Ausgabe 3/2010 - Deutsche Olympische Gesellschaft
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ungs- und Parteichef<br />
Erich<br />
Honecker ebenso<br />
mit dem <strong>Olympische</strong>n<br />
Orden wie<br />
den rumänischen<br />
Diktator Ceaucescu.<br />
Bis zuletzt<br />
hielt er Nordkorea<br />
die Tür zu einer<br />
Teilnahme im<br />
Süden der Halbinsel<br />
offen und<br />
nahm damit dem<br />
sozialistischen<br />
Lager einen wichtigen<br />
Anlass für<br />
eine Nichtteilnahme.<br />
Dass ihm mit diplomatischem Geschick auf der politisch<br />
explosiven koreanischen Halbinsel die Beendigung der Olympiaboykotts<br />
gelang, war das virtuoseste Kabinettstück seiner<br />
Amtszeit. Dieser Erfolg wurde freilich in der Öffentlichkeit<br />
überlagert durch die Disqualifikation des kanadischen Sprint-<br />
Olympiasiegers Ben Johnson. Durch diesen sensationellen<br />
Fall sah sich das IOC gezwungen, seinen Anti-Doping-Kampf<br />
zu verstärken. Dennoch wirkte der diesbezügliche Aktionismus<br />
bei Samaranch stets so, als wenn es ihm vor allem um<br />
ein Feigenblatt gegenüber den Sponsoren ging.<br />
Heute ist es selbstverständlich, dass plus minus 200 NOK -<br />
und damit mehr Staaten, als zur UNO gehören - an <strong>Olympische</strong>n<br />
Sommerspielen teilnehmen. Dies hat zum nicht geringen<br />
Teil damit zu tun, dass die Finanzschwachen unter ihnen<br />
auf Kosten des IOC anreisen dürfen. Die bedürftigen NOK<br />
werden zusätzlich aus dem Topf des von Samaranch aufgelegten<br />
Entwicklungshilfe-Programms "Olympic Solidarity"<br />
gespeist. Voraussetzung dafür war, dass der Spanier aus dem<br />
finanzschwachen Komitee mit gerade mal 200.000 Dollar<br />
aktivem Kapital in der Killanin-Zeit ein prosperierendes<br />
Milliarden-Unternehmen formte. Samaranch suchte gleich<br />
nach seiner Wahl die Nähe zu Konzernen wie Coca Cola,<br />
Unternehmen wie Adidas und potenten US-amerikanischen<br />
Fernsehgesellschaften wie NBC. An dem reichlichen Fluss der<br />
Gewinne und Tantiemen beteiligte er auch die stets begierigen<br />
einflussreichen Sportverbände von der Leichtathletik<br />
über die Schwimmer bis hin zu den Turnern und hielt damit<br />
potenzielle Gegenspieler wie den italienischen Leichtathletik-<br />
Weltpräsidenten Primo Nebiolo weitgehend ruhig. Ein genialer<br />
Schachzug war es, unter dem Blickwinkel der effektiveren<br />
Vermarktung, die Winterspiele aus dem Turnus der Sommerspiele<br />
zu lösen und sie jeweils im Abstand von zwei Jahren<br />
zu dem großen Weltsportfest zu platzieren.<br />
In enger Abstimmung mit Horst Dassler, in den achtziger<br />
Jahren sein Architekt hin zu einer Öffnung der <strong>Olympische</strong>n<br />
Spiele für Profis, betrieb der Katalane die Liberalisierung der<br />
Zulassungsbestimmungen zu den Spielen. Willi Daume, bis<br />
dahin einer seiner größten Kritiker, band er gleich nach<br />
seiner Wahl als Vorsitzenden der Zulassungskommission ein.<br />
Der <strong>Deutsche</strong> leistete für seinen ungeliebten Konkurrenten<br />
von gestern die Kärrnerarbeit auf dem Weg zur Beendigung<br />
des heuchlerischen Amateur-Zeitalters beim <strong>Olympische</strong>n<br />
Kongress von Baden-Baden 1981. Damit war der letzte<br />
Damm vor einer ungehemmten Kommerzialisierung beiseite<br />
geräumt. Und die fünf olympischen Ringe ließen sich noch<br />
einträglicher vermarkten und damit die Unabhängigkeit auch<br />
gegenüber den amerikanischen Fernsehgesellschaften vergrößern.<br />
Mit der stattlichen Beteiligung an den Organisationskosten<br />
durch das IOC setzte Samaranch einen überhitzten Konkurrenzkampf<br />
der Städte um die <strong>Olympische</strong>n Spiele in Gang.<br />
Vergessen die Zeit, als 1978 in Athen mit Los Angeles nur<br />
ein einziger Kandidat für die Sommerspiele antrat. Im<br />
Bestreben, den Zuschlag für die Spiele zu bekommen, zogen<br />
die Städte und Staaten alle Register: mit dem Einsatz von<br />
Showstars, Staats- und Regierungschefs und vor allem mit<br />
reichen Einladungsreisen für IOC-Mitglieder, von denen eine<br />
nicht geringe Anzahl ihre Gastgeber zur Zahlung namhafter<br />
Beträge nötigte. Solche Machenschaften konnten in dem<br />
schwülen Klima der Begünstigung unter der Ägide Samaranchs,<br />
dessen Prinzip "eine Hand wäscht die andere" war,<br />
wuchern. Was die Spatzen spätestens seit der IOC-Session in<br />
Lausanne 1986 von den Dächern pfiffen, als die Vergabe der<br />
Sommerspiele 1992 an Barcelona und der Winterspiele an<br />
Albertville in Frankreich hart umkämpft war, wurde mit dem<br />
Korruptionsskandal 1998 und 1999 im Vorfeld der Winterspiele<br />
von Salt Lake City 2002 in einem ungeahnten Ausmaß<br />
offenbar.<br />
Der bis dahin so machtvolle IOC-Präsident stand plötzlich<br />
mit dem Rücken zur Wand. Statt seinen Traum erfüllt zu<br />
sehen, mit dem Friedensnobelpreis für sein IOC ausgezeichnet<br />
zu werden, sah er sich mit seinem Komitee hochnotpeinlichen<br />
Verhören durch einen Untersuchungsausschuss des<br />
US-amerikanischen Kongresses ausgesetzt. Doch selbst in<br />
dieser misslichen Lage, an der er selbst ein gerüttelt Maß<br />
Schuld trug, zog Samaranch den Kopf aus der Schlinge. Mit<br />
einer Kehrtwende hin zur Bestrafung von bestochenen IOC-<br />
Mitgliedern und zu einer Ethikkommission gelang es ihm, die<br />
aufgebrachte internationale Öffentlichkeit erstaunlich<br />
schnell zu befrieden. Seitdem aber lag ein Schatten auf dem<br />
IOC und vor allem auf seinem Präsidenten. Aus der "Religio<br />
Athletae" Coubertins war in seiner Amtszeit ein inhaltsleerer<br />
Dollar-Fetischismus geworden. Und der Bestechungsskandal<br />
wirkte wie ein Bumerang. 2001, wiederum in Moskau, schloss<br />
sich der Kreis. Mit der Wahl zum Ehrenpräsidenten ging die<br />
Amtszeit des wohl größten Umgestalters der <strong>Olympische</strong>n<br />
Bewegung und doch umstrittensten Präsidenten des IOC zu<br />
Ende.<br />
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