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Ausgabe 3/2010 - Deutsche Olympische Gesellschaft

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gung von einer bedrängten Justiz gnädig behandelt wurde,<br />

und der zulässt, dass der ihn stützende Afrikanische Nationalkongress<br />

(ANC) dabei ist, sich in sein Gegenteil zu wandeln.<br />

Unter Mandela war er eine Befreiungsorganisation der<br />

Schwarzen mit vorbildhaften Wirkungen für den ganzen<br />

Kontinent. Nun lässt Zuma zu, dass sein Anhang Rassenhass<br />

predigt, sich bereichert und mit Diktatoren wie Zimbabwes<br />

Robert Mugabe kooperiert.<br />

Südafrika ist seit der politischen Wende einen schweren Weg<br />

gegangen. Transformation heißt das Zauberwort. Transformation<br />

der Apartheid-Diktatur der Weißen in eine Demokratie<br />

mit Gleichheit der Rassen. Diesem hohen Anspruch ist das<br />

Land kaum näher gekommen. Die Schwarzen haben die<br />

politische Macht übernommen und rütteln an den Säulen<br />

Pressefreiheit und unabhängige Justiz, die Weißen behielten<br />

die Wirtschaftsmacht. 92 Prozent der Vorstandsposten von<br />

Unternehmen werden von ihnen besetzt. Es ist eine fragile<br />

Koexistenz. Sie hat in den vergangenen 16 Jahren wirtschaftliche<br />

Erfolge hervorgebracht, fundamentales Ungleichgewicht<br />

vermochte sie nicht zu verändern.<br />

Trotz des Baus von drei Millionen Sozialwohnungen für die<br />

Armen hat die Not eher noch zugenommen. Unverändert<br />

groß ist der Ansturm aus den ländlichen Regionen in die<br />

Städte. Noch immer sind die Lebensräume nach Rassen<br />

strukturiert, jede Stadt und jede Kommune hat ihr schwarzes<br />

Township. In einer bis zur Weltwirtschaftskrise stabilen Ökonomie<br />

sind die Unterschiede zwischen Arm und Reich eher<br />

noch krasser geworden. 420.000 seit Abschaffung der Apartheid<br />

gewaltsam ums Leben gekommene Menschen zeugen<br />

von tiefen sozialen Verwerfungen. Jüngste Unruhen in den<br />

Townships mit tausenden Barrikaden, Bränden und Steinwürfen<br />

waren ein Ausdruck für Protest gegen die Lebensbedingungen<br />

und bitter enttäuschte Hoffnungen. Die Regierung<br />

hatte den irrigen Eindruck erweckt, vor allem die Armen<br />

würden von der Fußball-WM profitieren. Die eigentlichen<br />

Nutznießer sind Firmen wie Siemens, das einen Milliarden-<br />

Auftrag erhielt. Selbst Zuma spricht von einer "Zeitbombe"<br />

und wird mit den Forderungen der regierenden Schwarzen-<br />

Partei ANC auf radikale Umverteilung und Verstaatlichung<br />

von Schlüsselindustrien konfrontiert.<br />

Um größtmöglichen Nutzen aus dem Weltereignis zu ziehen,<br />

hat die Politik den Fußball verstaatlicht und ihn zu ihrem<br />

Instrument gemacht. Es geht ihr vor allem um globale Anerkennung<br />

und um Einlass in die erste Reihe der Nationen.<br />

Durch ein Sondergesetz übernahm der Staat die Rolle eines<br />

Geldgebers und Veranstalters. Das nationale Organisationskomitee,<br />

bei der WM in Deutschland eine Privatorganisation mit<br />

eigenem Etat, wurde praktisch zu einer Regierungskommission.<br />

Die enorme Summe von 35 Milliarden Euro hat Südafrika<br />

in die Verbesserung seiner Infrastruktur gesteckt, dazu kommen<br />

rund 3,5 Milliarden Euro als Direktinvestition in die WM<br />

