Beschäftigung mit Musik â ein Leben lang / Fare musica â tutta la vita
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<strong>Musik</strong>unterricht als Schulung und Vorbereitung<br />
Kontexten zu verstehen. Am wichtigsten jedoch für lebens<strong><strong>la</strong>ng</strong>es Lernen sch<strong>ein</strong>t mir<br />
das Bestreben, vielfältige persönliche Beziehungen zu <strong>Musik</strong> aufzubauen und zu<br />
pflegen, die als bleibende und abrufbare Erinnerungen, als biographische Beziehungen,<br />
als <strong>ein</strong> Teil der <strong>Leben</strong>sgestaltung fungieren.<br />
In der Kürze der Zeit wende ich mich drei Bereichen zu, in denen ‘lebens<strong><strong>la</strong>ng</strong>es Lernen’<br />
im <strong>Musik</strong>unterricht vorbereitet werden kann. Diese Bereiche sind:<br />
- der Erwerb und die Pflege <strong>ein</strong>er bestimmten Haltung der <strong>Musik</strong> und dem Musizieren<br />
gegenüber;<br />
- der auf dem Prinzip der eigenen Entdeckung beruhende Aufbau <strong>ein</strong>er <strong>ein</strong>fachen musikalischen<br />
Elementarlehre und der Umgang <strong>mit</strong> ihr (nach Martin Wagensch<strong>ein</strong>: das<br />
Prinzip ‘des zugrunde liegenden Einfachen’ der Ersch<strong>ein</strong>ungen und Ereignisse);<br />
- das Bewussts<strong>ein</strong> davon, dass jede <strong>Musik</strong> von kulturellen, gesellschaftlichen, geistigen<br />
und historischen Kontexten geprägt ist und – umgekehrt – sie <strong>mit</strong>prägt und<br />
Zeugnis von ihnen ablegt.<br />
1. Lernen als Haltung<br />
Die Haltung, welche lebens<strong><strong>la</strong>ng</strong>es Lernen ermöglicht, besteht aus:<br />
- <strong>ein</strong>er wachen, überdauernden Neugier und Offenheit, weil jede Begegnung <strong>mit</strong><br />
<strong>Musik</strong> stets <strong>ein</strong>e neue Begegnung ist oder s<strong>ein</strong> kann;<br />
- <strong>ein</strong>er Entdeckerfreude und -beharrlichkeit, gerade auch im Umgang <strong>mit</strong> angeblich<br />
Vertrautem und Bekanntem;<br />
- der Skepsis gegenüber den bisherigen Erfahrungen sowie gegenüber Begriffen<br />
und Erklärungen, die <strong>ein</strong>e Sache abstempelnd erledigen und in Schub<strong>la</strong>den <strong>ein</strong>ordnen<br />
– in selbst gezimmerte Schub<strong>la</strong>den und in solche, welche die Schule, die<br />
Wissenschaft, die Medien oder andere bereitstellen, verpflichtend er<strong>la</strong>ssen und<br />
überprüfen;<br />
- dem kritischen Durchsichtigmachen der angeblich üblichen Betrachtungsweisen<br />
und der vorschnellen Beurteilungen; 1<br />
- dem Erproben, was man alles <strong>mit</strong> <strong>ein</strong>er Sache anstellen kann, wozu man sie gebrauchen<br />
kann und auf welche Weise;<br />
- dem Bemühen, den Umgang <strong>mit</strong> <strong>Musik</strong> zum veränderlichen Teil der eigenen <strong>Leben</strong>sgestaltung<br />
zu machen.<br />
Diese Haltungen stehen, obwohl sie seit <strong><strong>la</strong>ng</strong>em <strong>ein</strong>gefordert und sowohl lerntheoretisch<br />
wie anthropologisch begründet werden, in zum Teil krassen Widerspruch<br />
zum üblichen Lernen in der Schule <strong>mit</strong> s<strong>ein</strong>en ‘von oben’ verordneten Zielen, Kompetenzen<br />
und Standards. Beispiele für die Erledigungsmaschine ‘Schule’, die lebens<strong><strong>la</strong>ng</strong>es<br />
Lernen behindern, sind:<br />
1 So nennt Martin Heidegger die Haltung, die Grund<strong>la</strong>ge für Verstehen. Martin Heidegger, Phänomenologische<br />
Interpretationen zu Aristoteles (Anzeige der hermeneutischern Situation), in «Dilthey-Jahrbuch» VI (1989), hrsg.<br />
von Frithjof Rodi, S. 237-254.