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Ausgabe 3/2010 - Deutsche Olympische Gesellschaft

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damit als Gefahr immer existent. Es kann deshalb nicht<br />

überraschen, dass es im Sport viele Fälle des Kindesmissbrauches<br />

gegeben hat. Nicht weniger problematisch sind jedoch<br />

auch die Fälle, in denen erwachsene Athletinnen oder Athleten<br />

auf Grund der dominanten Rolle ihrer Trainer in ein<br />

sexuelles Abhängigkeitsverhältnis gelangt sind.<br />

Die spektakulären Fälle der letzten Zeit zeigen, dass dabei<br />

unser Blickfeld im Sport noch zu erweitern ist. Auch die<br />

Sportler selbst können wissend oder unwissend Geschlechtsverkehr<br />

mit Kindern haben. Das Beispiel eines internationalen<br />

Fußballstars hat dies in kürzlich gezeigt. Vergewaltigungen<br />

durch Sportler sind somit möglich und denkbar und sind<br />

leider auch immer wieder zu beklagen. Dass von allem auch<br />

die Schiedsrichter, Kampfrichter und alle übrigen Funktionäre<br />

im Sport betroffen sein können, ist naheliegend und wird auf<br />

dramatische Weise ebenfalls öffentlich inszeniert.<br />

Das Verhältnis zwischen Sport und Sexualität scheint kritisch<br />

zu sein, und doch ist vieles von dem, was in diesen Tagen<br />

diskutiert wird, als normal zu bezeichnen. Es kann kaum<br />

überraschen und ist in einem gewissen Sinne naheliegend. Im<br />

Sport spielt der menschliche Körper eine zentrale Rolle. In<br />

ihm interagieren Körper miteinander. Körper berühren sich.<br />

Man stößt, man rempelt, man hebt, man trägt, man führt die<br />

Körper der Gegner und Partner, Körper werden exponiert,<br />

gestylt, modelliert und trainiert. Im Hochleistungssport spielt<br />

auch die Körpermassage eine bedeutsame Rolle. Sie ist vitalisierend.<br />

Bei ihr möchte man sich wohlfühlen, sich spüren,<br />

sich entspannen. All das hat mit dem eigenen Körper zu tun,<br />

und nicht von ungefähr wurde in der ehemaligen DDR der<br />

Sport, insbesondere der Hochleistungssport mit dem Begriff<br />

der "Körperkultur" gefasst. Im Sport spielt vor allem auch der<br />

nackte Körper eine herausragende Rolle. Wie selbstverständlich<br />

wird die Kleidung im Sport abgelegt, wie selbstverständlich<br />

begegnet man sich nach den Spielen unter der Dusche.<br />

Sauna und Sport gehören auf das Engste zusammen, und<br />

zumindest in der deutschen Saunakultur ist es üblich, dass<br />

man sich dabei nackt begegnet. Zur Freikörperkultur gehörte<br />

und gehört es, dass man nackt auch gemeinsam Sport treibt.<br />

Selbst das nackte Volleyballspiel wird dabei als befreiend und<br />

angenehm erlebt.<br />

Der Sport zeichnet sich also durch eine besondere Beziehung<br />

der Körper zueinander aus, und dass dabei die sexuelle Beziehung<br />

eine besondere Steigerung darstellen kann, ist unter<br />

biologischen Gesichtspunkten durchaus naheliegend. Missbrauch<br />

kann dabei eine mögliche gefährliche Folge sein.<br />

Vermutlich werden jedoch solche Beziehungen mindestens<br />

ebenso häufig als äußerst positiv und angenehm wahrgenommen.<br />

Lässt sich ein Mensch von einem anderen Menschen<br />

sexuell befriedigen, so ruft dies Glücksgefühle hervor<br />

und es entsteht das Bedürfnis, sich immer wieder in diese<br />

befriedigende Situation hinein zu begeben. Ob diese Handlung<br />