wie den Bau von Stadien.<br />

16<br />

Der Ausbau von Straßen, Schienen und Flughäfen sowie die<br />

Einführung von Nahverkehrssystemen in den Stadtregionen<br />

findet eine Rechtfertigung durch ihre Nachhaltigkeit - der<br />

Sport als Motor für die Entwicklung eines Schwellenlandes.<br />

Doch es drängen sich Fragen auf: Darf sich Südafrika eine<br />

solch kostspielige Weltmeisterschaft überhaupt leisten?<br />

Hätten von den Mitteln nicht besser hunderttausende Hütten-Unterkünfte<br />

für die Ärmsten der Armen, von manchen<br />

weißen Kritikern "Mandela-Villen" genannt, erbaut werden<br />

sollen, dazu hunderte von Schulen und Hospitäler? Nahezu<br />

die Hälfte der Erwerbsfähigen ist arbeitslos. 43 Prozent der<br />

Südafrikaner müssen mit weniger als zwei Euro pro Tag<br />

auskommen. Sechs Prozent der auf 48 Millionen angewachsenen<br />

Bevölkerung erwirtschaftet das Steueraufkommen des<br />

Staates, es sind in ihrer großen Mehrheit Weiße. Ökonomen<br />

schätzen, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr durch<br />

die WM lediglich um maximal 0,8 Prozent steigen wird.<br />

Und hatte nicht die 5. Internationale AIDS-Konferenz Ende<br />

vergangenen Jahres in Kapstadt beklagt, dass die Regierung<br />

wegen Geldknappheit die verheißungsvolle Entwicklung eines<br />

Impfstoffs gegen AIDS durch südafrikanische Wissenschaftler<br />

verweigert hat? 5,7 Millionen Südafrikaner sind von dem<br />

Virus infiziert, die tägliche Sterberate liegt bei 1000. 1,6<br />

Millionen Kinder sind AIDS-Waisen. Ihre Eltern sind dahingerafft<br />

von einer Erkrankung, die bis 2003 als Seuche nicht<br />

anerkannt war. Bis dahin hatte das Gesundheitsministerium<br />

als Gegenmittel Kräutermedizin und gesunde Ernährung<br />

empfohlen.<br />

Die besondere Problematik der WM macht sich am Bau der<br />

fünf neuen und dem Umbau von fünf alten Stadien fest,<br />

zehn Arenen, die über zwei Milliarden Euro gekostet haben<br />

und deren Nachnutzung zum Teil höchst unsicher ist; Südafrika<br />

ist kein Fußball-Land, die höchste Liga bringt pro Spiel<br />

im Schnitt weniger als 10.000 Zuschauer auf die Beine. In<br />

Durban schuf das Hamburger Architektenbüro Gerkan, Marg<br />

und Partner (GMP) ein Bauwerk von großer Eleganz und<br />

Transparenz, überspannt von einem hundert Meter hohen<br />

Bogen, eingebaut ist eine Aussichtsplattform mit weitem<br />

Rundblick. In Kapstadt kreierte GMP am Ozean vor dem<br />

Hintergrund der Silhouette des Tafelbergs ein kelchartiges<br />

Stadionwunder mit hellen, äußeren Membranen, die zu jeder<br />

Tageszeit die Färbung des grandiosen Umfelds aufnehmen. Es<br />

sind Denkmäler hoher Architekturkunst und zugleich Mahnmale.<br />

Als die deutschstämmige Helen Zille 2006 Bürgermeisterin<br />

von Kapstadt geworden war, fand sie es obszön, für hunderte<br />

Millionen Euro einen Stadion-Palast zu bauen, anstatt das<br />

Geld in die Unterbringungen für die Armen zu investieren.<br />

Noch immer leben 120 000 Menschen in Behausungen ohne<br />

Strom und Wasser. Doch die FIFA lehnte den weitaus billigeren<br />

Ausbau eines in einem Armutsviertel gelegenen Fußball-<br />

Stadions ab. Sie wollte für ihr Hochglanzprodukt nur schöne

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