„Richte immer die Gedanken... - Adolf-Reichwein-Verein
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nommen. Gardiner hat sich nach 1949<br />
für <strong>die</strong> Gründung einer Musischen<br />
Akademie in Westdeutschland eingesetzt;<br />
klar war dabei, dass Götsch ihre<br />
Leitung aus Gesundheitsgründen nicht<br />
mehr übernehmen konnte (vgl. Gardiner<br />
1969c, S. 263).<br />
Gardiner wird von englischer Seite<br />
vorgeworfen, dass er mit den Nazis<br />
sympathisiert und sich antisemitisch<br />
geäußert habe (vgl.<br />
http://en.wikipedia.org/wiki/ Rolf<br />
_Gardiner).<br />
Er hat sich 1933 in einem Aufsatz über<br />
“Die deutsche Revolution von England<br />
gesehen” geäußert. Durch <strong>die</strong> “deutsche<br />
Revolution” mit den Nationalsozialisten<br />
als “Speerspitze” (1933, S. 13)<br />
sei eine “nationale Einheit” hergestellt<br />
worden; <strong>die</strong>se Revolution sei dabei<br />
“Resultat organischen Wachstums” (S.<br />
10). Eine wichtige Rolle spielte hier<br />
seiner Meinung nach <strong>die</strong> “deutsche<br />
Jugend”, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Parteien ablehne und<br />
das “Vaterland” in “Fahrten”, “Arbeitslagern”,<br />
“Volkshochschulen” und “Pädagogischen<br />
Akademien” anstrebe.<br />
Sie praktiziere dabei “Führerschaft”<br />
und “Gemeinschaftsleben” durch<br />
“Zucht der Bindung” (S. 12). Zur Frage,<br />
ob Juden “Sündenböcke” seien, unterschied<br />
er zwischen den “westlichen<br />
und mitteleuropäischen” und den<br />
“slavischen Juden”; letztere seien “oft<br />
ruhelose Ahasvere ohne Boden- und<br />
Handwerkstradition” (S. 15) und dabei<br />
“intellektualistisch, analytisch, individualistisch”<br />
(S. 16). Die “Unterdrückung”<br />
der Juden durch <strong>die</strong> Nationalsozialisten<br />
werde aber deren Gegendruck<br />
bewirken (vgl. S 16). Er verweist<br />
auch darauf, dass “viele Juden im<br />
höchsten Sinne Deutsche und Europäer”<br />
(S. 17) seien. Er wendet sich gegen<br />
Deutschlands Isolierung in Europa;<br />
<strong>die</strong>se bringe das deutsche Volk dazu,<br />
sich gegen <strong>die</strong> “ganze Welt” “behaupten<br />
zu müssen” (S. 17). Kein Land in<br />
Europa habe “eine ähnliche geistige<br />
Lebenskraft wie Deutschland”; es<br />
könne daher “das Herz und <strong>die</strong> Seele<br />
eines neuen Europa” (S. 18) werden.<br />
Die “ganze germanische Welt soll am<br />
Segen <strong>die</strong>ser Wiedergeburt teilhaben”;<br />
alle brauchten “<strong>die</strong> Zucht der<br />
Bindung” (S.18).<br />
reichwein forum Nr. 17/18 Mai 2012<br />
21<br />
Gardiner hat <strong>die</strong> neue NS-Regierung<br />
und das NS-Regime 1933 mit Enthusiasmus<br />
begrüßt. Er verteidigte <strong>die</strong><br />
Deutschen in der “Times” gegen <strong>die</strong><br />
Proteste in England wegen der<br />
“´Verfolgung`” (persecution) der Juden;<br />
<strong>die</strong>se Proteste seien ein Angriff<br />
auf <strong>die</strong> “neuen sozialen Prinzipien”,<br />
mit denen <strong>die</strong> Deutschen ihr Leben<br />
verändern wollten. Die “jüdischen Geschmäcker”<br />
hätten “<strong>die</strong> Deutschen<br />
von ihrer eigenen Tradition entfremdet”<br />
(in: Stone 2011, S. 157). In einem<br />
Brief an Goebbels vom 25.April 1933<br />
schreibt er als “Führer einer jungen<br />
englischen Generation” und drückt im<br />
Namen seiner “Kameraden” <strong>die</strong><br />
“Freude über <strong>die</strong> Erneuerung des<br />
deutschen Volkes und über <strong>die</strong> Wiederherstellung<br />
der deutschen nationalen<br />
Würde” aus. Er verspricht, dass sie<br />
das “Werk der Erneuerung der germanischen<br />
Werte in allen Ländern um <strong>die</strong><br />
Nord- und Ostsee mit neuer Kraft” (S.<br />
159) verfolgen werden.<br />