als normal, legal, moralisch oder amoralisch zu bewerten<br />

22<br />

ist, hängt von den jeweils gültigen kulturellen Normen in<br />

Bezug auf die sexuelle Beziehung von Menschen ab. Dabei<br />

kann es durchaus sein, dass eine bestimmte Form der Befriedigung,<br />

die in einer bestimmten Situation Glücksgefühle<br />

bewirkt, aus einer späteren Perspektive als Gewalt gedeutet<br />

werden kann.<br />

In diesem Sachverhalt könnte auch der Grund liegen, warum<br />

die öffentliche Kommunikation über den pädophilen Missbrauch<br />

von Kindern durch Erzieher und Lehrer erhebliche<br />

Schwierigkeiten bereitet. Dieser Sachverhalt macht aber auch<br />

deutlich, warum auch der Sport gerade im Zusammenhang<br />

mit dem sexuellen Missbrauch an Schulen eine bedeutsame<br />

Rolle spielt. Schon in der Weimarer Republik wurde in der<br />

Landschulheimbewegung eine Körperkultur gepflegt, bei der<br />

die Sexualität eine ganz besondere Rolle spielte, und so<br />

konnte es eigentlich kaum überraschen, dass der damalige<br />

Weltrekordinhaber und deutsche Meister Otto Peltzer, als<br />

Athlet wurde er der "Seltsame" genannt, als Lehrer an einem<br />

Internat der Landschulbewegung des homosexuellen Missbrauchs<br />

an Kindern verdächtigt wurde. Sein Fall war angesichts<br />

seiner exponierten Position als Olympiateilnehmer und<br />

Weltklasseathlet spektakulär. Er lässt sich jedoch durchaus<br />

auch im Zusammenhang einer körperlichen Erziehung deuten,<br />

bei der das nackte Duschen und die Begegnung in<br />

Nacktheit Normalität war und eine besondere pädagogische<br />

Bedeutung besaß.<br />

Die Beziehung zwischen Sport und Sexualität ist schillernd.<br />

Sie ist vor allem aber auch wandlungsfähig. Einige der<br />

gemachten Beobachtungen haben dies gezeigt. Es gibt<br />

Aspekte der Sexualität, die schon seit Beginn des modernen<br />

Sports existieren und die sich nahezu als konstant erwiesen<br />

haben. Andere Aspekte unterliegen einem Wandel. Neue<br />

Aspekte kommen hinzu. Die Frage nach der Transsexualität<br />

und die Frage nach der Intersexualtiät stellen sich in jüngster<br />

Zeit in völlig neuer Qualität. Davon sind vor allem die sportlichen<br />

Wettkämpfe betroffen, und es muss die Frage nach<br />

der Chancengleichheit in völlig neuer Weise beantwortet<br />

werden, wenn man den Intersexuellen den Zugang in den<br />

Hochleistungsport nicht verwehren möchte. Antworten auf<br />

all diese Fragen lassen sich nur dann finden, wenn der Sport<br />

sich in einen Dialog über seine Normen einlässt, die das<br />

Handeln im Bereich des Sports prägen und leiten. Die Normen<br />

und Regeln des Sports sind dabei als relativ zu erachten.<br />

Von Kultur zu Kultur können gerade in Bezug auf die<br />

Frage der Sexualität äußerst unterschiedliche Normen<br />

bedeutsam sein. Was in der einen Kultur als Missbrauch gilt,<br />

kann in der anderen akzeptabel sein. Was heute gilt, kann<br />

morgen anders sein, und auch moralische Vorstellungen<br />

können überholt sein. Sie bedürfen einer ständigen Anpassung<br />

an die Verhältnisse, in denen Menschen zusammenleben.<br />

Normative Offenheit bedeutet, dass sich im Konsens<br />

auch neue Normen finden lassen. Dies gilt auch für den<br />

Sport in seinem Verhältnis zur Sexualität.

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