„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein

Trotzdem ist natürlich die Charakterisierung
eines damaligen englischen
Journalisten, Gardiner sei ein "englischer
Neo-Nazi" 20 , danebengegriffen.
Was Gardiner dachte und sagte, war
weitgehend Allgemeingut und lässt
sich bei anderen Zeitgenossen bei genauerem
Hinsehen auch finden. Wer
damals Vorstellungen hatte, die wir
auch bei den Nazis finden, muss also
nicht unbedingt ein Nazi gewesen
sein, war jedoch zweifellos mit vielen
anderen für ihr Gedankengut empfänglich.
Der Grat, auf dem sich Gardiner
bewegt, ist sehr, sehr schmal.
Was ihm, dessen Denken nie durch
den erlebten und erlittenen Nationalsozialismus
relativiert wurde, eher anzulasten
wäre, ist sein sehr spätes und
zögerliches Abrücken von Nazi-
Deutschland, Äußerungen, dass nicht
alles falsch gewesen sei, was der „Herr
Hitler“ so gesagt habe, und seine bis
nach dem Krieg andauernden Kontakte
zu Rechtsaußen der englischen Politik,
wie Gerald Wallop, Lord Lymington,
oder Nazis, wie dem Bauernführer
Darré, Leiter des Rasse- und Siedlungshauptamtes.
21 Auch Lobreden
auf übelste Nazis, wie den Österreichischen
Volkskundler Richard Wolfram,
zeugen von wenig Distanz und Einsicht.
22
Lassen wir ihn über seine Aktivitäten
selbst berichten, wobei ich Originalstellen
seines Buches „England Herself“
von 1943 ins Deutsche übersetze
20 “the Berlin correspondent of The Observer …
had reported on his lecture to Berlin University
early in 1934. In this lecture Gardiner (termed
by the reporter, the 'English neo-Nazi')…
zit. nach: Moore-Colyer, Richard F.: a.a.O
21 “Gardiner corresponded with Darre several
times. In 1951 he let Darre know that the development
of the English organic farming
movement had been due to his (Darre’s) inspiration.”
zit. nach: Bramwell, Anna: Ecology in
the 20th Century, A History, Yale University
Press, New Haven, 1989, S. 115
22 Reichsführer SS und Leiter der "Lehr- und
Forschungsstätte für germanisch-deutsche
Volkskunde"
reichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012
15
und mit ein paar verbindenden Sätzen
versehe. 23
"D.H. Lawrence bestärkt uns in drei
Dingen in denen er selbst als ein Seher
und Poet kundig war: eine Sensibilität
für die Qualität eines Lebens in Natur
und Landschaft, ein lebendiges Bewusstsein
des genius loci, dem was
hinter der Geschichte eines Ortes und
der historischen Plätze der Erde ist;
und ein unverbrauchtes Bewusstsein
der geheimnisvollen Realität auch hinter
den lebenden Dingen und Menschen,
diese besondere Art religiösen
Bewusstseins..." 24
... "in den Studienfahrten, Arbeitslagern,
Festen und Zentren der deutschen
Bünde suchten wir die Realität
und den Beweis der Visionen von Lawrence.
In den Flammen der gemeinsamen
englisch-deutschen Aktivitäten
reinigten wir uns von Unwichtigkeiten
und kehrten zurück zum Urgestein der
existenziellen und fundamentalen Bedürfnisse.
Die deutsche Wiedergeburt
war eine Herausforderung für uns,
durch die die traditionellen Lebensformen
Englands, sobald sie von den
Fremden wahrgenommen und wertgeschätzt
wurden, auch für uns wieder
zu Wert und Geltung kamen." 25
"So, wie die Volkskunst die Gebärmutter
aller Künste ist, so ist die Ackerkrume
die Gebärmutter der Zivilisation
und allen Lebens. Es ist der Missbrauch
der Scholle, der zum Untergang
der Zivilisationen führt und es ist
die zwangsweise Trennung der Menschen
von den Wurzeln ihrer Existenz,
die menschliches Leben zerstört. Sowohl
Lawrence wie die Bünde teilten
die Überzeugung, dass, wenn die
Menschen nicht wieder zu ihren Wurzeln
zurückkehren, zur Scholle, es keine
Zukunft geben wird für ihre Zivilisation,
wie groß auch ihre Cleverness,
wie raffiniert ihre Maschinen. Es ist,
23
Gardiner, Rolf: England herself – ventures in
rural restoration.
London: Faber & Faber 1943; 185 S. zit. als EH
24 EH, S. 11
25 EH, S. 12
schrieb Lawrence, praktisch eine Frage
der menschlichen Zuordnung. Wir
müssen zurückkehren in diese lebendige
und lebenserhaltende Verbindung
zum Kosmos und zum Universum...
Wir müssen einmal mehr die Rituale
von Sonnenaufgang, Mittag und
Sonnenuntergang praktizieren, das Ritual,
Feuer anzuzünden und Wasser zu
trinken, das Ritual des ersten Atemzuges
und des letzten... Wir müssen uns
wieder einpflanzen in das Universum."
26
Soweit Gardiner. Sein Onkel Balfour
Gardiner, ein Komponist, schenkte
seinem berufslos herumreisenden
Neffen 1927 verödetes Farmland in
Dorset, die Gore Farm, vielleicht eine
Art Probe aufs Exempel, wie es Becker
mit Götsch getan hatte: Nun beweis
mal, was in Dir steckt! Und, das muss
ihm zugestanden werden, er bewies
es.
Er machte einen Lehrgang in Dartington
Hall zur Landschaftsgestaltung und
begann ein beachtenswertes Aufforstungs-
und Aufbauprojekt mit Hilfe
von Freiwilligen in Ernte- und Arbeitslagern
und bekämpfte erfolgreich die
Erosion der Böden. Die Zahl der Bäume,
die er neu anpflanzen ließ, soll in
die Millionen gegangen sein. Hier begründete
er auch zur Unterstützung
den Freundeskreis Gore Kinship, ähnlich
der Löwenberger Arbeitsgemeinschaft.
Aber lassen wir Gardiner wieder
selbst zu Wort kommen:
Gore Farm
„Wir hatten Gore Farm 1928 wieder
aufgebaut. ...Die neuen Gebäude – alles
homemade, denn aus Materialien
der Umgebung gebaut und wir selbst
als die örtlichen Erbauer ja auch von
hier - mussten nun nicht nur eine Flä-
26 EH, S. 13-14