Im Frühjahr 1934 nahm Gardiner Kontakt<br />
zu Rudolf Heß auf; angesichts der<br />
Attacken auf das Musikheim Frankfurt/Oder<br />
und seiner Infragestellung<br />
und der damit verbundenen Schwierigkeiten<br />
für Götsch machte sich Gardiner<br />
für das Musikheim und für<br />
Götsch stark. Heß versprach, sich um<br />
das Musikheim zu kümmern (vgl. Gardiner<br />
1948, S. 187f.); es wurde jedoch<br />
im Dezember 1940 geschlossen. An<br />
<strong>die</strong>sem und dem folgenden Beispiel<br />
zeigt sich <strong>die</strong> teilweise Desillusionierung<br />
Gardiners durch <strong>die</strong> Realität des<br />
Dritten Reiches und seine zunehmende<br />
Enttäuschung über <strong>die</strong> Entwicklung<br />
in Deutschland.<br />
Als Landwirt und Landschaftsplaner<br />
war Gardiner an den Zielen und Aktivitäten<br />
des deutschen Reichsnährstandes<br />
interessiert. Er berichtet darüber,<br />
dass er – nachdem ihn im Sommer<br />
1936 eine Gruppe von Offiziellen des<br />
Reichsnährstandes in Springhead besucht<br />
hatte – Anfang Oktober 1936 am<br />
Erntefest auf dem Bückeberg und im<br />
November dann am Reichsbauerntag<br />
in Goslar teilgenommen hat. Ihm<br />
schien <strong>die</strong> Reorganisation der deutschen<br />
Landwirtschaft durch den<br />
Reichsnährstand “das beste Ding, das<br />
der Nationalsozialismus hervorgebracht<br />
hat” (1948b, S. 191). Er schätzte<br />
Walther Darré, den Reichsbauernführer,<br />
und glaubte, dass <strong>die</strong>ser<br />
“ernsthaft wünschte, dem Landvolk<br />
einen ehrenhaften Platz in der deutschen<br />
Gesellschaft zurückzugeben” (S.<br />
192), geht aber davon aus, dass <strong>die</strong><br />
Nazis ihn vereinnahmt hätten. Die<br />
Vorträge und Ansprachen von Seiten<br />
des Reichsnährstandes in Goslar haben<br />
ihm weitgehend gefallen. Ihn<br />
störte allerdings entschieden, dass<br />
“<strong>die</strong> kompromisslose Kampfansage<br />
gegen den jüdischen Weltbolschevismus”<br />
(S. 196) herausgestellt wurde.<br />
Besonders unangenehm war ihm <strong>die</strong><br />
abschließende Ansprache Hermann<br />
Görings, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Teilnehmer allerdings<br />
begeisterte; Göring forderte dabei<br />
“den deutschen Boden dem bevorstehenden<br />
Bedarf einer Kriegswirtschaft<br />
zu unterstellen” (S. 199). Gardiners<br />
Meinung nach waren <strong>die</strong> Widersprüche<br />
bei den Deutschen und <strong>die</strong><br />
Machtbestrebungen einer zum Äußersten<br />
entschlossenen Clique<br />
“schändliche Sünden” (heinous sins)<br />
(S. 198).<br />
Gardiners Einstellung gegenüber dem<br />
Nationalsozialismus und dem Dritten<br />
Reich hat sich also seit 1933/34 gewandelt.<br />
So berichtete Gardiner über<br />
<strong>die</strong> erschrockene Reaktion vieler Mitglieder<br />
des Springhead-Ringes auf das<br />
Bekenntnis Götschs zum “neuen<br />
Deutschland” und auf dessen NSDAP-<br />
Zugehörigkeit (seit 1937) sowie auf<br />
dessen Ansinnen, <strong>die</strong> Chorfahrt des<br />
Ringes durch Deutschland 1939 müsse<br />
den “politischen Gegebenheiten<br />
Rechnung tragen” (Gardiner 1969b, S.<br />
248). Während des Zweiten Weltkrieges<br />
hat Gardiner sich politisch zurückgehalten;<br />
seine Sympathie für <strong>die</strong><br />
Deutschen und für <strong>die</strong> Einheit Nordeuropas<br />
blieben jedoch erhalten. Nach<br />
1945 spricht er deutlich von “Hitlers<br />
Machtpolitik” (S. 245) und vom “Alptraum<br />
des Hitlerkrieges” (1945, S.<br />
113). Er verweist darauf, dass ihm<br />
1946 <strong>die</strong> Einreise in <strong>die</strong> britische Besatzungszone<br />
verwehrt worden sei<br />
wegen seiner “früheren Verbindungen<br />
zur bündischen Jugend”, seiner “Aussagen<br />
zur Verteidigung des Musik-