28.01.2013 Aufrufe

Ausgabe 3/2010 - Deutsche Olympische Gesellschaft

Ausgabe 3/2010 - Deutsche Olympische Gesellschaft

Ausgabe 3/2010 - Deutsche Olympische Gesellschaft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Missbrauch: Keine Chance für Täter -<br />

Schutz für Opfer! Von Bianka Schreiber-Rietig<br />

Es ist ein Gespräch, dem man entfliehen möchte. Wut,<br />

Angst, Mitleid und wieder unbändige Wut steigen<br />

hoch, während die junge Frau ihre schrecklichen Erlebnisse<br />

erzählt. Vor dem Gespräch gab es ein Hin und Her,<br />

dreimal wurde es abgesagt. Warum, das ist nun zu verstehen.<br />

Leise erzählt Frau P., wie alles anfing: Mit zwölf machte der<br />

Trainer ihr Komplimente, dann folgten Betatschen und<br />

Bedrängen, und schließlich "nahm er sich alle Freiheiten<br />

heraus und mir damit die meine".<br />

Jahrzehnte später ist sie immer noch Gefangene ihrer Missbrauchserfahrungen:<br />

Jemandem Vertrauen schenken, offen<br />

auf ihn zugehen - das kann sie immer noch nicht. Plötzlich<br />

verspürt man Dankbarkeit: dass einem in seiner eigenen<br />

Kindheit so etwas erspart blieb. Und der alte Sportlehrer<br />

Hegenbart, der einem wieder in den Sinn kommt, weil er<br />

Sprungseil-Hiebe als "Hilfestellung" über Kasten, Bock oder<br />

beim Felgaufschwung am Barren allen im Sportunterricht<br />

angedeihen ließ, wirkt harmlos in der Relation zu dem, was<br />

Frau P. erleben musste.<br />

Frau P. ist nun, ausgelöst durch die Missbrauchsfälle in der<br />

katholischen Kirche und einer Reihe staatlicher und privater<br />

Schulen, wieder intensiv mit ihrer eigenen Geschichte<br />

konfrontiert. Warum wurde ihr nicht geholfen? Erst sei es<br />

Scham gewesen, darüber zu sprechen: Der Trainer wurde<br />

von allen bewundert und als guter Mensch gefeiert, sie<br />

wollte weiter im Team bleiben, und der Trainer vermittelte<br />

ihr das Gefühl, dass sie etwas Besonderes sei. Als ihr alles zu<br />

viel wurde, ihre Ängste wuchsen, sie Fressattacken hatte<br />

und gleichzeitig wie besessen trainierte, vertraute sie sich<br />

jemandem an, der ihr nicht glaubte. Mit 16 hörte sie mit<br />

dem Sport auf, und ihr vier Jahre dauernder Alptraum hatte<br />

zumindest ein physisches Ende. Die gefürchteten Trainingsund<br />

Spieltage - Dienstage, Donnerstage und Samstage -<br />

wurden irgendwann wieder normale Tage, ohne Zittern,<br />

Angstgefühle und Übelkeit. Aber die "Leichtigkeit des Seins"<br />

ist dahin - für immer.<br />

"Kindesmissbrauch ist der Mord an der kindlichen Seele. Jeder<br />

einzelne Fall ist die Schuld des Täters, nicht des missbrauchten<br />

Kindes", sagte der Passauer Richter bei der Begründung<br />

des Urteils gegen den Judo-Trainer Wolfgang D., der im<br />

Januar zu sechs Jahren und neun Monaten sowie unbefristeter<br />

Unterbringung in der Psychiatrie wegen mehrfachen<br />

Missbrauchs verurteilt wurde - Missbrauchs von Schutzbe-<br />

fohlenen in 211 Fällen und in 30 Fällen in Tateinheit mit<br />

schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern. Wegen der<br />

Kernpädophilie des Angeklagten war das Gericht von verminderter<br />

Schuldfähigkeit ausgegangen. Strafverschärfend<br />

wertete die Kammer aber, dass der Angeklagte durch sein<br />

Verhalten dem Ehrenamt vehement geschadet habe. Mit<br />

Fällen wie diesen musste sich der Sport in den letzten Jahren<br />

immer wieder auseinandersetzen - nicht zuletzt deshalb, weil<br />

es ein Tabuthema war und manchmal noch ist. "So was gibt<br />

es bei uns nicht", war nicht selten die Reaktion auf die Frage,<br />

ob Übergriffe vorgekommen sein könnten. Basta - Thema<br />

erledigt. Es passierte doch - nicht zuletzt, weil die Gelegenheiten<br />

für Täter in so einem Bereich wie Sport ja günstig<br />

sind: Die Kinder werden arglos Trainern und Trainerinnen<br />

23

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!