Ausgabe 3/2010 - Deutsche Olympische Gesellschaft
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Der Mann aus den Vereinigten Staaten soll dem russischen<br />
Sport eine "vergleichende Analyse internationaler Modelle"<br />
liefern und anhand derer aufzeigen, wie "er seine Konkurrenzfähigkeit<br />
verbessern und die Lücke zwischen seinen<br />
Resultaten und denen internationaler Wettbewerber schließen<br />
kann".<br />
Nun ja, Russland, wir in Deutschland haben einen einst für<br />
absurd gehaltenen Transfer systemfremden Knowhows schon<br />
hinter uns und können daher aus Erfahrung sagen: Der ganz<br />
große Hit ist es nicht gewesen. Klar, als sich gleich nach der<br />
Wende die alt-bundesdeutschen Leistungsplaner die DDR-<br />
Koryphäen bedenkenlos unter den Nagel rissen, ging es bei<br />
den Sommerspielen 1992 erst mal steil bergauf. Aber danach<br />
eben auch ebenso steil wieder bergab mit der Medaillenausbeute.<br />
Vorsicht also, Russland! Nicht alles, was die Amerikaner<br />
euch jetzt verkaufen werden, muss Russland-kompatibel sein.<br />
Immerhin, gelernt hat das zum Kapitalismus konvertierte<br />
Russland, nachdem es für die Vancouver-Vorbereitung ein<br />
beispielloses Finanzierungsniveau erreicht hatte, dass "mit<br />
Geld unsere Probleme nicht zu lösen sind" (Staatschef Medwedew).<br />
Moskau versucht es stattdessen jetzt mit Wortgewalt<br />
und Muskelspiel der politischen Autoritäten. Im Visier sind:<br />
Die Sportverbände, die Medwedew mit "faulen, voll gefressenen<br />
Katern" vergleicht und die Nomenklatura der Präsidenten,<br />
denen Korruption unterstellt wird. Den Sport sollen von<br />
nun an "Vollprofis" führen und keine für Selbstgefälligkeit<br />
und Korruption anfällige Funktionäre. Der NOK-Chef, der<br />
stellvertretende Sportminister und fünf Wintersportchefs<br />
wurden bereits zum Rücktritt gezwungen.<br />
Großreinemachen ist angesagt, und nahezu alles wird in<br />
Frage gestellt, was seit dem Zusammenbruch des Kommunismus<br />
im Russensport abging. Das belegt: Der Kreml hat den<br />
Spitzensport als staatliches Prestigeobjekt wiedererkannt -<br />
weil Olympia im eigenen Lande ansteht, 2014 in Sotschi, wo<br />
es nur ums Prestige geht. Und ein Ami soll beim Aufpolieren<br />
helfen. Wenn das mal nicht russisches Roulette ist!<br />
Michael Gernandt<br />
Ein Jahrhundert-Desaster<br />
D<br />
as programmierte Chaos in der Bildungslandschaft, in<br />
weiten Teilen dem Föderalismus und den politischen<br />
Berg- und Talfahrten in 16 Bundesländern geschuldet, treibt<br />
immer wieder seltsame Blüten. Davon ist der Sportunterricht<br />
quer durch alle Schulstufen nicht ausgenommen. Einerseits<br />
weiß man seit Urzeiten von den gesundheitlichen Notwendigkeiten<br />
und positiven gesamtpädagogischen Wirkungen<br />
regelmäßiger Bewegung. Andererseits werden auch die schlagendsten<br />
Argumente konsequenter Körperbildung im Kindesund<br />
Jugendalter beharrlich vernachlässigt bis ignoriert. Ein<br />
Jahrhundert-Desaster!<br />
Denn schon vor mehr als hundert Jahren war die tägliche<br />
Turnstunde ein Thema mit Praxisbezug - zumindest in fortschrittlichen<br />
Kreisen. Was daraus geworden ist, kann seit<br />
Jahrzehnten in schöner Regelmäßigkeit verfolgt werden:<br />
Sport im täglichen Stundenplan gilt allenfalls als historische<br />
Kuriosität und ist nicht einmal mehr utopische Wunschvorstellung.<br />
Stattdessen ein Endlos-Hickhack um die Dauerforderung<br />
von wenigstens drei Wochenstunden mit den immer<br />
wieder gleichen ernüchternden Ergebnissen. Die Stundenzahlen<br />
werden kaum annähernd erreicht. Zu erschreckend hohen<br />
Prozentzahlen mühen sich fachfremde Lehrer mehr schlecht<br />
als recht. Mit der oft maroden und nicht ausreichenden<br />
Sportstätten-Infrastruktur gibt es zunehmend Probleme. Die<br />
Liste des Mangels und der Miseren ließe sich fortsetzen und<br />
auch zementieren, wie Langzeit-Entwicklungskurven eindeutig<br />
zeigen.<br />
OF-KOMMENT<br />
OF-KOMMENTARE<br />
ARE<br />
Da wirken auch gelegentliche Versuche von Sportverbänden,<br />
etwa zwecks Talentsuche oder früher Mitgliederbindung in<br />
der Schule Fuß zu fassen, nur befremdlich. Golf als Schulsport<br />
beispielsweise mag zwar einen kurzfristigen Aufmerksamkeitswert<br />
erlangen, aber dem sich ausweitenden Körperbildungsdefizit<br />
dürfte es keinen Einhalt gebieten. Die entscheidende<br />
Frage bleibt: Warum wird's nicht besser, obwohl man<br />
es besser weiß und sogar überzeugend wissenschaftlich<br />
begründen kann? Eine Driving Range auf dem Schulgelände<br />
kann jedenfalls kaum die passende Antwort sein.<br />
Harald Pieper<br />
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