind dran, alles zu tun, dass es sie nicht gibt.<br />
Jeder Missbrauchsfall ist einer zuviel", sagt Ingo Weiss, der<br />
mit 60 anderen Organisations-Vertretern am Runden Tisch<br />
saß, den die Bundesregierung einberufen hatte. Der Vorsitzende<br />
des <strong>Deutsche</strong>n Kinderbundes, Heinz Hilgers, hält von<br />
diesem Runden Tisch nichts. In der "Augsburger Allgemeinen"<br />
warf er der Politik vor, "zu wenig getan zu haben gegen<br />
Missbrauch". Jährlich würden nach wie vor zehntausende<br />
Kinder missbraucht und misshandelt - was auch in diesem<br />
Jahr - trotz der momentanen öffentlichen Aufmerksamkeit -<br />
passieren wird.<br />
Zu wenig getan hat der Sport nicht, aber trotzdem bleibt er<br />
anfällig. Doch Eltern sollten nun auch nicht in Panik geraten<br />
und ihre Kinder<br />
nicht mehr in den<br />
Sportverein schicken,<br />
meint Weiss.<br />
"Auffällig ist, dass<br />
manche Eltern in<br />
letzter Zeit beim<br />
Training bleiben.<br />
Nicht weil sie dem<br />
Trainer misstrauen,<br />
sondern<br />
wahrscheinlich zur<br />
eigenen Beruhigung",<br />
berichtet<br />
eine Mutter, deren<br />
Sohn Fußball in einer Schülermannschaft spielt. Man diskutiere<br />
auch hier unter den wartenden Eltern über Missbrauch,<br />
bestätigt eine andere. "Aber das tun sie auch im Kindergarten<br />
oder in der Schule, wenn sie den Nachwuchs abholen." Kein<br />
Einzelbeispiel. "Mir sind irgendwie Sicherheit und Sorglosigkeit<br />
abhanden gekommen. Besser kann ich es nicht beschreiben,<br />
was mich bewegt. Und anderen geht es offensichtlich<br />
auch so", erklärt die Mutter weiter.<br />
Als die Lawine in den Kirchen und Schulen losgetreten wurde,<br />
fragten sich auch Sport-Verantwortliche: Was kommt da<br />
noch auf uns zu? Bisher herrscht Erleichterung. Vereinzelt<br />
gebe es Meldungen bei Verbänden oder Vereinen; Opfer<br />
hätten sich beim DOSB, so sagte Pressesprecher Christian<br />
Klaue, noch nicht gemeldet. Was allerdings die Frage aufwirft:<br />
Ist das nun ein gutes oder schlechtes Zeichen?<br />
P.S.: Nach dem Gespräch mit Frau P. bleibt ein mulmiges<br />
Gefühl - und der Vorsatz, nicht nur bei Kindern noch genauer<br />
hinzuschauen, wenn der innere Seismograph merkwürdige<br />
Anzeichen meldet.<br />
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